Ambre et Vanille 1935

Lillie
26.11.2021 - 04:29 Uhr
19
Top Rezension
10
Preis
8
Flakon
7
Sillage
10
Haltbarkeit
9.5
Duft

Gourmand-Chypre

Ich sag es gleich vorweg: das war ein Blindkauf, im TK-Maxx für 24,99 mitgenommen, ich liebe die nostalgischen Flakons von Coudray und brauchte was für die Seele. Las schnell die Noten, gerade ohnehin auf meiner persönlichen Tonka-Welle schwimmend, nahm ich ihn mit.
Hätte es 1935 schon den Begriff "Gourmand" für eine Duftfamilie gegeben, hätte man ihn sicher auf Ambre et Vanille anwenden können, so ist es sicherlich als süßes, pudriges Chypre betrachtet worden. Patchouli, eine staubige trockene Iris und eine fast bittere Orangen- bzw. Bergamottenote rechtfertigen diese Meinung, auch wenn natürlich Eichenmoos oder Cumin (muss immer wieder an Femme denken, wenn auch erst später entstanden) hier nicht vorhanden sind. Der Auftakt hat etwas von Shalimar, da muss ich meinen VorrednderInnen recht geben, und zwar in der Parfum-Version, das dichte, schwere und ölige Shalimar. Im Verlauf tritt sehr schnell die Tonkabohne hervor, diese süß-scharfe Puderbohne mit ihrer Schwester der Vanille, stolziert sie Hand in Hand auf die Bühne, einer Sarah Bernhardt mehr als würdig. (Sie war ein großer Fan des Hauses Edmond Coudray, seinerzeit) .
Ylang-Ylang, Heliotrop und Zimt machen das opulente Bild komplett, es ist ein sehr dichtes EdT, ich kann mir kaum vorstellen wie das EdP oder gar Parfum hierzu duften sollte (Coudray stellt nur EdTs her, daneben diverse Pflegeprodukte). Wenn später messingfarbener Amber und eine goldene, beinahe ölige Moschusnote Raum greifen, weiß man, das hier ist für große Mädchen. Eine Rezensentin schrieb in einem Statement, dass Fans von Nuit d'Ete, dem guten alten Loulou und dem original Sun hier auf ihre Kosten kämen und das kann ich zu 100% unterschreiben. Vielleicht kann ich das blaue Joop noch hinzufügen, eine gewisse Animalik, die damals in der Urversion vorkam, rieche ich auch hier. Ich würde nicht soweit gehen auf Zibet zu tippen, aber irgendwas in der Richtung, eine Andeutung von Pelz ist da. Dieser Duft ist die Urahnin all der genannten und definitiv für den Herbst/Winter eine Kuscheltestung wert. Ich werde meinen Blinkauf definitv behalten, ich möchte die dunkle Oranegentonkavanille mit dem animalischen Unterfell nicht mehr in meiner Sammlung missen. Ungewöhnlich modern, ich musste zweimal hinsehen, dachte ich doch erst beim "Gründungsjahr" 1985 zu lesen! Der Duft stammt aus dem Jahr 1935.
Die Haltbarkeit ist enorm, die Sillage gut und zwei bis 3 Sprüher genügen vollends für eine schöne Wolke heiler Welt, die dieser Tage so rar ist. Aber das Haus Coudray, selber in einer schwierigen Phase entstanden, hat hierfür ein Rezept.

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