MarschO
18.07.2017 - 17:10 Uhr
20
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft

Über das Dandytum

Zugegebenermaßen hab ich mir die Überschrift ausgeliehen - und zwar von Jules Barbey d'Aurevilly. Der hat nämlich mitte des 19. Jahrhunderts ein Essay dieses Titels verfasst. "Du Dandysme et de George Brummell" so der Orginaltitel. Es handelt also hauptsächlich von George Bryan "Beau" Brummell, der als erster echter Dandy gilt und als Erfinder der gestärkten Hemdkragens!!!
Aber wir betreiben hier keine Literaturkritik sondern Duftkritik und deshalb jetzt zu Geranium pM und dessen Bezug zum Dandytum.

GpM startet alkoholisch scharf und (wer hätte es gedacht) sehr sehr minzig. Es wäre also doch sehr von Vorteil den Geruch von Minze zu mögen, sonst wird das nichts...
Aber im Gegensatz zum Großteil meiner Vorredner sehe ich die Minze hier nicht als Hauptdarsteller, sondern als eine Art Concierge (mit frisch geputzten Zähnen) der zur Revue begrüßt. Hat sich der frische Minzhauch, der tatsächlich ein wenig an Zahnpasta erinnert, dann nach ein paar Minuten wieder beruhigt kommt eine herrliche Rosengeranium-Note zum Vorschein. Also wirklich so schön und prominent habe ich diese Duftnote noch kaum in einem Parfum gerochen. Dann gesellt sich noch gänzlich unweihnachtlicher Zimt dazu und die unwiderstehliche Ménage à trois beginnt. Nonchalant rosig, frisch minzige Spitzen unterlegt von gewürzig zimtiger Schärfe - liebe Duftfreunde, so riecht es im Aether!
Wie auf Wolken gebettet ist das Ganze auf einer Basis aus hellem Weihrauch und sauberen Moschus, die die Basis bilden und ein langsames wunderschönes fade out bescheren.

Wie komme ich jetzt aber darauf diesen Duft als dandyhaft wahrzunehmen? Dazu kam ich bei der Lektüre des besagten Essays und d'Aurevillys Versuch einer Definition des Dandytums. D'Aurevilly beschreibt das Dandytum in Abgrenzung zur Exzentrik. Gemein sei den beiden Charaktereigenschaften "immer das unvorhergesehene zu tun, womit der ans Joch der Regeln gewöhnte Geist am wenigsten rechnen kann". Wo die Exzentrik aber die "zügellose, wüste, blinde", "individuelle Revolution" gegen die bestehende Ordnung oder gar die Natur sei, spiele das Dandytum mit den Regeln und respektiere sie doch. "Es (das Dandytum) leidet an ihr und rächt sich, während es sich fügt; es beruft sich auf sie, während es sie übertritt; abwechselnd beherrscht es sie und wird von ihr beherrscht: zweigesichtiger und wechselhafter Charakter! Um dieses Spiel zu spielen braucht man alle Geschmeidigkeiten, die die Anmut ausmachen, wie die Strahlen des Prismas durch ihre Vereinigungen den Opal bilden".

Bei diesen Zeilen kam mir der Gedanke wie man zu solch einer Einstellung denn wohl riechen sollte. Eine Zeit lang fiel mir dazu nicht viel ein, bis ich GpM zum ersten Mal rocht. Denn eigentlich ist GpM kein richtiges Parfum, sondern ein Wohlgeruch, eine Lebenseinstellung. Diese spitzige rosige Minze passt nicht zu T-Shirt, Hoddy und Flipflops. Die scharfe Zimtnote verträgt sich nicht mit Turnschuhen und Jack-Wolfskin-Outdoor-Jacke. Nein, sie lächzt förmlich nach Blazer und Einstecktuch. Sie fordert nach einem gebügelten Hemd und rahmengenähten Lederschuhen. GpM setzt ein gepflegtes Äußeres voraus und das gänzlich ohne irgendwie altmodisch oder antiquiert zu sein. Ein solches Auftreten hat in der heutigen Zeit einen nonkonformistischen Touch und zeichnet vllt den modernen Dandy aus.

Beau Brummell verabscheute übrigens Parfum und wechselte seine Wäsche mehrmals täglich. In einer Zeit in der es normal war zu stinken, wurde Wohlgeruch wohl noch anders definiert.

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