L'Eau d'Hiver Editions de Parfums Frédéric Malle 2003
Top Rezension
Hartnäckiger Gruß aus dem Chemielabor
Das Konzept fasziniert mich. Minimalismus, Purismus: wenige Zutaten, die dann auch charakteristisch und rein hervortreten. Klares, schlankes Design, bei dem es nichts Überflüssiges gibt, keine Schnörkel; Konstruktion und Ästhetik sind eins. Für Um- oder Verhüllung ist kein Platz, für Üppigkeit schon gar nicht.
Das folgt, wenn man so will, Bauhaus-Maximen, "form follows function". Aber passt das eigentlich auf Parfümerie? Braucht die nicht hie und da Verhüllungen, aus funktionalen Gründen (z. B. um einem Stoff, der zum Fixieren nötig ist, unerwünschte Duft-Dominanz zu nehmen)? Ist Üppigkeit nicht ein nützliches – vielleicht sogar unentbehrliches – handwerkliches Mittel, um Ingredienzien, die extreme Effekte provozieren können, auszubalancieren und im Zaum zu halten? Und vor allem: Was ist denn "Funktion" und was "Form" eines Dufts, lassen die sich überhaupt trennen?
Fragen über Fragen. Sie drängen sich mir auf, nachdem ich mit fünf von sechs Düften des Minimalisten Jean-Claude Ellena Nieten gezogen habe. (Nr. 6, "Eau Parfumée au Thé Vert Extrème", war ein Volltreffer.) Zu den Nieten zählt leider auch "L‘Eau d’Hiver": Das von meinen Vorschreibern hoch gelobte Wässerchen funktioniert für mich nicht. Und es ist nicht nur ein bisschen daneben, sondern ein Totalflop.
Heu? Heliotrop? Moschus? Honig? Nichts davon nehme ich wahr. Genauer: Zu diesen Wahrnehmungen komme ich gar nicht. Das Winterwasser fängt bei mir schon an mit Noten, die ich als – ich kann es leider nicht präziser ausdrücken – "hohl" empfinde, eigenartig substanzlos, ein bisschen künstlich. Und bald mischt sich etwas ein, das gewürzig-anisartig, leicht süßlich und ganz und gar synthetisch riecht (ich kenne Anisaldehyd nicht, denke nach Ronins Analyse aber, dass es das sein müsste). Dieses Zeuchs überrollt alles andere, was im Flakon steckt. Duftentwicklung findet fortan nicht mehr statt, Duftbewegung auch nicht; starr und statisch hockt der Chemiekram auf meinem Arm, gleichbleibend intensiv, zunehmend nervig.
Nach sechs Stunden hatte ich genug. Es war dann aber mühsam, das Ganze wieder loszuwerden, das Anisaldehyd(?)-Aroma klebte wie Pech.
Ein paar laienhafte Überlegungen:
- Es scheint, als sei hier ein einzelner Parfumbestandteil auf meiner Haut regelrecht durchgeknallt. (Ähnlich lief es auch bei meinen übrigen Ellena-Flops.) Könnte ein anderes, weniger puristisches Duftdesign – mit zähmenden, ausgleichenden Beigaben, also mit mehr Opulenz – dieses extreme Ausbüxen womöglich verhindern? Andersherum: Kann es sein, dass Minimalismus das Flop-Risiko steigert, nach dem Motto: Wenn dabei was schiefgeht, dann gründlich?
- Jedes Mal waren es synthetisch riechende Stoffe, die sich selbstständig gemacht haben. Kann es sein, dass minimalistisches Duftdesign eher zum Griff in die Chemiekiste animiert?
Wie dem auch sei – ich halte mich beim Testen jetzt erstmal an nicht-minimalistische Düfte. Auch wenn Konzepte was haben.
Das folgt, wenn man so will, Bauhaus-Maximen, "form follows function". Aber passt das eigentlich auf Parfümerie? Braucht die nicht hie und da Verhüllungen, aus funktionalen Gründen (z. B. um einem Stoff, der zum Fixieren nötig ist, unerwünschte Duft-Dominanz zu nehmen)? Ist Üppigkeit nicht ein nützliches – vielleicht sogar unentbehrliches – handwerkliches Mittel, um Ingredienzien, die extreme Effekte provozieren können, auszubalancieren und im Zaum zu halten? Und vor allem: Was ist denn "Funktion" und was "Form" eines Dufts, lassen die sich überhaupt trennen?
Fragen über Fragen. Sie drängen sich mir auf, nachdem ich mit fünf von sechs Düften des Minimalisten Jean-Claude Ellena Nieten gezogen habe. (Nr. 6, "Eau Parfumée au Thé Vert Extrème", war ein Volltreffer.) Zu den Nieten zählt leider auch "L‘Eau d’Hiver": Das von meinen Vorschreibern hoch gelobte Wässerchen funktioniert für mich nicht. Und es ist nicht nur ein bisschen daneben, sondern ein Totalflop.
Heu? Heliotrop? Moschus? Honig? Nichts davon nehme ich wahr. Genauer: Zu diesen Wahrnehmungen komme ich gar nicht. Das Winterwasser fängt bei mir schon an mit Noten, die ich als – ich kann es leider nicht präziser ausdrücken – "hohl" empfinde, eigenartig substanzlos, ein bisschen künstlich. Und bald mischt sich etwas ein, das gewürzig-anisartig, leicht süßlich und ganz und gar synthetisch riecht (ich kenne Anisaldehyd nicht, denke nach Ronins Analyse aber, dass es das sein müsste). Dieses Zeuchs überrollt alles andere, was im Flakon steckt. Duftentwicklung findet fortan nicht mehr statt, Duftbewegung auch nicht; starr und statisch hockt der Chemiekram auf meinem Arm, gleichbleibend intensiv, zunehmend nervig.
Nach sechs Stunden hatte ich genug. Es war dann aber mühsam, das Ganze wieder loszuwerden, das Anisaldehyd(?)-Aroma klebte wie Pech.
Ein paar laienhafte Überlegungen:
- Es scheint, als sei hier ein einzelner Parfumbestandteil auf meiner Haut regelrecht durchgeknallt. (Ähnlich lief es auch bei meinen übrigen Ellena-Flops.) Könnte ein anderes, weniger puristisches Duftdesign – mit zähmenden, ausgleichenden Beigaben, also mit mehr Opulenz – dieses extreme Ausbüxen womöglich verhindern? Andersherum: Kann es sein, dass Minimalismus das Flop-Risiko steigert, nach dem Motto: Wenn dabei was schiefgeht, dann gründlich?
- Jedes Mal waren es synthetisch riechende Stoffe, die sich selbstständig gemacht haben. Kann es sein, dass minimalistisches Duftdesign eher zum Griff in die Chemiekiste animiert?
Wie dem auch sei – ich halte mich beim Testen jetzt erstmal an nicht-minimalistische Düfte. Auch wenn Konzepte was haben.
4 Antworten

Mir geht's wie Dir, mir geht's wie Dir! Allerdings rieche ich auch Moschus, hier in der für mich imme roberlangweiligen sauber-sauber-Variante und ich vermute auch einen Hauch Iris. Alles zusammen wirkt auch auf mich synthetisch, synthetisch.

dann geh mal zu Guerlain, da wirst du vielleicht fündig werden.

Wenn man einen Duftstoff nicht mag, nimmt man diesen halt besonders stark wahr. Ein Fall von "persönliches Pech", sowas kenne ich auch.

Die angegebenen Noten kann ich zwar wahrnehmen (Honig, Heliotrop ...), aber begeistert wie viele andere war ich auch nicht.