Molecule 01 + Iris 2021

FioreMarina
31.03.2023 - 08:17 Uhr
31
Top Rezension
2
Preis
1
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
6
Duft

Iris und ich

Auf irgendeinem Forum, ich erinnere mich nicht mehr, auf welchem, gibt es den Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Ziemlich genau so würde ich mein Verhältnis zu der Iris beschreiben. Falls ihr nun denkt, das muss an mir liegen: tut es nicht, das schwöre ich. Denn natürlich liebe ich sie: ich liebe sie wirklich. Wenn sie bloß nicht so schwierig wäre!

Ein bisschen fühle ich mich mit ihr wie auf der Suche nach dem heiligen Gral: ich habe ein Bild von ihrem Wesen, ich weiß, wie sie sein müsste, ach was: wie sie tief drinnen ist (nämlich genau so, wie ich sie mir wünsche) und ich jage ohne Ermüdungserscheinungen der Erfüllung meiner Vision einer königlichen, sanften, strahlenden, lippenstiftigen, frischen, süßen, verführerischen, pudrigen, verspielten, boudoirigen, eleganten Iris nach: wer sich die Mühe machen möchte, kann ja mal meine Sammlung checken: ihr werdet sehen, sie fehlt in kaum einem Duft. Und ratet mal? Sie ist nicht dabei, die Iris- Vision, meine ich. Annäherungen, ja. Wirklich schöne Düfte, in denen sie aufblitzt. Und dann ist sie wieder weg. Oder sie ist zu staubig oder zu schmuddelig oder zu künstlich oder zu kalt. Oder in der falschen Gesellschaft.

Letzteres zumindest kann man Molecule 01 + Iris nicht im übertriebenen Ausmaß zum Vorwurf machen, denn es ist außer der Iris dort nur Iso E Super gelistet und das ist, nun ja, eine schmale Begleitung.

In M+, wie es minimalistisch-großkotzig fett auf Verpackung und Flakon zu lesen steht, wird sich ohnehin nicht mit Überflüssigem aufgehalten: Kopf, Herz, Basis, überhaupt flankierende Inhaltsstoffe: Das ist so 2005! Hier kommt es mir eher vor, als würde Geza Schön sagen: „Alter, willst du Iris, ja? Willst du jetzt echt Iris oder was? Kannst du haben, Alter. Und zwar jetzt und zwar sofort.“

Und zwar voll auf die Zwölf.

Ich muss die Sache an dieser Stelle ein bisschen strecken. Denn wenn man anfängt, den Duft an sich zu beschreiben, wenn man sich also anschickt, die bereits erwähnten Kopf, Herz und Basis der geneigten Leser*in anschaulich vor die Nase zu führen, tja… dann ist man halt eben auch schnell wieder durch.

Aber eigentlich muss man ja, um den Spirit dieses Werks vollständig zu erfassen, wirklich schon bei der Verpackung beginnen. Die erinnert nämlich, in metallicblau und mit der großen weißen M3 Aufschrift eher an ein Nahrungsergänzungsmittel für Bodybuilder als an ein Duftkunstwerk. Man könnte auch an eine Großpackung Viagra denken, der Farbe wegen und auch wegen des Mangels an Poesie: Es ist nämlich so, dass Performance Poesie nicht ersetzen kann. Die Funktion allein macht nicht das Erlebnis.

Denn, das muss man ihr lassen, die M+ Iris performt. Sie funktioniert. Sie stößt beim ersten Drücken des Sprühknopfes ansatzlos durchs Nasenloch direkt hinauf in den Frontallappen wie ein übermotiviertes Coronateststäbchen. Und was im Hirn ankommt, ist das Bild einer 3D Iris an einem Frühlingstag im Metaverse: nicht exzentrisch, nein. Sondern massengängig, übergroß, glasklar, kalt. Und tot.

Es gibt nichts, was diesen Eindruck mildert, nichts, was die molekulare Monster-Iris umschmeicheln, was sie weicher, schöner oder irgendwie lebendig machen würde. Vielleicht ja dieses Iso E Super, für die drei begnadeten Nasen, die da etwas anderes riechen können als Säure. Mir katapultiert sich diese Iris einfach unvermittelt und faustschlagartig ins Duftbewusstsein. Und dort bleibt sie und verändert sich nicht. Vergesst das mit dem Duftverlauf, sie macht keine Entwicklung durch, gar keine, wenn man davon absieht, dass sie in der immer gleichen penetranten Intensität irgendwann nachlässt und dann halt weg ist.

Zu diesem Zeitpunkt taumele ich zwischen der Erleichterung über ihr finales Entschwinden und Ratlosigkeit: ist das jetzt Kunst? Wie das pechschwarze Viereck, das damals dieser Russe, ich hab seinen Namen vergessen, auf die Leinwand gebracht hat, gewissermaßen als die Verkündigung des Letztgültigen, des Ultimativen, des Endes aller Kunst. Bin ich einfach nur altmodisch, dass ich mir wünsche, es möge diese Sache mit Kopf, Herz und Basis geben und ein bisschen Phantasie?
Vielleicht bin ich das ja wirklich. Aber ich kann mir nicht helfen, ich mag auch gar nicht: ich werde diesen apokalyptisch ausgerufenen Gruselklon von einer Iris nie, niemals als meinen Gral akzeptieren. Dann irre ich lieber weiter durchs Duftuniversum, von seelenlosen Weltraumdüften, exzentrisch, molekular, was weiß ich was gejagt, aber unverzagt und hoffnungsfroh: Irgendwann, Iris meiner Träume, irgendwann finde ich dich. Und dann liebe ich dich. Für immer.
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