Sécrétions Magnifiques 2006

FragFreak666
26.01.2023 - 01:05 Uhr
78
Top Rezension
8
Preis
8
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
4
Duft

Ein Dufterlebnis der besonderen Art

Am 25. Januar 2023 haben wir das Raum-Zeit-Kontinuum bis an die Grenzen belastet; rund ein Dutzend wackere Heldinnen und Helden nahmen all ihren Mut zusammen und trafen sich um halb Neun abends, um im Live-Ticker über diese Offenbarung zu schwadronieren.

Viel wird über den Duft im Internet berichtet – von: es „dufte“ nach Fäkalien bis hin zu „so schlecht ist der gar nicht“ ist da alles zu finden.

Meiner Ansicht nach liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Auf jeden Fall war die Neugierde geweckt, als das Sharing im hiesigen Basaar feilgeboten wurde und die Koalition der Mutigsten der Mutigen wurde geschmiedet.

Über die Intention des Parfumeurs, der – wenn dieser Duft sein Erstling gewesen wäre – sicherlich keinen Fuß mehr in irgendeines der Häuser gesetzt hätte, für die er wirklich tolle Düfte kreiert hat, wurde hier schon alles geschrieben. Und auch der Name dieses Duftes sagt ja schon dem Grunde nach alles aus.

Der Akt der menschlichen Liebe kurz vor dem Höhepunkt soll hier dargestellt sein; liebe Parfumas und Parfumos… wenn das so riechen würde, wäre die menschliche Spezies längst ausgestorben. So viel sei schon mal gesagt.

Nun gut, sei es drum; normalerweise ist meine Spühroutine mindestens 10 Pffts pro Duft und ich bin heilfroh, dass ich vorab eine gut gemeinte Warnung erhalten habe, dies um Himmels Willen nicht zu tun. Wahrscheinlich wäre ich jetzt nicht mehr unter Euch, hätte ich diesen gut gemeinten Rat nicht befolgt.

Ich war ich so verwegen, diese magnifique Kreation direkt auf der Haut zu testen. Und ein Sprühstoß reicht durchaus aus, um hier eine Erinnerung für die Ewigkeit zu schaffen.

Was erwartet nun den versierten Afficionado bei diesem sehr konzeptionell anmutenden Duft?

Ich will das Geheimnis nun lüften (und der Raum, in der der Raum getestet wird, sollte wirklich gut gelüftet sein!) – es ist wirklich schauderhaft.

Wie gesagt, von Liebe spüre ich hier nichts; und wie eingangs erwähnt: wir alle wären nicht hier, wenn der Akt der Liebe so riechen würde.

Nach der initialen Applikation des Duftes mittels zitternder Hand am Sprühkopf meines Testzerstäubers macht sich der Geruch von vergorenem, angegrautem rotem Fleisch breit welches zu lange in der Sonne lag. Vielleicht schaut Dir auch eine kleine Madenlarve ins Gesicht und sagt Hallo. Es riecht metallisch, wie Blut, was aus den Überresten hervor tritt.

Nach etwa einer Minute wird das Ganze ein wenig intensiver; die Luft im Raum (trotz Klimatisierung UND offenem Fenster) füllt sich mit diesem Odor. Fahler Geruch, und plötzlich macht der Schlächter einen Proteinshake auf, den er sich genüßlich bei der Verarbeitung der vorgenannten Rohware reinpfeifft.

Als wenn dies nicht schon genug wäre, wird der Duft nochmals dichter; der Raum ist gefüllt mit dieser süßlich, fast cremig anmutenden Unschönheit. Dazu paart sich dann noch eine gewisse Pudrigkeit. Und der Schlächter hat immer noch Appetit, macht sich mit blutigen Händen eine Konservendose Mandarinen auf. Nun kommt eine Zitrik als weitere Komponente auf, die auf der Haut immer stärker zum Vorschein kommt.

Man kann den Duft förmlich schmecken; er nimmt Dich ein – auch wenn Du das nicht willst; ich fühle mich an den Erlkönig von Goethe erinnert: „und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt“ heißt es dort.

Er breitet sich in meiner Nase aber auch im Rachenraum aus. Meine Zunge wird pelzig. Und nein, ich habe ihn nicht getrunken. Mein Handrücken ist unerbärmlich und projiziert diesen Duft immer stärker.

Es ist ein Tritt in die Magengrube. Der härtesten Sorte. Ich empfinde den Zwang, dieses Meisterwerk loszuwerden. Aber es gelingt mir nicht. Selbst geruchsneutralisierende Seife, selbst mehrere Liter Wasser helfen nichts. (Ist Amputation eine Option?!)

Der Duft hat Dich – und Du wirst den nicht mehr los. Wie ein Malus, der Dich bis ans Ende Deines Lebens verfolgt.

Jetzt, etwa 9 Stunden, gefühlten 10.000 Liter Wasser und einer Dusche später kann ich dieses Salzig-Eiweißartige immer noch auf meinem Handrücken wahrnehmen. Was für ein Ritt.

Ich danke wirklich – und das ganz unironisch – allen Beteiligten und vor allem der Initiatorin für dieses einzigartige Erlebnis; einige fanden ihn nicht mal so schlecht. Für mich ist es ein Mahnmal, gute Düfte noch mehr zu schätzen.

Ist Sécrétions Magnifiques desgewegen schlecht? Nein, möchte ich sagen. Warum, wirst Du nun fragen.

Und ich sage es Dir: erstens – Du wirst die schönen Dinge im Leben mehr zu schätzen wissen. Zweitens – diese kollektive Erfahrung macht diese Gemeinschaft hier aus; und drittens: es ist irgendwie Kunst. Ob die einem jetzt gefällt, oder nicht, ist jedem selbst überlassen, aber das ist ja letzten Endes genau das, weswegen wir Düfte und die Genüsse des Lebens so schätzen. Und ein wenig Demut ist niemals verkehrt…

Fazit: Ein Erlebnis der ganz exeptionellen Art; in jeder Hinsicht – konzeptionell sicherlich interessant und spannend, tragbar in meinen Augen auf keinen Fall. Aber meinen Monet nehm‘ ich ja auch nicht mit ins Büro sondern genieße ihn im Stillen, bei einem Glas Cianti und Faberbohnen…
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