Memento

Sacristie des Arbres 2024

Kovex
01.04.2024 - 04:13 Uhr
19
Top Rezension
7
Preis
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft

Der heilige Wald

Die neue Reihe der Sorcinelli-Düfte, bestehend aus 8 verschiedenen Düften mit ausladend großen segnenden Händen als Flakon-Deckel. Für manche skurril, für andere faszinierend im Design, von geschmacklos bis stilvoll. Hier wird jede und jeder eine subjektive Meinung haben und die Spannbreite dürfte groß sein.

Memento - lateinisch, erinnern.

Die Erinnerung daran, in der Gegenwart zu leben, den Moment zu genießen, sich der Flüchtigkeit der Zeit bewusst zu sein.
Das Erinnern an die in der Seele eingebrannten Gefühle, Lachen, Weinen, Glück und Leid. Die Seele flüstert fortwährend die Geschichten der Vergangenheit.
Die Erinnerung als Segen, Dir deines Wertes und der Wichtigkeit Deines Weges bewusst zu sein.
Die Erinnerung als Schlüssel zu einem Schloss Deine Träume zu leben, Wunden zu heilen.
Die Erinnerung als Einladung daran, nicht zu Vergessen, dass das Vertrauen größer sein muss, als das erlebte Leid uns manchmal glauben lässt.

Acht Düfte, inspiriert durch berühmte Orte, die für die Erfahrungen des Glaubens und der Hingabe daran stehen. Sakristeien, die Nebenräume in Kirchen, in denen sich die Priester und Priesterinnen auf die Gottesdienste vorbereiten und in denen all die Gegenstände die für den Gottesdienst benötigt werden aufbewahrt werden. Oftmals auch der Ort der spirituellen und geistigen Vorbereitung auf das was folgen mag.

Alles Marketing-Geschwurbel? Kann man so sehen - muss man aber nicht.
Der Lebensentwurf, die Vielschichtigkeit und Vielseitigkeit von Filippo Sorcinelli kann man seinem Lebenslauf entnehmen. Künstler - durch und durch. Und ist es nicht das Betrachten der Künstler durch andere Augen, was den Blickwinkel verschiebt, neue Ansichten möglich macht, den Gedanken neue Möglichkeiten offenbart? Spannend. Was wäre das Leben ohne Kunst? Auch die Schaffung eine Parfüms kann Kunst sein, fernab von betriebswirtschaftlichen Vorgaben und Markterhebungen. Interpretation und Zugang bleiben jedem selbst überlassen.

Sacristie des Arbres - der Wald

Ein Ort voller Weisheit und Geheimnissen. Eine Ort an dem die Natur mit ihrer Ruhe und Schönheit zu sprechen scheint. In Verbindung treten mit den Bäumen, ihnen zuhören und versuchen ihre stillen Lektionen zu verstehen.

Wie bei Sorcinelli meistens üblich startet der Duft mit umgekehrter Duftpyramide. Die Minze, hier recht defensiv eingesetzt, in Verbindung mit ebenso dezenter Kiefer sorgt zunächst für eine belebende koniferische Frische und passt perfekt zu dem Weihrauch, der hier in seiner Zurückhaltung sofort zu einem sehr kontemplativen Dufteindruck führt. Das wirkt auf mich sehr beruhigend, fast schon meditativ und besinnlich. Schon möchte ich Sorcinelli attestieren, dass er das Thema Wald, mit der wissenschaftlich erwiesenen positiven Wirkung auf die Seele perfekt getroffen hat. Bereits jetzt hat mich der Duft komplett eingenommen, die Klaviatur meiner bevorzugten Duftvorlieben wird hoch und runter gespielt. Wunderbar.

Der erste Dufteindruck bleibt recht lange erhalten, das Grüne der Minze und Kiefer zieht sich behutsam zurück, der (nadel-)holzige Eindruck mit hintergründigem Weihrauch bleibt bis zum Schluss erhalten. Dankenswerterweise kann ich die angegebene Damaszener-Rose zu keinem Zeitpunkt ausmachen und auch eine offensive Süße, die dem Duft nicht gut getan hätte vermisse ich nicht.

Das ändert sich jedoch erst im weiteren Verlauf des Duftes, wenn aus dem Zusammenspiel von Ambrette (leicht moschusartig, an Ambra erinnernd), Benzoe (süßlich-harzig-balsamisch), Amber (warm-holzig) und Vanille ein betörend geschmeidiger und anziehender Dufteindruck entsteht. Der Weihrauch, Sorcinellis bevorzugte Duftnote, fungiert hier als Klammer um alle anderen Noten herum, hält sie zusammen, sorgt dafür, dass der Grundcharakter des Duftes sich allenfalls in eine lieblichere Richtung verschiebt, aber nie von dem Grundthema Nadelholz, Wald, Besinnlichkeit und Ruhe abweicht.

Sacristie des Arbres hat mich vollends überzeugt, nicht nur als Duft, sondern auch in seiner angepriesenen thematischen Bezugnahme auf die religiöse Verortung. Für mich ist das nachvollziehbar.

Wie antwortete Gerhard Richter, Deutschlands populärster Maler, einmal auf die Frage, wie er sein Gemälde interpretieren würde? „Ich male nur. Das interpretieren überlasse ich anderen.“

Darauf lasse ich mich gerne ein.
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