Bowling Green 1987 Eau de Toilette

Fappelzillip
09.06.2020 - 08:17 Uhr
17
Top Rezension
9
Preis
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Grün-weißer Riese

Anfang der Neunziger gab es mal einen TV-Werbespot für ein bekanntes Waschmittel, in dem am Ende eine kilometerlange Wäscheleine mit strahlend weißer Wäsche auf einer riesigen grünen Wiese zu sehen war. Genau diese Assoziation hatte ich nachdem die erste kurze alkoholisch-medizinische Zitruseröffnung verflogen war.

Ich gehe an einem Frühlingsmorgen auf dieser noch vom Tau feuchten Wiese an der Wäscheleine mit den frisch gewaschenen Kleidungstücken entlang, atme tief ein und rieche den Duft der feuchten Wiesenkräuter und die Frische der sauberen Wäsche. Ich fühle mich frisch, sauber, voller Tatendrang und bekomme Lust auf einen Spaziergang durch Wald und Wiesen an diesem herrlichen Tag.

Für mich ist es ein sauberer, leicht grüner Lavendelduft. Ein bisschen seifig, ein bisschen Oldschool aber nicht altbacken. Die Kräuter und Hölzer sorgen vermutlich für die Natürlichkeit und das "Grüne" in dieser runden Komposition.
Einzelne Bestandteile herauszuriechen fällt mir schwer. Anfangs Zitrone und Bergamotte - ja. Später Lavendel, Kräuter und Moos - o.k. Aber Gewürze sollen da auch drin sein? Zimt und Kardamom? Und Hölzer? Patchouli, Sandelholz, Zeder? Nehme ich nicht wahr.
Was ich wahrnehme, ist ein frischer, eleganter und doch irgendwie naturverbundener, zurückhaltender aber doch sehr interessanter maskuliner Duft.
Zu Beginn (nach dem "Zitruskick") und nur bei direktem Riechen am Handgelenk konnte ich noch so etwas leicht medizinisches, oder sagen wir mal "naturheilkundliches", wahrnehmen. Kamillentee, Kräuterteemischung, Fenchel oder irgend etwas in dieser Richtung. Vielleicht ist das die Artemisia.
Ich dachte anfangs auch, dass der Duft kaum Projektion hat. Dem ist aber nicht so. Es ist vielmehr einer dieser Kandidaten, die direkt auf der Haut relativ dezent daherkommen, aber um den Träger herum so eine leichte, irgendwie ätherische Duftaura erzeugen. Man bekommt dann immer mal kurz so einen angenehm komplexen, aber kaum fassbaren "Hauch" in die Nase, will sofort mehr, stürzt sich mit seinem Riechorgan auf den besprühten Körperteil, bekommt dort aber längst nicht das, was dieser "Hauch" versprochen hat. Man könnte solche Düfte eigentlich auch als 3D-Düfte bezeichnen. Ihr volles Potential schöpfen sie erst in der räumlichen Ausbreitung aus, in der Aura, oder dosierungsabhängig eventuell auch Wolke, um den Träger herum.
Hier weiß ich auch nicht genau, ob so etwas beabsichtigt und hohe Parfumeurskunst, oder eher Zufall ist, bzw. ob es mit der Qualität der verwendeten Inhaltstoffe zu tun hat.
Ich jedenfalls finde diesen Effekt genial und den Duft sowieso. Das ist ein absoluter Immergeher - außer vielleicht im Winter - , der aber nicht langweilig oder gar billig anmutet, und das als Blindkauf im Netzt zu einem schon fast peinlich niedrigen Preis.
Ich bin glücklich.
7 Antworten