Samsara 1989 Eau de Parfum

Coriolon
06.04.2013 - 13:42 Uhr
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Duft

Ein lauter 'Orientale'

Parfums von Guerlain werden gerne sehr kontrastreich definiert; entweder gibt es eine Assoziation mit den leichten, seichten, frischen Eaux bzw. den ‚Aqua‘s Allegoria‘ oder im anderen Extrem mit opulenten, schweren, meist in die orientalische Richtung gehende Parfums. ‚Samsara‘ gehört in diese zweite Kategorie. Name, Flakon, Verpackung geben bereits im Vorfeld dazu ein ganz eindeutiges Bild.
Von Anfang an sind die beiden Hauptakteure Jasmin und Sandelholz sehr präsent und bestimmend und bekommen nur verhaltene Unterstützung durch die Komponenten der bekannten ‚Guerlinade‘.
Ich behaupte immer gerne, dass die Vorgänge von ‚Samsara‘ (hier sei im Speziellen ‚Chamade‘ und ‚Nahema‘ genannt) jeweils mehr als eine gute Stunde bis zu ihrer vollen Entwicklung benötigen. ‚Samsara‘ hingegen ist sofort präsent, es ist dominant, es ist laut. Ich empfinde die beiden Hauptbestandteile als überdosiert und selbst wenn die in der ‚Guerlinade‘ enthaltene Vanille einsetzt, verliert sich nur gering die Strenge vom stechenden Jasmin und die dunkle Tiefe des Holzes. Befinde ich mich in unmittelbarer Nähe einer ‚Samsara-Trägerin‘ fühle ich mich nicht richtig wohl. Ein unbehagliches Gefühl macht sich auf meiner Haut breit und erinnert mich an die Kindheit - wenn ich einen Wollpullover trug und die damals nicht ganz so sanfte Wolle auf nackter Haut piekte. Rieche ich ‚Samsara‘- piekt es.
‚Samsara‘ war zur weltweiten Einführung 1989 ein großer Erfolg. Kreiert wurde der Duft von Jean-Paul Guerlain, interessanter Weise bereits einige Jahre zuvor. Der Erfolg, speziell in Frankreich ist aber vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass im gleichen Jahr keine nennenswerten Düfte von anderen frz. Häusern vermarket wurden (wenn man von der Neueinführung einiger ‚Rochas‘-Klassiker absieht).
Verkäuferinnen in den Guerlain-Boutiquen erinnern sich mit gemischten Gefühlen an die Präsentation. So berichtete mir meine Freundin, die von 1986 bis 1994 eine Guerlain Boutique leitete von wahren ‚Höllenqualen‘, die sie damals erlitten hat:
Eine Duftneueinführung zieht natürlich eine ständige Präsenz nach sich. Jedem Kunden wurde in den Boutiquen ‚Samsara‘ gezeigt, vorzugsweise natürlich gesprüht. Man mag sich die komprimierte ‚Samsara‘ Luft in den manchmal nur sehr kleinen Geschäften vorstellen. Die eigentliche Qual war neben dem häufigen Kopfschmerz jedoch der durch das Parfum ausgelöste Heißhunger auf Süßes! Konfekt und Schokoladen lagen stets griffbereit unter dem Verkaufstresen….
Obwohl ‚Samsara‘ für meine Nase nicht geschaffen, ist es doch ein bedeutendes Parfum, welches vorzugsweise in kälteren Jahreszeiten getragen werden sollte. Die Trägerin wird sich mit Düften und ihrer Wirkungsweise auskennen. Als Guerlain-Einsteigerduft dürfte sich ‚Samsara‘ nur vereinzelt gezeigt haben.

Wissenswertes zu ‚Samsara‘:
Über den Ursprung des Namens, den indischen Hintergrund und die gewählte Form des Flakons wurden bereits in vorangegangenen Beiträgen Erklärungen gegeben. Dies hier als Ergänzung:
-Der Werbe-Etat für Samsara war immens. Und wieder wurde bei Einführung eines neuen großen Parfums eine weitere Boutique in Paris eröffnet: Centre Maine-Montparnass.
-Die Einführung 1989 erfolgte in Form eines Extraits und des Eau de Parfums. Guerlain verwendete hier erstmalig den Begriff ‚Eau de Parfum‘. Bislang war diese Konzentration nur als ‚Parfum de Toilette‘ gebräuchlich.
-Erst 1991 kam das Eau de Toilette auf den Markt
-Guerlain ließ eigens für die Herstellung das Glas der Flakons durchfärben und beklebte nicht, wie heute üblich das Glas. Sieht man von Rauchglas-Flakon von ‚Vol de Nuit‘ ab, ist ‚Samsara‘ der einzige Guerlain Duft, der sich im farbigen Flakon präsentiert.
-Zehn Jahre nach Einführung war das Design der Flakons bereits verändert worden, wurde aber durch eine Sonderedition nochmals hervorgehoben. Auf dem dunkelrotem Glas wurden die wichtigsten Orte der Seidenstraße in verzierter goldener Schrift genannt. Die Edition hieß ‚La route de la Soie‘. Leider wurde sie in Deutschland nie offiziell präsentiert.
-Dem großen Erfolg geschuldet wurde 1995 ‚Un Air de Samsara‘ als komplette Range mit den wichtigsten Körperpflegeprodukten eingeführt. Der Name verrät auch hier, dass es sich um eine abgemilderte Version des Originals handelte. Eine pikante Note wurde hier durch die Beigabe von Minze erzeugt.
-In 2001 wurde ‚Un Air de Samsara‘ durch ‚Samsara Shine‘ ersetzt und Guerlain griff hier für die Werbung in die Welt der Erotik. Eine schwarzhaarige Schönheit, mit einem glänzenden Lack-Latex- Oberteil präsentierte sich vor China-roter Kulisse. Dem Eau de Toilette waren fruchtigere Noten beigemengt worden. Beide Linien sind nunmehr vom Markt genommen
-In seinem Buch ‚Les routes de mes parfums‘ schildert J.P.Guerlain sehr ausführlich die Entstehung von ‚Samsara‘, von seiner Muse Décia de Pauw, von der Konkurenz Givaudan-Roure und IFF, die ebenfalls mit dem Projekt beauftragt wurden. All diese Fakten hier weiterzugeben, wäre für den Leser an dieser Stelle überfordernd. Deshalb hier zu guter Letzt die ISBN : 2-74910-024-0 7 Le cherche midi / 2002
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