Shalimar 1937 Eau de Cologne

Ponticus
04.01.2024 - 07:45 Uhr
69
Top Rezension
8
Preis
9
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9.5
Duft

Die Schwere und die Leichtigkeit des Seins

Endlich! Die turbulenten Tage sind vorbei, die Tage vor den Tagen, die Tage zwischen den Tagen, die Festtage an sich und nun fast auch die Tage nach den Tagen. Die Vorfreude war ja noch recht schön, die Feiern selbst sind ihr aber inzwischen zu hektisch, zu laut, zu viele Meinungen, Rücksichten und Veränderungen des gewohnten Tagesablaufs. Die Welt um sie herum verändert sich schnell, zu schnell für sie und auch schneller als früher. Das liegt nicht nur daran, daß sie schon alt ist und taperig. Sie will auch nicht mehr an allem teilhaben. Die fahlen, grauen Haaren hängen ihr strähnig über ein Gesicht voller Falten und tiefer Furchen, die so ein langes Leben zu oft und zu deutlich als Spuren hinterlassen. Es macht sie auch nicht froher, daß sie ihr Schicksal sicher mit tausenden anderer Frauen teilt. Ihr Lebensmut, ihre Lust auf Neues und ihr Glücklichsein scheinen in der Vergangenheit begraben.

Nun hat sie sich wieder in ihre eigene kleine Welt in ihrem Zimmer zurückgezogen und betrachtet ihre weihnachtlichen Gaben, alle noch akkurat verpackt und ungeöffnet. Auch wenn alle unterm Baum riefen, auspacken, auspacken, bitte auspacken, bewahrte sie sich, wie immer, diesen persönlichen Moment für später auf. Jetzt ist Ruhe, jetzt ist Stille und sie erspähte das Geschenk ihrer Urenkelin. Diese ist ihr die Liebste von allen, denn sie erinnert sie mit ihre Liebe zu Tanz und Rockabilly Partys sehr an ihre eigene Jugend. Als aufmerksame, interessierte Zuhörerin ist sie auch an ihren alten Geschichten interessiert und die ergraute Uroma kommt dem gerne nach. Durch die Erzählungen sowie dem Schwelgen in fernen Erinnerungen fühlt sie sich junger und diese Stunden gehören mittlerweile zu den wenigen frohen Momenten ihres Lebens.

Die dem Geschenk angehängte Karte beiseite legend, öffnet sie das kleine Päckchen und ein hübscher Flakon von Guerlains Shalimar Cologne lacht ihr ins Gesicht. Shalimar ist ihr Parfüm! Bereits als junges Mädchen begeisterte sie sich für diesen trockenen, vanilligen Blütenduft, mit dem sie sich damals schon sehr erwachsen fühlte. Ihre freundlichen Art, die Petticouts, hübsche, weite Röcke und natürlich ihr Duft machten sie zum Mittelpunkt auf dem Tanzboden und begehrt auf jeder Party. Ihr altes Herz hüpft ein wenig bei diesen Gedanken.

Das Cologne von Shalimar kannte sie jedoch nicht. Die erste Sprüher zeigen aber, es ist Shalimar. Diese leichte und doch intensive Shalimararomatik überzeugte sie sofort. Der Duft ist, wie im originalen EdT, schon ganz Dame und kommt doch in seiner Leichtigkeit sehr mädchenhaft daher. Das Aroma der markanten Blütenmischung besticht durch den gewohnten Charme, erscheint aber auch sehr jugendlich und frisch. Ohne den Geruch des Blütengebindes zu erdrücken, legt sich in Bälde eine gut austarierte, warme Vanille über das Bouquet und läßt auch noch einen Platz für leicht rauchige Facetten und einen Hauch von wildem Leder. Etwas süßlicher Schmelz in der Art von Lipgloss hält balsamisch dagegen. Die Vanille bildet im Verlauf zusammen mit der Tonkabohne ein göttlich duftendes Gespann, welches das himmlische, warm-würzige Blütenarrangement wie auf Händen durch einen sanft-rauchigen, leicht süßen Pudernebel trägt. Der Wohlgeruch dieser Komposition fügt sich, genau wie schon im Original des EdT, im Finale zu einem grandios duftendem, harmonischen Ganzen.

Das Grundgerüst des Geruchs von Shalimar ist im Cologne, im EdT und im EdP gut vergleichbar. Das Cologne beeindruckt vor allem mit seiner Leichtigkeit und das trotz des erhalten gebliebenen intensiven Duftes, der das Fehlen der gewohnten Schwere und Tiefe durch frische Quirligkeit, Agilität und Vitalität mehr als ausgleicht. Die freundliche Unkompliziertheit machen das Cologne für einen breiteren Einsatz akzeptabler und auf etwas andere Art als das Original ebenfalls sehr verführerisch.

Der alten Dame liefen ein paar Tränchen über ihr faltiges Gesicht, aber ihre Augen leuchteten. Der Grund war nicht das wunderbar duftende Cologne, das inzwischen ihr Zimmer ausfüllte, noch die wärmenden Gedanken mit der der Duft sie in ihre leidenschaftliche Jugend entführte. Ihre Hände zitterten ein wenig, als sie zum wiederholten Male die Karte laß, die dem Geschenk beigegeben war, „Für meine im Herzen jung gebliebene Oma ein leichter Duft der Erinnerungen. Deine dankbare Zuhörerin“.

Herzlichen Dank und auch für Euch alles Gute im neuen Jahr!

63 Antworten