Habit Rouge L'Instinct 2022

Apicius
26.09.2022 - 15:49 Uhr
25
Top Rezension
7
Preis
10
Flakon
10
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft

Eine neue Leichtigkeit?

Klassiker überdauern Dekaden, aber nicht die von ihnen abgeleiteten Varianten. Mit Habit Rouge L’Instinct steht nun die vierte Leicht-Variante des Habit Rouge in den Läden. Was macht Guerlain nach HR Eau de Toilette Legere, HR L'Eau und HR Sport diesmal anders?

Habit Rouge L’Instinct eröffnet mit einer ganz zauberhaften Kopfnote. Nur ein Hauch des bekannten Klassikers liegt eingebettet in zarter, ganz wenig zitrischer, blumig-fruchtiger Umgebung. Unterlegt ist das von einer hellen, entfernt an weißen Moschus erinnernden Note, deren Dufteindruck von cremig bis pudrig reicht. In den bekannt gemachten Duftnoten wird das wohl mit Hanf und Mate beschrieben. Bestimmt liege ich falsch, aber ich spüre im Hintergrund so etwas wie eine ganz schwache Oud-Note, die ich – dem Zeitgeist entsprechend – in allen neueren HR Varianten zu finden glaube.

Der zarte Eindruck erschließt sich nicht unmittelbar, und vielleicht auch nicht jedem. Direkt auf der Haut ist das alles scharf-bitter und nicht schön. Man darf sich also keinesfalls beim Testen die Nase am Handrücken plattdrücken, wie man das so oft in den Parfumabteilungen beobachten kann. Damit scheidet der unerfahrene Parfumkunde als Zielgruppe zwingend aus.

Den Zugang erschwert zudem, dass Habit Rouge L’Instinct sich beim ersten Kennenlernen extrem leicht gibt, mehr als Aura, denn als Geruch. Im Umfeld anderer und stärkerer Düfte trau ich dem nicht zu, sich durchsetzen zu können. Dazu ist das alles viel zu fein.

Aber Vorsicht: was Habit Rouge L’Instinct an Intensität fehlt, macht er mit Projektion wieder wett. Nicht nur, dass er sich erst auf Abstand von mindestens 20 cm entfaltet, er hüllt den Träger dann doch in eine raumfüllende Duftwolke. Bitte nicht im Büro tragen!

In der Projektion sehe ich den konzeptionellen Unterschied zu den erwähnten Vorgängern, aber auch zum klassischen Habit Rouge EdT. Neu an Habit Rouge L’Instinct ist diese tückische Machart, die ein wenig Erfahrung im Umgang erfordert. Hingegen hat die Parfümeurin darauf verzichtet, irgendwelche sensationellen Duftnoten einzuarbeiten, die ein Habit Rouge vielleicht eher verfälschen als modernisieren würden.

Tatsächlich bedient sich Delphine Jelk bei den Vorgängern: Vom EdT Legere stammt die Zartheit, und vom Sport-Duft der an eine gute Hautcreme erinnernde Weißer-Moschus-Effekt. Während der Sport-Duft zurecht dafür kritisiert wurde, dass kaum noch etwas vom originalen Habit Rouge in ihm enthalten war, lässt Habit Rouge L’Instinct seine Herkunft wieder deutlicher erkennen. Diese Synthese finde ich sehr gelungen.

Was den weiteren Duftverlauf angeht, passiert nicht mehr viel. Die zartfruchtige Kopfnote verblasst, und nach ein, zwei Stunden bleiben klassisches Habit Rouge und die moschusartige Note übrig. Ich würde Habit Rouge L’Instinct daher als Eau de Toilette einstufen.

Wozu aber diese ständigen Varianten? Das klassische Habit Rouge ist ein Kind des letzten Jahrhunderts. Es war ein brilliantes Meisterwerk. Zur Jahrtausendwende wurde es reformuliert und ist seitdem leider nur noch gut. Vor diesem Hintergrund mag ich es nicht kritisieren, wenn etwas neues versucht wird. Das klassische Habit Rouge erschien mir schon immer unmodern: es roch nach feinen, älteren Herren beim Spaziergang im Kurpark von Bad Oeynhausen. Davon ist das neue Habit Rouge L’Instinct Welten entfernt. Ich sehe hier auch jüngere Träger, die ein zurückhaltendes, gleichermaßen elegantes wie legeres Parfum suchen – Modernisierung gelungen!
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