Concentré d'Orange Verte 2004

Martine
31.12.2020 - 07:34 Uhr
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Top Rezension

Hermes‘sche Ursuppe

Alles so intensiv und schnell in den letzten Jahren, auch die Düfte. In der Hoffnung, in der Flut der Neuerscheinungen nicht unterzugehen, scheinen die Parfümeure alles zu tun, um aufzufallen. Die Kreationen werden entweder immer ausgefallener (Memoire, Gucci) oder immer blumig lauter (eigentlich alle anderen). Ich ertrage kaum einen neuen Duft länger als ein paar Tage. Alles too much, am Ende auch immer zu synthetisch. Doch ich bleibe Getriebene, voller Hoffnung, den Heiligen Gral zu finden, den ultimativen Signatureduft, meine unverwechselbare Aura.

Wie durch Zufall habe ich vor ein paar Tagen beim Aufräumen ein Hotelfläschchen Duschgel von Hermes Eau d‘orange verte gefunden. Noch halb voll. Wollte es schon fast wegschmeißen, hatte ich diesen Duft doch etwas sehr altherrenhaft in Erinnerung. Doch probieren kann ja nicht schaden! Und ich war wider erwarten begeistert. Wie spritzig, Zitrone am Anfang, das gute alte Eichenmoos am Ende. Körpernah, Lockdown-tauglich. Erinnerungen an Urlaube in Südfrankreich, an Zeiten, wo man eben nur den einen Duft besaß, der mit einem selbst und den eigenen Erlebnissen untrennbar verschmolzen ist.

Ihr ahnt es, ich war angefixt. Es folgte eine ausführliche Studie auf Parfumo. Und so rutschte auch der Concentré ins Blickfeld. Immer ignoriert, nie probiert. Doch schien er auf einmal alles zu versprechen, was ich mir erträume. Weicher, nicht ganz so eckig wie der Eau (obwohl in das in gewisser Weise einzigartig macht), mehr Amber, vielleicht cremiger. Und gepriesen als No Sillage Duft und nicht so haltbar...in meiner Übersetzung, auf keinen Fall aufdringlich, hautnah...

Irgendwie hab ich es dann auch im Lockdown geschafft, schnellstmöglich eine Flasche zu erwerben. Und schwelge seit ein paar Tagen...die Grundnote des Eau kann ich eindeutig wahrnehmen, schön, dass sie erhalten geblieben ist, die Komposition ist in der Tat wärmer und runder. Nach einem frisch-zitrischen Auftakt wird es schnell behaglich, ohne jedoch ins winterlich-gourmandige abzugleiten. Die Anmutung von Wald (Zeder) kommt auf. Immer begleitet von einem Hauch Kühle (Minze, Basilikum). Alles spielt sich tatsächlich eng am Körper ab. So als wenn es nah um einem herum sanft dampft, wie nach einem Sommerregen. Gerade dieser Effekt erinnert mich an Christine Nagels Un Jardin sur la Lagune mit seiner wirklich einzigartigen Pudrigkeit. Aber auch an die dem Orange Verte nachfolgenden Colognes von Ellena, die ich alle abgöttisch liebe.

Hier, liebe Parfumos, findet Ihr die Hermes‘sche Ursuppe. Alles ist im Eau und insbesondere auch im Concentré schon enthalten. Die unverwechselbare Eleganz, das Understatement, die von Hermes immer wieder gepriesene Leichtigkeit des Lebens. Und das alles ganz „naturell“ und zeitlos. Und last but not least, entgegen vieler Verlautbarungen haltbar bis zum nächsten Tag.

Back to the roots, liebe Freunde! Wann wenn nicht jetzt!

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