H24 2021 Eau de Toilette

Aglianico
25.02.2021 - 11:33 Uhr
34
Top Rezension
8
Preis
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft

Ein Grünling für alle Tage

Da ist er also: Der erste (Nicht-Flanker-)Herrenduft von Christine Nagel als Hausparfümeurin bei Hermès. Die Erwartungen waren – sind und bleiben – hoch. Terre d‘Hermès lässt grüßen. Es gibt leichtere Aufgaben, als in Jean-Claude Ellenas Fußstapfen zu treten.

Angesichts der Prognose, dass in den nächsten Tagen sicherlich noch zahlreiche Kommentare zum H24 auf Parfumo niederregnen werden, fasse ich mich im Folgenden kurz und möchte nur auf ausgewählte Aspekte eingehen.

Ja, es handelt sich wie angekündigt um einen recht transparenten Grünling, der einen Frischeeindruck ohne Zitrik erzeugt. Ein leichter, zunehmend sanfter Duft, flüchtig, leise, nicht aufdringlich. Wer Angst vor dem Muskatellersalbei hat, dem sei gesagt: Hier riecht nichts streng. Ja, dieser besondere Salbei ist deutlich herauszuriechen und macht den Duft meines Erachtens weich und „nicht komplett unsüß“, obgleich der Duft absolut nichts mit Süße oder gar zuckriger Süße zu tun hat. Salbeidüfte erzeugen bei mir diesen „nicht komplett unsüß“-Eindruck (Kamilledüfte übrigens eigenwilligerweise auch).

Mein Dufteindruck unterscheidet sich deutlich zwischen „auf Papier getetest“ und „auf der Haut gestestet“, obwohl dies bei mir selten vorkommt. Auf dem Papier sind die einzelnen Komponenten deutlicher umrissen, haftet den ersten Sekunden aber auch ein seltsamer Haribo-Colorado-weiße-Ananas-Eindruck an, der sich rasch verflüchtigt (ein Glück) und einem „modernen Grün“ ohne jede Traditionalismus-Anhaftung Platz macht. Grün, aber nicht spröde. Herb, aber nicht sehr herb. Vegetation, aber kein Wald. Es erinnert mich ein bisschen an den Geruch des Grüns von Schnittblumen, nachdem sie bereits eine Zeitlang in der Vase standen - aber ohne jede Fäulnis! Tatsächlich habe ich bald auch die versprochene Bügeldampfassoziation, fände diesbezüglich das Attribut „metallisch“ aber übertrieben. Eher „unmoschusartig fluffig“, und das in maskulin.

Der weitere Verlauf ist recht linear, der Duft dabei wie angesprochen stets leise, dezent, seriös. H24: einer für 24/7.

H24 tritt ein schweres Erbe an und stellt wohl keinen weiteren Meilenstein dar. Dennoch erscheint er mir noch tragbarer als der „Terre“, da mich dessen hoher Iso-E-Super-Anteil schon bei wenigen Spritzern manchmal etwas nervt.

Also: kein Kunstwerk, aber ein tragbarer Duft für jeden Tag, etwas „jünger“ als „Terre“ gehalten, aber weit entfernt von synthetischer Anbiederung an die Mitte des Mainstreams mit schnell zirkulierender austauschbarer Ware. Einen Test wert!

++++++

Nachtrag 5.3.:

Nach mehrmaligem Tragen ein paar Ergänzungen: Alltagssuchtpotenzial. "Unique". Wunderbar unaufdringlich. Die Fruchtigkeit (die vielleicht von dem Zusammenspiel von krautigem Salbei und floraler Narzisse herrührt) geht für mich nun mehr Richtung grüne Bananenschale kombiniert mit besagtem überreifen Banenenfleisch ohne Süße (ja, paradox). Klingt schräger, als es (er) riecht. Ein wundervoller Duft. Ähnlich wie die Bottega Veneta-Düfte Mainstream, ohne langweilig/billig/kopiert zu sein/wirken. Kein "crowdpleaser", auch wenn es schön wäre, wenn die "crowd" ihn tragen würde. Das Jahr beginnt olfaktorisch gut.
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