Cunning Man 2015

Chizza
15.01.2022 - 14:52 Uhr
25
Top Rezension
8
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8.5
Duft

Balsamische Seele von Dunkelheit umhüllt

Ein Cunning Man ist ein Hexenmeister, ursprünglich im Sinne von weißer Magie, also nützlicher Magie im Sinne von Kräuterelixieren und solcherlei Dinge. Wie dem auch sei, im Laufe der Zeit wurde dies als klerikal eher verwerflich eingeordnet sowie der schwarzen Magie zugeordnet so dass die Bezeichnung mit negativen Begriffen konnotiert worden ist. Ganz in diesem zuerst erwähnten Geiste sieht McCoy auch seinen Duft, denn anders ist die Mischung aus Leder und Oud plus Tabak kaum zu verstehen. Eine dunkle Kraft wohnt in ihr und so war ich erneut sehr gespannt, was House of Orpheus präsentiert. Ebenfalls bin ich gespannt, wie viele Follower denn diesmal nach einem okkultisch angehauchtem Kommentar die Segel streichen.

Cunning Man besitzt eine unerwartete Entwicklung. Von der ersten Sekunde an ist da würziger Tabak, ist da raues Leder, leicht grün und bitter durch den Wacholder. Vielleicht eher Tabakrauch von dem wahrgenommen, der nicht selbst zur Zigarette gegriffen hat. Auch eine eine Zigarre denn Zigarette.
Das Oud jedenfalls hemmt die trockenen Nuancen des Duftes, ist selbst kein Oud, was für sich alleine eine großartige olfaktorische Reise verspricht. Aber das ist nicht notwendig denn es lässt den Duft angenehm feucht wirken, verleiht dem Tabak unmittelbar mehr Tiefe. Nun könnte man denken, das war es, denn eine Stunde passiert nicht viel bis auf dass der Duft plötzlich sogar nicht mehr vorhanden ist.

Dann kehrt Cunning Man zurück. Diesmal mit sanft-balsamischen Harzen, leicht schmutzig. Die holzigen Noten wirken freundlich, satt und noch dezent von der Myrrhe gezeichnet. Lässt mich sich darauf ein, so umklammern einen alsbald die dunklen Noten, ein geschmeidiges aber verrauchtes Leder. Diese Note stammt sicher vom Oud, welches die Grünen Facetten sukzessive verliert und moderat vor sich hin qualmt. Diese Note verfängt sich im Leder, welches zugleich durch die balsamischen Harze zugänglicher wird. Paradox, diametral, aber genial.

Ich kann nicht viel kritisieren, Cunning Man ist klasse, lediglich die markentypische, euphemistisch wohlwollend als moderat bezeichnete Haltbarkeit stört. Natürlich ist ein Duft, der schnell hautnah wird, nicht verkehrt. The Black Goat war auch so aber nach zehn Stunden noch vorhanden. Cunning Man ist viele Stunden zuvor nicht mehr da. Daher greife ich hier nicht zu obwohl olfaktorisch von mir als vortrefflich wahrgenommen. Dennoch ein schöner Entwurf denn der vermeintlich gute Magier riecht dunkleren Düften gar nicht unähnlich sondern setzt andere Akzente, wirkt balsamisch-grün auf dunklem Grund. Nicht wie ein Gegenspieler, wie ein Artverwandter.
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