Chizza

Chizza

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1 - 5 von 333
Chizza vor 18 Stunden 9 10
7
Flakon
6.5
Duft
Menschelnd dreckiges Leder
Als selbsternannter Lederconnaisseur reizen mich neue Lederdüfte per se. Vor wenigen Monaten veröffentlichte MGO Tobacco Leather. Leider - subjektiv gesprochen - ein eher harmloser Lederduft, ebenso generisch geraten. Damals wie heute fällt mir dazu zu wenig ein um eine fundierte und einigermaßen interessante Rezension zusammenzuschreiben.
Wie ich hörte, sollte dieser überarbeitet werden. Das Ergebnis ist nun Dirty Leather. Ein - das ist nicht zu viel gesagt - sehr differenter Duft. Daher vielleicht auch die autarke Veröffentlichung.

Doch - ich nehme es vorweg - überzeugt mich dieser zunächst überhaupt nicht und später nicht. Was mit überpräsentem Wacholder beginnt, dem mit Koriander nuancierten, speckigen Leder, das geht leider so weiter. Wacholder in Lederdüften kann formidabel gefertigt sein, ich erinnere mich hier an eine Kreation von Maison Mona di Orio. Hier fehlt es an Feingefühl. Man wird nicht betörend eingefangen, eher aufoktroyierend und brachial gefangen.

Das zeigt sich weiter im Einsatz von Zibet. Dieses ist deutlich präsent, verleiht dem Leder eine deutlich animalische Note, dreckig trifft es hier gut. Vermutlich muss man das wertschätzen, ich tue es nicht, ganz im Gegenteil. Es wirkt mir zu schmuddelig, so als hätte jemand es nicht so mit der Hygiene.
Natürlich: Nomen est Omen. Dreckig, das ist ein variabler Begriff. Schmutziges, im Sinne von ölbesudeltes Leder ebenso wie dieses oder Myriaden an weiteren Ausprägungen. Jeder Parfumenthusiast besitzt Präferenzen. Ich andere als die hier aufgezeigten.
Im weiteren Verlauf wird das Leder staubig, trockener und im Endeffekt angenehmer. Die Beeren verlieren sukzessive an Intensität, auch das Zibet wird moderater. So hätte ich es mir direkt gewünscht, so ist der Grad an „menschelnden“ Facetten moderat, das Leder wird endlich zum Protagonisten.

Positiv ist wohl dass MGO sich wieder an weniger konventionelle Düfte herantraut. Für mein Gusto darf er es in Sachen Leder gerne bei Werken wie Desperado belassen oder meinetwegen auch Sultans Hommage, der ebenfalls teils ledern war. Beide beherbergen Ouds, hier dreht sich vieles um den MGO-Lederakkord. Bei dem handelt es sich anscheinend um eine Art Gretchenfrage respektive eine Antwort darauf. Oder auch: die einen sagen so, die anderen so.
Ich sage: erster Teil ungefähr 5.5/10 bis 6/10, danach durchaus 7/10, vielleicht sogar 7.5/10, denn das sanft umhüllende Bienenharz kombiniert mit trockenem Tabak und einer Spur Vanille, das ist dann wieder sehr rund und interessant dargeboten.
10 Antworten
Chizza vor 15 Tagen 18 33
7
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Ein schönes Paar Lederschuhe
Lederschuhe. Man könnte stundenlang über Themen dieses Spektrums parlieren; rahmengenäht oder nicht, Oxford oder Derby, Brogue oder Plain, schwarz-konservativ oder Statement setzend mittels anderer Farben und so weiter. Einerseits ein spannendes Thema, denn auch ich bin Freund ansprechender Lederschuhe, andererseits Werden Reminiszenzen evoziert; eine ehemalige, Monolog-affine Führungskraft, die außer einer schicken Garderobe eher weniger zu bieten hatte.
Chronotope jedenfalls ist eine us-amerikanische Marke, English Shoe Factory als Release recht neu und so viel sei verraten, der Name ist nicht wahllos auserwählt worden.

Die relativ konventionelle Kombination aus Safran und Leder, hier intensiviert durch ledriges Bibergeil plus Oud, was ich als Oud-Akkord klassifizieren würde, wird durch Ajowan verstärkt. Für mich erhält das Parfum dadurch eine alkoholisch-aromatische Note. Es erinnert an dieses charakteristische Hustensaftflair. Was bei genauerem Blick logisch erscheint, Stichwort Thymol.

Das Leder, obwohl nun durch mehrere Ingredienzen multipliziert, wirkt nicht alles andere dominierend, oktroyiert nicht auf sondern umhüllt sanft aber straight sowie ausdauernd. Zunächst ist die Versuchung groß, dies als schwach und leise abzukanzeln. Doch dies ist bei Weitem nicht so. Ein unsteter aber immerzu präsenter Hauch, intensiv und dicht, dabei nicht fern aber raumgebend, den Träger respektierend und performant.

Dezenter Gummiabrieb, nicht heiß sondern erkaltet, Geschichten erzählend. Eine obskure Frische dank des Earl Grey-Tees fungiert als Accompagnement, Tee-Aromen nuancieren English Shoe Factory. Viele weitere Inhaltsstoffe werden aufgeboten, im Gros in dieselbe Richtung wie die Protagonisten gehend. Hier werden Impressionen dichter gewoben, werden hölzerne Noten um harzig-würzige Charakteristika verfeinert. Trotz Möhrensamen keine trockenen Augenblicke, fortwährend satte Aura. Weitere Wandel sind nicht zu erwarten, was dem Duft selbst entspricht. Klar; plain sozusagen, keine stürmische Hingabe, eher sukzessiv gewachsene Vertrautheit, eine reifere, verantwortungsbewusste Liebe.

English Shoe Factory ist permanent betörend, ohne betören zu wollen. Ein Finden ohne gesucht zu haben. Kein Zahir, sondern Rationalität.
Bevor ich das vergesse: Oxford, cognac, rahmengenäht und plain.
33 Antworten
Chizza vor 23 Tagen 21 30
8
Flakon
7.5
Duft
Rezension 4 Pokale
Valentinstag 2024 im Hause eines um Anonymität bittenden Parfumos:
„Schahaatz“, flötete Eggo36. „Alles Gute zum Valentinstag! Pack das Präsent einmal aus!“
„Ist es Mon Cheri? Aber bitte nicht schon angebissen?“
„Viel besser. Die Schokodinger habe ich auch längst aufgegessen.“
*Auspack*
„Oh…ein…Parfum…wow…toll…Labdanum 4 Love. Seufz.“
„Ja, Hammer oder? Labdanum weil du nach Honig duftest und nach Harz, wie Winnie Puh für mich! Also in weiblich, mit anderer Figur, Hose und jetzt nicht der aus Blood & Honey! Du bist so ruhig? So sehr in Exstase? Lass mich dein Ferkelchen sein, das genügt mir als Dank!“
„…“

Tatsächlich besitzt Labdanum 4 Love ein sehr stark süffig harziges Entree, es duftet sofort kräftig holzig, dabei aber auch nach herbem Honig. Die holzigen Noten wirken sehr frisch, als würde Harz aus einer frisch geschlagenen Baumwunde dringen respektive sich damit vermählen.
Auftritt Kakao: sanftes Pulver bestäubt die Szenerie wie eine Art Hommage an eine weiße Winterweihnacht. Der Kakao ist leicht ölig und tendiert in Richtung erdige Noten. Patchouli tangiert nicht nur, Patchouli durchdringt den Nukleus des Parfums wie ein formidabel gestoßener Speer.

Keine Frage, Siam-Benzoe, oft charakterisiert durch das schokoladige Aroma, durch balsamische Nuancen, trägt zur Wirkung von Labdanum 4 Love bei. Was ebenfalls merklich ist, allerdings erst nach gewisser Zeit, ist das Sandelholz. Wir alle kennen den prägnanten und penetranten Geruch von preiswertem Sandelholz. Hier wird uns die hochwertige Variante offeriert; angenehm, die restlichen olfaktorischen Facetten untermalend. Edel, samtig-warm, weich-hölzern; der Patrizier unter den Hölzern.

Lediglich für das Oud müssen Milchpackungen bedruckt werden. Indisches Oud, so kräftig, aromatisches, expressionistisches indonesisches Oud oder ledriges thailändisches Oud - all diese wurden nicht gesehen. Es mag sein dass die relativ rasch hervordringende Basis daraus bestehen mag. Dies käme aber leider nur Karikaturen dieser Ouds gleich wie Teil sechs einer Filmreihe.

Die Duftkumpels sind keine joviale Truppe von guten Freunden, sie sind nicht mal eine Truppe denn tatsächlich verbirgt sich ein einziger Mann dahinter. Vertrieben werden die Erzeugnisse in der Regel via eBay, sukzessive erscheinen mehr und mehr Düfte. Teils wie hier sehr limitiert. Die bekanntesten Werke wurden zusammen mit Hans Georg Staudt kreiert, die quantitativ begrenzten Werke anscheinend in Eigenregie.
Labdanum 4 Love ist gelungen, verläuft in Richtung Basis zusehends flach und das zusätzlich recht rasch. Alle Ingredienzen rund um den balsamischen, schokoladigen Part sind stark. Die Transformation hin zu einem kräftigen und oudlastigen Kern gelingt indes nur bedingt. Sicherlich liegt es nicht an den Rohstoffen selbst, diese wirken wertig. Der Übergang selbst gleicht einem Nadelöhr. Das Kamel kommt trotzdem durch, die Ouds nur sehr müßig.
30 Antworten
Chizza vor 2 Monaten 24 37
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Eine harzige Kaffeespezialität gefällig?
Ob nun der Baristakunst fröhnend oder nicht, es verhält sich hier so wie bei Zigaretten und deren Geruch: es gibt wohl mehr Liebhaber des Kaffeeduftes als des Kaffees selber obwohl dieses Heißgetränk in all seinen Variationen extrem beliebt ist. Ich selbst war letztens kurz davor, auf der Autobahn umzukehren nachdem ich las dass im Büro der Kaffeevollautomat ausgefallen ist. Heutzutage benötigt es für die Reparatur anscheinend einen Techniker und bis der kommt…Aber ich schweife ab: einen Kaffeeduft, der nicht vom zuckrigen oder milchigen Element getrieben wird, der nicht süß daherkommt, nun, das hatte ich sehr selten. Und wenn, dann hakte es an anderen Stellen. Irgendwie insinuierte ich bei Mocha Valentino dass der Ablauf wohl similar sein wird. Ich tat dem Duft unrecht.

Mocha Valentino ist vielleicht die olfaktorische Kaffeekreation, auf die ich lange wartete. Direkt vom ersten Augenblick an ist da diese typische Aura dieses Getränks, jedoch ohne nur nach den Bohnen zu duften. Nein, die Entourage ist üppig besetzt doch weder Milch noch Zucker oder Karamell finden sich. Natürlich, Vanille ist vorhanden. Diese vervollkommnet das Gesamtwerk. Mehr nicht.
Nicht umsonst lautet ein Teil des Namens Mocha. Gemäß der Kaffee-Nomenklatur ist das ein Kaffee, welcher mit Schokolade verfeinert wird und so ein herb-süßes Aroma erlangt. Danach duftet es hier dann auch. Jedoch nicht nur. Eine balsamische, entschleunigende Facette kombiniert mit einer sublimer, hesperidischer Frische verleiht Mocha Valentino Tiefe, Diversität. Es wird gefällig ungefällig, wenn ich das Werk so einmal beschreiben darf.

Doch damit endet die Entwicklung nicht. Vollmundig holzige Töne, fast wie geschmeidiges Oud wirkend, evozieren Wärme. Die Harzmelange wirkt dickflüssig, dabei cremig, insgesamt süffig. Dabei entsteht ein harmonisches Gebilde in Kombination mit dem Mocha-Aroma. Sacht-grüne Erdimpressionen untermalen Mocha Valentino.
Ich fasse mich kurz: Mocha Valentino ist wunderbar komponiert, ist eingängig aber dabei doch so kreiert dass man Harze und Holz schätzen muss, um diesen Kaffe lieben zu können. Sfumato konterkarieren hier den eigenen Namen. Verschwommen ist hier gar nichts; Mocha Valentino ist klar arrangiert.

(mit Dank an Floyd)
37 Antworten
Chizza vor 2 Monaten 35 41
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Yeti - riechen wie ein Fabelwesen oder: die verpasste Zoologistchance
Robert, der Yeti, besaß eine neue Geschäftsidee. Oftmals hörte er (Stimmen) die ihm einen schönen Duft nachsagten. Wie er es denn vollbrächte, immer so angenehme Gerüche auszudünsten? Also war er besessen von der Idee, einmal auch ein Parfum zu veröffentlichen. Da traf es sich gut dass er beim letzten Streifzug diverse Menschen entführte, um diese später zu kochen und genüsslich zu verzehren. Einer aber lamentierte permanent dass der Welt so sein Talent in Sachen Parfumkreationen verloren ging. Nennen wir ihn Steorg Gaudt oder auch Gaudi-Georg. Jedenfalls entsponn sich nachfolgender Dialog:

„Ich Rooobääärt. Yeti. Du machen Parfum für mich. Alle riechen wie ich.“
„Äh, nach Blut von den ganzen Leichen hier? Oder nach Zibet? Danach riecht es hier schon ziemlich…Haben Sie das hier in Duschdas-Flaschen umgefüllt?“
„Machen oder ich dich essen.“
„Ja ja ja, ist ok, also normalerweise beraume ich einige Termine für ein Bespoke an…also geht das so Richtung perverse Prin-Kreationen mit Urin, Sperma, Blut und so? Oder soll’s doch auch gefällig sein? Etwas traditioneller mit animalischem Twist oder so? Oder eher ein Duft wie ein Robby Bubble-Sekt? So Richtung Erba Pura?“
„Du reden viel, vielleicht lieber dich doch essen.“
„Nunja, ich leg mal los. Gerne mit beiden Armen, wenn die Fesseln abkönnten? In meinem kleinen Dörfchen hab ich viele Inhaltsstoffe wo man was zaubern könnte. Könnten wir da hin? Du gibst dich einfach als Babsi aus, meine Stiefschwester mütterlicherseits, das wird niemandem auffallen. Aber dann bleibe ich verschont.“
„Ok.“

Hier kommen zwei Düfte zusammen, die ich einzeln kenne, die sich relativ diametral gegenüberstehen und vereinfacht ausgedrückt, vermischt wurden. Natürlich verfeinert und dergleichen. Das Spektrum reicht von zitrisch-frischen Noten bis hin zu direkt rauchiger Oud-Animalik. Man befindet sich in einem olfaktorischen Wimmelbild; hier tatsächlich Safran, untermalt mit Moschusnoten und dezenter Mandel. Da das Oud-Sextett sowie diverse animalische Beigaben. Es duftet ledrig, herb, rauchig. Diese Kombination mit Tangerine, Orange und Konsorten ist höchst spannend. Hesperiden welken, verglühen gleich der Sonne, Impressionen von tiefen Rottönen, herbstlichen Farben erscheinen. Diese Facette von Yeti ist dominant und auch sehr stark konstruiert.

Die Ouds überbieten sich nicht gegenseitig, kreieren nicht zu viele Kanten sondern einem Kaleidoskop gleich, schaffen sie eine vielschichtige Einheit, schimmern in allen möglichen Harz- und Holznoten. Hierzu tragen auch balsamische Nuancen bei. Diese runden Yeti ab, sorgen für eine Art Vollmundigkeit doch sollte man sich nicht beirren lassen. Ab und an quillt die sublim extreme Machart über, ein Hauch herbstlich-animalische Röte wabert vorbei, die intensiv duftenden Schalen der Zitrusfrüchte sorgen fast für einen harmonisch-gemütlichen Beiklang.

Sukzessive entschwinden die zitrischen Facetten, Yeti wird rassiger, würziger, die in den ersten Momenten moderat ungestüme Animalik sowie Oud-Melange transformiert sich hin zu einem friedlich wirkenden, olfaktorischen See. Der Nukleus dieser Kreation wird offenbar und verharrt ebenso, das extrovertierte Wesen wird gleichfalls reifer und nimmt sich zurück.

Welches Fazit zieht man? Zwei Düfte, von den Parfumeuren als einzeln für nicht gut genug befunden, warum auch immer kombiniert und heraus kommt ein Werk, welches endlich die Qualitäten der einzelnen Bausteine zur Geltung bringt. Ein Parfum, welches an die archaischen MGO-Releases erinnert. Manchmal scheint es wirklich wie bei einem Mosaik zu sein. Vervollkommnung durch das große Ganze. Vielleicht ein Plädoyer für fruchtbare Kooperationen, für grundsätzlich ein Miteinander.
41 Antworten
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