Hugo Deep Red 2001

IceMachine
13.11.2023 - 08:41 Uhr
20
Sehr hilfreiche Rezension
9
Preis
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

Lay back, it's all been done before

Anfang der 2000er zog ich direkt nach dem Abitur in meine erste eigene Wohnung. Sie war klein und weit außerhalb, so dass ich gefühlte Ewigkeiten in der Straßenbahn saß, um in die Innenstadt zur Uni zu kommen. Die Böden waren schief und knarrten bei jedem Schritt und die kleine Einbauküche war noch aus den 70ern und in schon damals fragwürdigen Vintage-Brauntönen gehalten. Geheizt wurde mit in die Jahre gekommenen Gasöfen und bis diese endlich ansprangen, musste man besonders am Anfang der kalten Jahreszeit dutzende Male den kleinen Knopf unter der Abdeckung drücken. Um es kurz zu machen: Diese kleine Wohnung war perfekt. Ich richtete sie ein mit einer Mischung aus den günstigsten Ikea-Möbeln, alten Möbeln meiner Eltern und aus meinem Kinderzimmer und Sachen vom Flohmarkt. Ich kaufte einen kleinen Röhrenfernseher (das sind die, die tiefer sind als breit ;-)) und ließ oft fast den ganzen Tag MTV laufen. Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht: MTV, seines Zeichens Musikfernsehsender, spielte damals, lange vor der Zeit von YouTube und ständig verfügbarem Highspeed-Internet, tatsächlich fast den ganzen Tag Musikvideos. (Und erinnert sich noch jemand an VIVA Zwei?) Ich saß also in dieser kleinen Wohnung mit dem alten, leicht krummen Lindenbaum vor dem einen Fenster und dem hässlichen kleinen 70er-Jahre-Hochhaus - es gibt in der Tat kleine Hochhäuser - vor dem anderen Fenster und wälzte mich leicht überfordert und gleichzeitig fasziniert durch meine Uni-Ordner des ersten Semesters. Im Fernsehen lief MTV, vielleicht Linkin Park oder Avril Lavigne oder eine Folge South Park. Und das Zimmer roch nach "Hugo Deep Red", vanillig und beerig und süß. Das Leben fühlte sich ewig an, im positiven Sinn, schließlich lag alles noch vor mir und die Zukunft war offen und frei.

"Hugo Deep Red" ist kein ausgefallener Duft. Das war er nie und wollte es wohl auch nie sein. Er duftet gefällig nach Vanille und roten Beeren und ein bisschen erinnert er mich an rote Grütze mit Vanillesoße. Früher fand ich ihn sehr süß, aber verglichen mit der Süße manch moderner Parfums ist er das nicht. Mittlerweile wohnt ihm das Besondere eines Duftes inne, den man eben nicht mehr so oft riecht und der den aktuellen Trends nicht mehr entspricht. Heute wirkt er für mich etwas aus der Zeit gefallen, aber nicht im negativen Sinn, nicht altbacken, eher retro (und ein ganz klein wenig sexy), und absolut noch tragbar, auch für junge Menschen.

Das Haus mit meiner kleinen ersten Wohnung wurde mittlerweile abgerissen und durch ein neues, schickeres Wohnhaus ersetzt mit großen Balkonen und bodentiefen Fenstern. Und auch das hässliche kleine Hochhaus gegenüber hat einen neuen Anstrich bekommen. Aber der alte Lindenbaum steht noch, krumm wie eh und je, und trotzt den Jahren, die an ihm vorüberziehen. Und als ich kürzlich meine alte Straße entlang lief, hätte ich schwören können, die Luft roch nach "Hugo Deep Red".
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