Jingle
12.06.2021 - 05:53 Uhr
12
Sehr hilfreiche Rezension
8
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft

Paddington Bears erste Wahl

Im Auftakt wirklich eins zu eins britische bittere Orangenmarmelade - wie köstlich! Und dann wird es schon weihnachtlich, ich denke an Orangeat, das Schälen von Mandarinen und ein Kerzchen, in das ich die Schalen ausdrücke. Auch der vernehmbare Rharbarber, das Neroli bringen mich nicht von diesem ersten Eindruck ab. Gut, für mich als Alman sind Orangen natürlich Südfrüchte für die kalte Jahreszeit und ich habe noch nie eine Orange am Baum wachsen sehen. Für Kalifornier bspw. mag der Duft ganz anders wirken.

Das Grüne im Parfüm, und damit meine ich nicht nur das Geißblatt, sondern hier auch mal den Rhabarber, kommt zypressenartig rüber. Das mag auch das Ätherische sein, die Zypresse mit Orangenschalen gemein hat, ich meine diese intensiv-ölige, flüchtige Eigenschaft.

Zitrusdüften sagt man eine stimmungsaufhellende Wirkung nach. Und ja, das funktioniert hier! Ob es das sophisticated Frühstück ist (Marmelade ist ein Treat!), die Besonderheit am Sonntag mit Toastständer, Advent mit Schummerlicht und mit früher Dämmerung als kleines Kind oder die Vorstellungen/Erinnerungen an ein südliches Land, an Sommer.

Künstliche Noten kann ich am Duft nur insoweit riechen, als es sich um die behandelte, kandierte Orange handelt. Keine naturalistische Orange, sondern die als Delikatesse gehandelte. Aber kein Capri-Eis, sondern was viel Älteres, das Spanische Fruchthaus in München.
Putzmittel, Klebstoff nehme ich nicht wahr, und das sage ich als Besitzerin eines (nebenbei grandiosen) Orangenöl-Reinigers. Und da komme ich noch mal auf das oben „ätherisch“ genannte Element zurück und das ich mangels besseren Auskennens nur eindringlich kennen kann; sicher eine chemische Eigenschaft.

Im Verlauf zeigt der Duft das Neroli deutlicher, ich fühle mich auch kurz an Hermes' Jour erinnert, nur besser, ohne das Gummi, hehe. Die assoziierte Zypresse verwandelt sich in den himmlischen Duft von Drucksachen (subtil, erwartet keine Druckerei).

Es ist für mich total faszinierend, dass mein Dufteindruck so anders ist als die bisherigen hier: Sundrunk ist für mich mehr besinnlich als sprudelnd, dennoch aber passend für die Sommernachtsparty. Er ist das bitterste Orangina, das ihr jemand getrunken habt. Die Sonne brettert euch auf die Schultern. Eine kostbare kandierte Orangenscheibe für Kartoffel-und-Kohl-Esser, im 19. Jahrhundert. Sie leuchtet ihr orangefarbenes Licht in ein dunkles Wohnzimmer und wärmt wie ein Kamin. Sundrunk ist der ungezügelte Biss in eine Orange, durch die Schale hindurch, durch das Weiße, bis der Saft in den Mund quillt, wie ein heißer Kuss nachts in einem üppigen Garten in Florida.
Für mich ist es ein Entweder-oder-Duft: Hochsommer oder Advent. Für beide Jahrezeiten aber eine Bereicherung, „sorgt für leuchtende Augen“, um sprachlich in der Weihnachtswelt zu bleiben.

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