Eau de Lavande 1892

DasguteLeben
28.09.2018 - 05:35 Uhr
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Sehr hilfreiche Rezension
9
Duft

Der letzte Walzer wird der erste sein

Wien war 1892 wohl der geeignetste Ort um ein Lavendel-Rosenwasser zu kreieren: Zentrum eines zerfallenden Reiches, zerrissen zwischen rückwärtsgewandt-dekadenter Nostalgie und Aufbruch in die Moderne - noch fünf Jahre bis zur Secession. Parfüm ist seit Jahren nicht mehr Eau de Cologne, florales Bouquet oder Soliflore, der olfkatorische Viktorianismus ist vom Glanz der Belle Époque hinweggefegt. Wie schreibt Harry Graf Kessler in seinen Erinnerungen:
Wenn ich an diese Zeit der siebziger Jahre meiner Kindheit zurückdenke, so schwebt sie mir in halb verblassten Bildern schöner Frauen und ihrer heute schon ach so historisch wirkenden Kostüme vor [...] Auch die Parfüms, die diese Erscheinungen als leichter Hauch umschwebten, sind in meinem Gedächtnis eingeprägt geblieben; vielleicht sogar deutlicher als die blassen Bilder ihrer Schönheit. Brise des Îles und Origan, Rose du Soir, Chypre, Souvenir du Réunion - ihre exotischen Namen erfuhr ich später, aber die Besonderheit, die ihnen jede Frau durch den Duft und die Schwüle ihrer Haut verlieh, lernte ich unterscheiden, als ich noch aus der Kinderstube hereingeführt wurde, um diese oder jene Hand zu küssen."
Herr Johann Baptiste Filz konnte wohl darauf vertrauen noch wohlhabende Abnehmer für ein hochwertiges Wasser der altmodischen Sorte zu finden, auch wenn Produkte wie 4711 oder Uralt Lavendel bereits Düfte des Kleinbürgertums waren und große Eau de Cologne Häuser wie Farina Gegenüber aus Köln ihren langsamen Abstieg aus adeligen Höhen in die Drogerieregale begannen. Und es gelang ihm, ob aus eigener Kreativität oder mit Hilfe einer Pharmakopöe, eine vortreffliche Komposition, schlicht und perfekt. Lavendel - herb, frisch, krautig, aber auch süsslich-grün, kongenial vermählt mit der Rose, diesem duftig-opulenten-wächsernen, manchmal gar metallischen Urparfüm - hier in einer hellen "gelb-rosigen" Variante mit hohem Linaloolanteil. Wie meine Lieblingsnaturparfümeurin Annette Neuffer mal feststellte: "Die Rose ist ein unverzichtbares Material um einer Komposition Volumen zu verleihen, besonders wenn man ohne Synthetik arbeitet. Sie glättet harte Kanten, rundet ab und verbindet alles." Und das merkt man in der Tat selbst in dieser vergleichsweise simplen Rezeptur, in welche die Rose ein Spannungsmoment, Volumen, Eleganz und letztlich eine interessantere Harmonie einbringt, als es ein Lavendelstrauß allein vermochte. Wahrlich bezaubernd, heiter, aber auch cremig distinguiert, dieser letzte Duftwalzer des alten Habsburg, vor Schönbrunner Gelb, mit Galauniformen, ehe alles versank und, quasi eine Tür weiter von der Parfümerie Filz, die Moderne sich olfaktorisch entfaltete, mit dem wichtigsten aller Wiener Düfte, The Knize Ten. Ironischerweise kann man heuer, in der Ära des nouveau cologne, das Eau de Lavande wieder als zeitgemäß genießen, während Knize Ten vermutlich für die Durchschnittsnase nach Uropa müffelt. Pantha rei.
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