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Der Reiz des Alten
Eau de Cologne ist nicht totzukriegen - egal wohin die parfümistische Trendkarawane ziehen mag. Was mit den ersten europäischen Destillationsversuchen im Mittelalter und Eau d'Hongrie (Rosmarinwasser) begann, vom namensgebenden Johann Maria Farina zu Köln im Rokoko zu erster ästhetischer Blüte geführt wurde und von Guerlain und vielen anderen in zahllosen Iterationen perfektioniert wurde, ist immer noch und immer wieder da. Seit dem großen Statusverlust Ende des 19. Jahrhunderts, als mit der Belle Époque das goldene Zeitalter der modernen haute parfumerie begann, hat es als Tantchen's Reisewasser überlebt, als türkisches Kolonya beim Barbier und für schwitzende Busfahrer, als wichtige Ingredienz in Reinigungsritualen des dominikanischen Santeriakultes und bei Amazonas-Schamanen (Murray & Lanman's Florida Water), immer auch als Zuflucht für sensiblere Nasen und seit einigen Jahren auch wieder als Prestigeprodukt (2007 erschien Chanels Eau de Cologne in der Exclusifs Reihe). Das Bedürnis nach natürlicher olfaktorischer Frische und dem Ruf des Südens ist auch in den Hochzeiten des Florientals, brünstiger Animalik oder der Gegenwart synthetischer Fruchtbomben und Ethylmaltolschwemmen nie ganz versiegt. Daher also gibt es Samphire (nun auch schon 12 Jahre) - irgendwo an den Außengrenzen des Parfümkosmos.
Immer mal wage ich mich in die Höhle des Löwen, das Haus der Illusionen, den Douglas Flagshipstore in Frankfurt, auf der Suche nach einem Schnäppchen oder irgend etwas von ästhetischem Gewicht - möglichst beides, gehöre ich doch scheinbar zu dem sozialen Stratum von dem Pierre Bourdieu schrieb es habe zuwenig Geld für seinen Geschmack (en cultivant notre jardin, nous avons oublié de devenir riche rapidement). Dort also standen im Abverkauf ein paar traurige Flakons von Laboratory Perfumes herum, einer Marke, von der ich noch nie gehört hatte und von der ich erst kürzlich las, sie mache de facto in Dupes, obwohl sie nun gar nicht wie eine Klonfabrik wirkt. Egal - ich hatte keinen Kontext und fand weder Gorse noch Atlas interessant. Samphire aber ließ sofort meine Eau de Cologne Rezeptoren klingeln. Zitrus - Kräuter -Holz/Moos/Musk, ganz old school, sehr natürlich wirkend, Referenzen abrufend: Eau du Sud, Aeroplane, Guerlain. Englisches Haus, aber französische Schule. Sehr spritzige, frische Zitrusnoten, Zitrone, Bergamot, Verveine, Lemongrass und: die leicht schwefelig-schmutzige Grapefruit als Brücke zum Kräuterkomplex mit Basilikum, Rosmarin, Wacholder. Eine milde Basis, aber mit Fixativen, die den Duft leicht lassen, aber deutlich langlebiger machen als klassisches 100% natürliches Eau de Cologne. Auch deshalb macht die Designierung als Eau de Toilette absolut Sinn, selbst wenn wir es hier stilistisch mit der EdC Tradition zu tun haben. White Musk, Labdanum, Tonka, Jasmin, Eichenmoss und Iris sollen sich im Fond finden, es wabert aber nur zurückgenommen und stützend unter dem Zitrus-Kräuterkomplex - und das ist gut so.
Es gibt kaum ein mit guten Zutaten gemachtes EdC, das mir nicht gefällt und ich liebe die Artenvielfalt dieses Genres. Hier hatte ich nach langer Zeit mal wieder einen echten Volltreffer gelandet, der fast an meinen Sommerfavoriten Eau du Sud von Goutal heranreicht, denn ich mag das leicht schmutzige der Kräuternoten (und hier auch der Grapefruit), welches die Zitrusfrische ergänzt und konterkariert, also quasi der Farina'schen Cologne-These Gegen- und Synthese hinzufügt. Mit €60 war er dann auch für meine Brieftasche angemessener bepreist als zur UVP von €100 (siehe oben), aber selbst das wäre er mir vermutlich wert, falls Eau du Sud inzwischen reformuliert ist (ich habe lange an keinem aktuellen Flakon geschnuppert). Well done also, dieses neuere englische Kleinod in gallischem Gewande, möge es noch lange in Produktion bleiben!
Immer mal wage ich mich in die Höhle des Löwen, das Haus der Illusionen, den Douglas Flagshipstore in Frankfurt, auf der Suche nach einem Schnäppchen oder irgend etwas von ästhetischem Gewicht - möglichst beides, gehöre ich doch scheinbar zu dem sozialen Stratum von dem Pierre Bourdieu schrieb es habe zuwenig Geld für seinen Geschmack (en cultivant notre jardin, nous avons oublié de devenir riche rapidement). Dort also standen im Abverkauf ein paar traurige Flakons von Laboratory Perfumes herum, einer Marke, von der ich noch nie gehört hatte und von der ich erst kürzlich las, sie mache de facto in Dupes, obwohl sie nun gar nicht wie eine Klonfabrik wirkt. Egal - ich hatte keinen Kontext und fand weder Gorse noch Atlas interessant. Samphire aber ließ sofort meine Eau de Cologne Rezeptoren klingeln. Zitrus - Kräuter -Holz/Moos/Musk, ganz old school, sehr natürlich wirkend, Referenzen abrufend: Eau du Sud, Aeroplane, Guerlain. Englisches Haus, aber französische Schule. Sehr spritzige, frische Zitrusnoten, Zitrone, Bergamot, Verveine, Lemongrass und: die leicht schwefelig-schmutzige Grapefruit als Brücke zum Kräuterkomplex mit Basilikum, Rosmarin, Wacholder. Eine milde Basis, aber mit Fixativen, die den Duft leicht lassen, aber deutlich langlebiger machen als klassisches 100% natürliches Eau de Cologne. Auch deshalb macht die Designierung als Eau de Toilette absolut Sinn, selbst wenn wir es hier stilistisch mit der EdC Tradition zu tun haben. White Musk, Labdanum, Tonka, Jasmin, Eichenmoss und Iris sollen sich im Fond finden, es wabert aber nur zurückgenommen und stützend unter dem Zitrus-Kräuterkomplex - und das ist gut so.
Es gibt kaum ein mit guten Zutaten gemachtes EdC, das mir nicht gefällt und ich liebe die Artenvielfalt dieses Genres. Hier hatte ich nach langer Zeit mal wieder einen echten Volltreffer gelandet, der fast an meinen Sommerfavoriten Eau du Sud von Goutal heranreicht, denn ich mag das leicht schmutzige der Kräuternoten (und hier auch der Grapefruit), welches die Zitrusfrische ergänzt und konterkariert, also quasi der Farina'schen Cologne-These Gegen- und Synthese hinzufügt. Mit €60 war er dann auch für meine Brieftasche angemessener bepreist als zur UVP von €100 (siehe oben), aber selbst das wäre er mir vermutlich wert, falls Eau du Sud inzwischen reformuliert ist (ich habe lange an keinem aktuellen Flakon geschnuppert). Well done also, dieses neuere englische Kleinod in gallischem Gewande, möge es noch lange in Produktion bleiben!
14 Antworten
Kein Bentley, aber solide Mittelklasse
Niche mal nicht über Preis sondern Outlets - eigentlich scheint dieser Duft fast nur online beziehbar, ich habe ihn jedenfalls noch nie in einer Parfümerie gesehen.
Bentley ist zwar eine Luxusautomarke, aber im Fall von Parfüm kann das ja eher ein böses Omen sein. Dieser hier ist aber für einen Autoduft viel zu gut. Eine ambitionierte Komposition mit leider zu kleinem Budget - aber Chapeau was Mme. Lorson hier herausholt - verglichen etwa mit dem zehn Mal teureren, aber wesentlich simpler konstruierten (und von den Herstellungskosten vermutlich noch unter dem Bentley liegenden) Sir George von (zumindest nominell) Alberto Morrillas.
Mir ist es als Parfüm-Konservativen natürlich alles ein bisserl viel hier, es geht schon a weng Richtung Goldkette und Brusthaar unter offenem Hemd: boozy, spicy, Lorbeer-Pfeffer, süss-resinoid-ledrig. Entfernte Ähnlichkeiten zu Idole de Lubin, der aber transparenter und in der Konstruktion klarer und edler wirkt. Der Synthetik-Schleier liegt leider über allem - ich würde die Formel gerne mal mit doppeltem Budget riechen. Trotzdem ist Bentley for Men nicht schlechter als viele Masstige Produkte von Tom Ford, Amouage, Creed etc. und immer noch um ein Drittel günstiger als unzählige Massenmarktdüfte, die nicht besser und oftmals wesentlich schlimmer reuchen. Allein schon für den Beweis, dass man einen Duft dieser Art noch für €25 mit Gewinnmarge verkaufen kann, verdient Bentley einen Preis und wer den Stil mag wird auf jeden Fall glücklich. Ich trage ihn gerne mal sehr sehr sparsam dosiert, ziehe aber prinzipiell den Gucci-Wiedergänger Bentley Absolute klar vor.
Bentley ist zwar eine Luxusautomarke, aber im Fall von Parfüm kann das ja eher ein böses Omen sein. Dieser hier ist aber für einen Autoduft viel zu gut. Eine ambitionierte Komposition mit leider zu kleinem Budget - aber Chapeau was Mme. Lorson hier herausholt - verglichen etwa mit dem zehn Mal teureren, aber wesentlich simpler konstruierten (und von den Herstellungskosten vermutlich noch unter dem Bentley liegenden) Sir George von (zumindest nominell) Alberto Morrillas.
Mir ist es als Parfüm-Konservativen natürlich alles ein bisserl viel hier, es geht schon a weng Richtung Goldkette und Brusthaar unter offenem Hemd: boozy, spicy, Lorbeer-Pfeffer, süss-resinoid-ledrig. Entfernte Ähnlichkeiten zu Idole de Lubin, der aber transparenter und in der Konstruktion klarer und edler wirkt. Der Synthetik-Schleier liegt leider über allem - ich würde die Formel gerne mal mit doppeltem Budget riechen. Trotzdem ist Bentley for Men nicht schlechter als viele Masstige Produkte von Tom Ford, Amouage, Creed etc. und immer noch um ein Drittel günstiger als unzählige Massenmarktdüfte, die nicht besser und oftmals wesentlich schlimmer reuchen. Allein schon für den Beweis, dass man einen Duft dieser Art noch für €25 mit Gewinnmarge verkaufen kann, verdient Bentley einen Preis und wer den Stil mag wird auf jeden Fall glücklich. Ich trage ihn gerne mal sehr sehr sparsam dosiert, ziehe aber prinzipiell den Gucci-Wiedergänger Bentley Absolute klar vor.
9 Antworten
Kandiert und weg...
Auf der Basis der Duftnoten hätte ich ein Parfüm im Stil von Goutals Eau du Sud oder Aeroplane von Detaille erwartet, aber in meiner Wahrnehmung ist Citron Citron hauptsächlich kandierte Zitrone - vermutlich ein Effekt der süsslichen Limette in Verbindung mit den anderen Zitrusnoten. Es fehlt hier die spritzige Frische von Trumper's Limes oder die saftige Intensität der genialen M. Balmain Iteration der 90er Jahre und statt des charmant schmutzigen Basilikum-Zitrus Duetts des unübertrefflichen Goutal-Klassikers, der für einen Zitrusduift wirklich lange haftet und zudem wunderschön französisch daherkommt wird Lyn Harris Kreation schnell belanglos um nach kurzer Zeit in der Versenkung zu verschwinden. Nicht schlecht, aber auch nicht gerade die "bells of St. Clemens." Schon gar nicht zu dem im Verhältnis zur Qualität und Kürze absurden Preis. Großes "Meh".
6 Antworten
Bourdon macht einen Duchaufour
Route des Épices ist ein klassisches holzig-würziges Eau de Toilette mit einem Hauch Oriental, sagenhaft geschmeidig und kantenlos integriert es seine zig Komponenten im traditionellen französischen Stil. Es ist so rund und perfekt, dass man es auf den ersten Riecher fast für langweilig halten könnte, ehe man merkt wie gut es gemacht ist. Wie ein guter Massanzug, der auch hervorragend dazu passt. Dezente, tendenziell maskuline Eleganz. Es ist weder laut noch innovativ, sondern vom Ansatz her eher eine "tut-was-sie-soll" Komposition, nämlich einfach herrlich duften. Die hohe Qualität der Rohstoffe tut ihr Übriges und wer klassische Düfte mag wird Route des Épices so manchen Möchtegern Marlys, Creeds, Ouds und Schmouds jederzeit vorziehen.
Ganz ohne Augenzwinkern geht es aber dann doch nicht. Wenn man nämlich nochmal ganz genau nachschnüffelt, könnte man denken, Bourdon habe hier eine typische Bertrand Duchaufour Komposition (floral-würzig-oriental mit moderner Papyrus-Weihrauch Basis) "bourdonisiert," d.h. die Synthetikeffekte runtergeschraubt und den Stravinsky zum Debussy reengineered. Mir gefällt das. Bei aller Liebe zu den neuen Autodidakten, die mit ihren Mini-Parfümhäusern die Duftwelt aufgemischt haben ist es doch auch mal wieder schön etwas richtig Gutes aus der Hand eines durchtrainierten Profis zu riechen. Schade, dass Bourdons Parfumhaus eine Totgeburt war, für deren hochwertige Klassikdüfte im 2015er Markt wohl kein Platz war, bzw. das Marketing nicht schrill genug. Route des Épices war nämlich wirklich zu gut für die TK Maxx Grabbelkiste, wo man von mir aus heuer gerne diverse Fake Niche Linien abladen dürfte.
Ganz ohne Augenzwinkern geht es aber dann doch nicht. Wenn man nämlich nochmal ganz genau nachschnüffelt, könnte man denken, Bourdon habe hier eine typische Bertrand Duchaufour Komposition (floral-würzig-oriental mit moderner Papyrus-Weihrauch Basis) "bourdonisiert," d.h. die Synthetikeffekte runtergeschraubt und den Stravinsky zum Debussy reengineered. Mir gefällt das. Bei aller Liebe zu den neuen Autodidakten, die mit ihren Mini-Parfümhäusern die Duftwelt aufgemischt haben ist es doch auch mal wieder schön etwas richtig Gutes aus der Hand eines durchtrainierten Profis zu riechen. Schade, dass Bourdons Parfumhaus eine Totgeburt war, für deren hochwertige Klassikdüfte im 2015er Markt wohl kein Platz war, bzw. das Marketing nicht schrill genug. Route des Épices war nämlich wirklich zu gut für die TK Maxx Grabbelkiste, wo man von mir aus heuer gerne diverse Fake Niche Linien abladen dürfte.
5 Antworten
Hippie Camp
Zunächst mal scheint mir dies ein Parfüm, bei dem es genetisch bedingte Wahrnehmungsdifferenzen gibt, obwohl die Inhaltsstoffe das erstmal nicht herzugeben scheinen. Aber es ist zu auffällig, dass viele Leute in Serge Noire einen abstossenden käsigen-schweissigen und zwiebeligen Geruch beschreiben und andere nichts davon wahrnehmen. Für mich ist Cumin hier nur im Hintergrund, im Gegensatz etwa zu Eau d'Hermès, ebenso habe ich keine Ambrox-Zwiebeligkeit. Aber solche Fälle gibt es nunmal - bekannt ist z.B. dass der Stoff Karanal (z.B. in Flechiers Une Rose / Rose Tonerre für F. Malle) für eine kleine Gruppe von Menschen extrem urinös riecht. Ergo - nicht wundern, wenn man spontan von Umgebenden gemieden/gesteinigt wird und gar nicht versteht was gerade passiert ;-).
Was ich hier definitiv habe ist "verbrannter Amber" und ich meine mich zu erinnern, dass Luca Turin, durchaus ein Freund vieler Düfte des Haues, diesen abscheulich fand. Das ist nachvollziehbar. Serge noir riecht nämlich wie eine Hippiebude in den frühen Siebzigern in der Pachtouli wabert und jemand sich die Haare ankokelt, während er billige Amberräucherstäbchen abbrennt und Zimt-Nelken Chai trinkt. Daneben dreht ein Bekiffter endlos an einer gut gefüllten Pfeffermühle. Wer das aufsprüht dem wachsen Rüschen auf dem Hemd/der Bluse und Fransen an der Hose. Schön ist dieser Duft nicht, aber sehr "camp" und amüsant. Ab und zu mag ich ihn.
Was ich hier definitiv habe ist "verbrannter Amber" und ich meine mich zu erinnern, dass Luca Turin, durchaus ein Freund vieler Düfte des Haues, diesen abscheulich fand. Das ist nachvollziehbar. Serge noir riecht nämlich wie eine Hippiebude in den frühen Siebzigern in der Pachtouli wabert und jemand sich die Haare ankokelt, während er billige Amberräucherstäbchen abbrennt und Zimt-Nelken Chai trinkt. Daneben dreht ein Bekiffter endlos an einer gut gefüllten Pfeffermühle. Wer das aufsprüht dem wachsen Rüschen auf dem Hemd/der Bluse und Fransen an der Hose. Schön ist dieser Duft nicht, aber sehr "camp" und amüsant. Ab und zu mag ich ihn.
8 Antworten