28.07.2020 - 11:32 Uhr
FvSpee
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Colonialwaren IV: Nasen-Köm
Astor und Wellington sind brothers in scent. Sie sind beide etwa 150 Jahre alt, stammen beide von Trumper und dort aus der nach britischen Feldherren und Staatsmännern benannten Cologne-Reihe (Marlborough, Curzon, Wellington - wer Astor sein soll, weiß ich aber nicht so recht). Beide vereinen die klassische Zitrusfrische eines Colognes mit etwas schräg-schrulligen Beigaben, wie sie für das altmodische englische Herrenparfumeurs-Kunsthandwerk typisch sind.
Allerdings sind diese Beigaben bei Astor as brown as brown can be, weshalb ich Astor unter den Colonialwaren eingeordnet und die Brüder damit getrennt habe. Vor allem aber ist Astor, nach meinem Dafürhalten zum Unterschied von Wellington, bei aller Exzentrizität gelungen.
Mein erster Dufteindruck (der bei einem Cologne ja der entscheidende sein darf, Kopfnotenblenderei ist bei Düften, die sich bisweilen in der Kopfnote erschöpfen, weit eher erlaubt als anderswo), noch vor dem Blick auf die Zutatenangaben: Eine Hälfte schöne, atypische, vornehme, silbrig-matte Zitrik; die andere Hälfte eine in einem Duftwasser zunächst etwas befremdlich wirkende, aber durchaus passende, nicht unangenehme, eindeutig küchenhafte Schärfe. Ich dachte als erstes an Zwiebeln, als zweites an Meerrettich (klingt beides schlimmer als es riecht), dann hielt ich es nicht mehr aus und schaute auf die Duftnoten.
Kümmel, na klar! Wenn man es weiß, fragt man sich dann, wie man es nicht sofort richtig gewusst hat. Astor riecht nach Kümmel. In der etwa halb- bis einstündigen Eröffnungsphase ist Astor ein Zitruskümmelduft, respektive, da Zitrus so normal ist, dass es gar nicht auffällt, eigentlich ein Kümmelduft, ein Nasenaquavit. So. Das muss man erstmal verdauen, wobei Kümmel dabei ja sehr hilfreich sein soll.
Als Duftnote ist Kümmel gar nicht so selten wie man vielleicht denkt, Parfumo verzeichnet 428 Düfte mit Kümmel, darunter so disparate Erzeugnisse wie Diorama (Damenduft von Dior, 1949), Polo, Azzaro Pour Homme und Tuscany Per Uomo (drei Powerhouse-Herrendüfte von 1978 bis 1984), Le Male (muss ich nix zu sagen, 1995), den millenarischen (2000) Bruno Banani Men, Epic Woman (Amouage, 2009) und das Hardcore-Nischenprodukt Ma Nishtana von Prissana (2019). Auch zwei Düfte, die ich besitze und liebe, Bel Ambre von Jacques Fath und Baudelaire von Byredo, enthalten Kümmel.
Aber ich kenne keinen Duft außer Astor, bei dem Kümmel so knallhart prominent die erste, oder jedenfalls eine sich aggressiv in den Vordergrund drängende zweite Geige spielt. Das ist schon gewöhnungsbedürftig, aber ich finde es zusammen mit der Zitrik rund und passend.
Auch im weiteren Verlauf ereignen sich keine bösen Überraschungen, im Gegenteil. Da läuft alles mit wundersamer Präzision und Harmonie ab: Man denkt, der Duft sei ganz und gar linear, bis man merkt, dass der Kümmel (spätestens nach zwei Stunden) nicht mehr da ist. Sein Platz an der Seite der Zitrusfrische ist völlig unbemerkt und wie von Zauberhand von einem holzigen und gegen Ende auch ganz dezent süßlichen (vielleicht Amber?) Fond eingenommen worden. In dieser Schlussphase ist Astor immer noch altmodisch-britisch, aber nicht mehr so exzentrisch kulinarisch und scharf wie zu Beginn, sondern konventioneller und unauffälliger.
Nach etwa vier bis fünf Stunden ist - bei großzügigem Sprühen - das schlicht-minimalistische, aber durchaus schöne Spektakel vorüber. Gesplasht könnte der Duft wohl auch den ganzen Tag halten. Vermutlich bin ich nicht anglophil, mutig oder verschroben genug, um einen Duft wie Astor zu kaufen oder regelmäßig zu tragen. Aber er ist gelungen, sehr speziell und einen Test allemal wert.
Allerdings sind diese Beigaben bei Astor as brown as brown can be, weshalb ich Astor unter den Colonialwaren eingeordnet und die Brüder damit getrennt habe. Vor allem aber ist Astor, nach meinem Dafürhalten zum Unterschied von Wellington, bei aller Exzentrizität gelungen.
Mein erster Dufteindruck (der bei einem Cologne ja der entscheidende sein darf, Kopfnotenblenderei ist bei Düften, die sich bisweilen in der Kopfnote erschöpfen, weit eher erlaubt als anderswo), noch vor dem Blick auf die Zutatenangaben: Eine Hälfte schöne, atypische, vornehme, silbrig-matte Zitrik; die andere Hälfte eine in einem Duftwasser zunächst etwas befremdlich wirkende, aber durchaus passende, nicht unangenehme, eindeutig küchenhafte Schärfe. Ich dachte als erstes an Zwiebeln, als zweites an Meerrettich (klingt beides schlimmer als es riecht), dann hielt ich es nicht mehr aus und schaute auf die Duftnoten.
Kümmel, na klar! Wenn man es weiß, fragt man sich dann, wie man es nicht sofort richtig gewusst hat. Astor riecht nach Kümmel. In der etwa halb- bis einstündigen Eröffnungsphase ist Astor ein Zitruskümmelduft, respektive, da Zitrus so normal ist, dass es gar nicht auffällt, eigentlich ein Kümmelduft, ein Nasenaquavit. So. Das muss man erstmal verdauen, wobei Kümmel dabei ja sehr hilfreich sein soll.
Als Duftnote ist Kümmel gar nicht so selten wie man vielleicht denkt, Parfumo verzeichnet 428 Düfte mit Kümmel, darunter so disparate Erzeugnisse wie Diorama (Damenduft von Dior, 1949), Polo, Azzaro Pour Homme und Tuscany Per Uomo (drei Powerhouse-Herrendüfte von 1978 bis 1984), Le Male (muss ich nix zu sagen, 1995), den millenarischen (2000) Bruno Banani Men, Epic Woman (Amouage, 2009) und das Hardcore-Nischenprodukt Ma Nishtana von Prissana (2019). Auch zwei Düfte, die ich besitze und liebe, Bel Ambre von Jacques Fath und Baudelaire von Byredo, enthalten Kümmel.
Aber ich kenne keinen Duft außer Astor, bei dem Kümmel so knallhart prominent die erste, oder jedenfalls eine sich aggressiv in den Vordergrund drängende zweite Geige spielt. Das ist schon gewöhnungsbedürftig, aber ich finde es zusammen mit der Zitrik rund und passend.
Auch im weiteren Verlauf ereignen sich keine bösen Überraschungen, im Gegenteil. Da läuft alles mit wundersamer Präzision und Harmonie ab: Man denkt, der Duft sei ganz und gar linear, bis man merkt, dass der Kümmel (spätestens nach zwei Stunden) nicht mehr da ist. Sein Platz an der Seite der Zitrusfrische ist völlig unbemerkt und wie von Zauberhand von einem holzigen und gegen Ende auch ganz dezent süßlichen (vielleicht Amber?) Fond eingenommen worden. In dieser Schlussphase ist Astor immer noch altmodisch-britisch, aber nicht mehr so exzentrisch kulinarisch und scharf wie zu Beginn, sondern konventioneller und unauffälliger.
Nach etwa vier bis fünf Stunden ist - bei großzügigem Sprühen - das schlicht-minimalistische, aber durchaus schöne Spektakel vorüber. Gesplasht könnte der Duft wohl auch den ganzen Tag halten. Vermutlich bin ich nicht anglophil, mutig oder verschroben genug, um einen Duft wie Astor zu kaufen oder regelmäßig zu tragen. Aber er ist gelungen, sehr speziell und einen Test allemal wert.
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