23.03.2022 - 11:33 Uhr

NuiWhakakore
104 Rezensionen

NuiWhakakore
Top Rezension
34
Von Tradition und Taugenichtsen
Geoge Charles, genannt Pommy (1), seines Zeichens baldiger 8. Duke of Marlborough, saß an diesem Frühsommermorgen des Jahres 1877 wie jeden morgen mit seinem Tee vor dem offenen Fenster und schaute auf die ausgedehnten Gärten von Blenheim Palace. Viel zu tun hatte er nicht, was ihm zu pass kam, lehnte er Arbeit doch grundsätzlich ab, und so dachte er einmal mehr darüber nach, wie er wohl einst in die Geschichte eingehen mochte.
Er ging im Geist seine Ahnenreihe durch und musste sich leider eingestehen, dass er keinem seiner Vorfahren das Wasser reichen konnte. Er konnte sich einigermaßen im Sattel halten, war aber sicher kein großer Feldherr, wie der 1. Duke of Marlborough. Auf ein Staatsamt konnte er nicht hoffen (und wollte das auch nicht, hätte es doch ein zumindest geringes Maß an Arbeit bedeutet) und Wohltätigkeit war auch nicht Seins, dann doch lieber eine Runde Bridge und ein Gläschen Port. Nein, er machte sich nichts vor, er spürte nichts Großes in sich.
Also nahm er einen Schluck Tee, Earl Grey, die Bergamotte deutlich in der Nase. Grey, noch so einer, der es in die Geschichtsbücher geschafft hatte. Nun gut, Premierminister, aber doch wohl ein Sozialist, unverzeihlich (2). Durch das geöffnete Fenster wehte die warme Frühsommerluft in das mit dunklem Holz verkleidete Zimmer. Die Geranien blühten in voller Pracht und auch der Lavendel war heuer wieder sehr gut gewachsen. Der Geruch stieg ihm warm-würzig in die Nase und in seinem kleinen Aristokratenhirn formte sich langsam eine Idee…
--------------------
Marlborough wurde natürlich nicht von einem dekadenten Adligen erfunden, sondern wohl von George Trumper, dem Gründer von Geo. F. Trumper, einem Barbershop mit großer Tradition, aber keiner Verbindung in den britischen Adel (zumindest konnte ich keine Hinweise darauf finden) und das macht ihn mir persönlich gleich noch etwas sympathischer als eh schon. Aber wir wollen nicht zu viel auf dem britischen Adel herumtreten, auch wenn er es verdient hat.
Es geht hier um das Cologne und das ist, obwohl von 1877, keineswegs altmodisch (siehe hierzu auch den Kommentar des geschätzten Yatagan). Es startet mit einem würzigen, kräftigen Lavendel, den ich jetzt zwar nicht direkt als dunkel wahrnehme, der aber auch erfreulich weit von einer lieblichen Süße entfernt ist. Da spielt meiner Meinung nach auch Rosmarin mit rein und sicher auch ein Spritzer Bergamotte-Öl (somit aus der Schale, frisch aber auch leicht bitter). Die hier angegebenen Duftnoten sind bestenfalls rudimentär, sie geben die Richtung vor, aber da spielt sicherlich noch mehr mit. Florale Noten kommen von der gut erkennbaren Rosengeranie, die allerdings auch nicht lieblich, sondern kräftig und würzig ist, und damit den Lavendel gut ergänzt. Ob hier noch andere Blüten mit beinhaltet sind, wage ich nicht zu beurteilen, würde es aber auch nicht ausschließen. Dazu kommt dann noch eine holzige Basis aus einer herben Zeder mit einer leichten Limonen-Note und cremigem Sandelholz. Sehr gut möglich ist auch ein Spritzer Vetiver, zumindest nehme ich in der Basis etwas leicht erdiges wahr und einen leichten Würzdampf (ich will es nicht Rauch nennen, dafür ist es nicht dicht genug).
Viel Entwicklung hat der Duft nicht. Der Lavendel wird etwa weicher, lieblicher und auch süßer, aber der Duft bleibt grundsätzlich eher herb und das auf der Haut für maximal 4-5 Stunden, was für ein Cologne gar nicht mal so schlecht ist. Auf Textil hält er dagegen 7-8 Stunden, da kann man also wirklich nicht meckern.
Bereits beim ersten Test hat mich Marlborough übrigens an (den ebenfalls fantastischen) Bois du Portugal von Creed erinnert (110 Jahre jünger, aber aus ganz ähnlichem Holz geschnitzt). Beide haben eine recht ähnliche Lavendel-Zedernholz-Note, wenngleich die Haltbarkeit beim Creed schon wesentlich besser ist. Dafür war der Trumper zuerst da und ist um einiges günstiger (wobei ich Creed nicht des Plagiats bezichtigen will, die Düfte sind sich ähnlich aber keine plumpe Kopie).
--------------------
(1) Der 8. Duke of Marlborough hatte meines Wissens nach keinen Spitznamen und schon ganz sichern nicht Pommy (was eine abfällige Bezeichnung der Australier für die Engländer ist), war aber ansonsten ein typischer Vertreter seines Standes, was schlimm genug ist, jedoch durchaus noch getoppt wurde von seinem Sohn, dem 9. Duke of Marlborough, der neben allem andern auch noch ein paranoider Antisemit war. Es lebe das englische Adelshaus und alle andern auch gleich mit…
(2) Earl Grey Tee wurde übrigens nicht von Charles, dem 2. Earl of Grey erfunden, sondern nach ihn benannt und so ganz klar ist nicht, ob es ihn 1877 schon gab. Ein Sozialist war er wohl eher auch nicht, aber er hat die Monopolstellung der Ostindien-Kompanie und die Sklaverei in den Kolonien aufgehoben, was für die Zeit wohl eher progressiv war.
Er ging im Geist seine Ahnenreihe durch und musste sich leider eingestehen, dass er keinem seiner Vorfahren das Wasser reichen konnte. Er konnte sich einigermaßen im Sattel halten, war aber sicher kein großer Feldherr, wie der 1. Duke of Marlborough. Auf ein Staatsamt konnte er nicht hoffen (und wollte das auch nicht, hätte es doch ein zumindest geringes Maß an Arbeit bedeutet) und Wohltätigkeit war auch nicht Seins, dann doch lieber eine Runde Bridge und ein Gläschen Port. Nein, er machte sich nichts vor, er spürte nichts Großes in sich.
Also nahm er einen Schluck Tee, Earl Grey, die Bergamotte deutlich in der Nase. Grey, noch so einer, der es in die Geschichtsbücher geschafft hatte. Nun gut, Premierminister, aber doch wohl ein Sozialist, unverzeihlich (2). Durch das geöffnete Fenster wehte die warme Frühsommerluft in das mit dunklem Holz verkleidete Zimmer. Die Geranien blühten in voller Pracht und auch der Lavendel war heuer wieder sehr gut gewachsen. Der Geruch stieg ihm warm-würzig in die Nase und in seinem kleinen Aristokratenhirn formte sich langsam eine Idee…
--------------------
Marlborough wurde natürlich nicht von einem dekadenten Adligen erfunden, sondern wohl von George Trumper, dem Gründer von Geo. F. Trumper, einem Barbershop mit großer Tradition, aber keiner Verbindung in den britischen Adel (zumindest konnte ich keine Hinweise darauf finden) und das macht ihn mir persönlich gleich noch etwas sympathischer als eh schon. Aber wir wollen nicht zu viel auf dem britischen Adel herumtreten, auch wenn er es verdient hat.
Es geht hier um das Cologne und das ist, obwohl von 1877, keineswegs altmodisch (siehe hierzu auch den Kommentar des geschätzten Yatagan). Es startet mit einem würzigen, kräftigen Lavendel, den ich jetzt zwar nicht direkt als dunkel wahrnehme, der aber auch erfreulich weit von einer lieblichen Süße entfernt ist. Da spielt meiner Meinung nach auch Rosmarin mit rein und sicher auch ein Spritzer Bergamotte-Öl (somit aus der Schale, frisch aber auch leicht bitter). Die hier angegebenen Duftnoten sind bestenfalls rudimentär, sie geben die Richtung vor, aber da spielt sicherlich noch mehr mit. Florale Noten kommen von der gut erkennbaren Rosengeranie, die allerdings auch nicht lieblich, sondern kräftig und würzig ist, und damit den Lavendel gut ergänzt. Ob hier noch andere Blüten mit beinhaltet sind, wage ich nicht zu beurteilen, würde es aber auch nicht ausschließen. Dazu kommt dann noch eine holzige Basis aus einer herben Zeder mit einer leichten Limonen-Note und cremigem Sandelholz. Sehr gut möglich ist auch ein Spritzer Vetiver, zumindest nehme ich in der Basis etwas leicht erdiges wahr und einen leichten Würzdampf (ich will es nicht Rauch nennen, dafür ist es nicht dicht genug).
Viel Entwicklung hat der Duft nicht. Der Lavendel wird etwa weicher, lieblicher und auch süßer, aber der Duft bleibt grundsätzlich eher herb und das auf der Haut für maximal 4-5 Stunden, was für ein Cologne gar nicht mal so schlecht ist. Auf Textil hält er dagegen 7-8 Stunden, da kann man also wirklich nicht meckern.
Bereits beim ersten Test hat mich Marlborough übrigens an (den ebenfalls fantastischen) Bois du Portugal von Creed erinnert (110 Jahre jünger, aber aus ganz ähnlichem Holz geschnitzt). Beide haben eine recht ähnliche Lavendel-Zedernholz-Note, wenngleich die Haltbarkeit beim Creed schon wesentlich besser ist. Dafür war der Trumper zuerst da und ist um einiges günstiger (wobei ich Creed nicht des Plagiats bezichtigen will, die Düfte sind sich ähnlich aber keine plumpe Kopie).
--------------------
(1) Der 8. Duke of Marlborough hatte meines Wissens nach keinen Spitznamen und schon ganz sichern nicht Pommy (was eine abfällige Bezeichnung der Australier für die Engländer ist), war aber ansonsten ein typischer Vertreter seines Standes, was schlimm genug ist, jedoch durchaus noch getoppt wurde von seinem Sohn, dem 9. Duke of Marlborough, der neben allem andern auch noch ein paranoider Antisemit war. Es lebe das englische Adelshaus und alle andern auch gleich mit…
(2) Earl Grey Tee wurde übrigens nicht von Charles, dem 2. Earl of Grey erfunden, sondern nach ihn benannt und so ganz klar ist nicht, ob es ihn 1877 schon gab. Ein Sozialist war er wohl eher auch nicht, aber er hat die Monopolstellung der Ostindien-Kompanie und die Sklaverei in den Kolonien aufgehoben, was für die Zeit wohl eher progressiv war.
29 Antworten