Pour l'Homme 1998 Eau de Toilette

Pazuzu
20.05.2011 - 07:59 Uhr
18
Top Rezension
10
Haltbarkeit
8
Duft

Pappsüßer Sommer / Die besondere Aura von Warteräumen

Es ist Mai und sonnig ist es geworden. Die Zeit der opulenten Winterkracher ist längst vorbei. Die vanillig-süßen Duftkunstwerke von der Haut verschwunden. Aber nun jeden Tag in ähnlich frisch-grünen Wässerchen baden? Dabei empfinde ich nicht genügend befriedigende Abwechslung. Auch fruchtige und blumige Noten hatte ich schon die Jahre zuvor. Da ist die Luft raus, nein schlimmer sie steht und gammelt schon. Irgendwie muss doch die eingeschränkte Auswahl zu erweitern sein. Warum eigentlich der pappigen Süße und dem schweren Orientalen ein halbes Jahr lang entsagen? Nein, an einigen Tagen darf der Sommer süß und klebrig sein!

Jacques Fath pour l'Homme bringt mir die erhoffte Abwechslung.
Der Auftakt zitrisch, nichts besonderes im ersten Moment. Doch was folgt ist ein ziemlich süßer, vanilliger Amber-Flash. Begleitet von einer unterschwelligen, niemals zu auffälligen Lavendelnote. Durchzogen und gebändigt wird der Duft jedoch von einer strengen, trockenen Holzigkeit. Eine vergleichbare, holzige Note findet sich in „Yohji Homme“ wieder. Ein recht synthetischer Vibe begleitet die Gesamtkomposition. Eigentlich ist künstlicher Plastikgeruch der selbstgewählte Todfeind Nummer Eins, doch hier trägt diese Ausprägung sogar dazu bei dem scheinbar gewöhnlichen Duft ein besonderes Flair zu verleihen.

Vor meinem inneren Auge entsteht ein Raum. Sonnenstrahlen fluten durch die Jalousien und lassen die vielen Staubpartikel in der Luft sichtbar werden. Vergilbtes Papier, Akten und Linoleum Boden. Die Tische scheinen mit Holzpolitur eingerieben worden zu sein. Eine Art Honigduft geht davon aus. Niemand ist da, alles scheint verlassen und doch bewohnt zu sein. So vertraut und zugleich fremd ist mir der Geruch. Jeder kennt diese Warteräume und Vorzimmer. Sei es ein Sekretariat, der lange Gang einer Behörde, ein ungenutzter Raum im Museum, oder der Lesebereich Eurer Stadtbücherei. An einigen Sommernachmittagen ist alles verlassen, öde, still. Und gerade diese Räume laden dann mit ihrer Kühle und Ruhe zum Verweilen ein. Abenteuerlich und mystisch sind keine Worte die normalerweise an solche Orte passen, aber es gibt für mich Momente in denen sich alles umdreht. Sowie ich manchmal Süße im Sommer will.

Jacques Fath pour l'Homme ist ein Parfum, welches in jede Jahreszeit und zu jedem Geschlecht passt vorausgesetzt man mag den synthetisch-nostalgischen Vibe, der davon ausgeht. Der Duft haftet und hält sehr lange auf der Haut und die holzigen Noten lassen nie ganz nach. Sparsam sollte dennoch dosiert werden, da die Süße sonst zu anstrengend werden kann. Das Eau de Toilette bestellt man am besten günstig im Outlet.
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