Serenissima
29.10.2019 - 09:38 Uhr
10
Top Rezension
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

so gar nicht auf dem Holzweg

Als einziger Duft aus der mir von Turandot überlassenen Proben-Kollektion von Jean-Michel Duriez entzog sich "W/ood Musk" immer wieder dem Testen. Dabei ist er Gelis doch schon versprochen.
Warum er das tat, ist unerklärlich: Grund, sich zu verstecken hat dieser Duft-Kraftprotz eigentlich nicht.

Ja, "W/ood Musk" ist einer der kräftigeren Düfte.
Im Gegensatz zu den anderen dieser Marke merklich dunkler, holziger und eigenständiger.
Holz und Rauch und eine sehr robuste Tabaknote zeigen sich sofort: sie eröffnen diese Duftkreation und werden bis zum Schluss treu und fast unverändert bei mir bleiben.
Rote Beeren und helles Birkenholz leuchten einen Augenblick aus dem Hintergrund auf, ehe sich Safran - nicht geizig dosiert - und eine schöne, wertvolle Duftrosen-Nuance zeigen.
Zusammen mit der wie immer leicht pudrigen Iris (diese eitle Dame hat ihre Puderdose wirklich ständig griffbereit!) begleiten sie nun das schon bekannte Trio und verleihen ihm eine gewisse Weichheit.
Die Puderschicht der Iris tut diesem Duft sehr gut; er wird gleichzeitig heller, anschmiegsamer - harte Ecken werden überdeckt bzw. abgeschmirgelt.
Papyrus lichtert immer wieder durch dieses Duftgewebe, das sich, trotz aller Macht der ausgewählten Aromen, sehr menschenfreundlich zeigt: nichts hier ist lästig, vorlaut oder erdrückend!
Gewürznelke legt sodann eine kräftige Spur zum gefühlten Höhepunkt: erst einmal zeigt sich aber Zeder wieder von ihrer sympathisch silbrigen Seite: seidig-holzig und würzig.
Die beiden "Räuchermännlein" Myrrhe und Weihrauch schließen sich an, bevor, diesmal mit wenig Stallduft behaftetes Oud und - hier stimme ich Yatagan wieder einmal zu! - angenehm "menschelnder Moschus" den Abschluss bildet.
Diese zwei Duftelemente schließen einen Duftkreis, der nun ohne Anfang und Ende zu sein scheint.
"W/ood Musk" fühlt sich an, als könnte man überall in diese Komposition einsteigen: alles scheint auf dem gleichen harmonischen Level dahinzufließen.
An ein sich langsam drehendes Duft-Karussell erinnernd, das an jeder gewünschten Station angehalten werden kann und zum Mitfahren einlädt.

Duriez' "W/ood Musk" ist schon etwas speziell: zuerst zeigt sich ein machtvolles Wesen, das bei näherer Bekanntschaft seine weiche Seite offenbart und dann sogar für viele Stunden ein angenehmer Begleiter ist.
Wer Holz, Rauch und Tabak in Duftform mag und sich einer blumigen Zartheit nicht verweigert, der wird nicht enttäuscht werden.

Wie eigentlich alle der mir bisher bekannten Duftkreationen von Jean-Michel Duriez ist auch "W/ood Musk" kein Eyecatcher oder besonders außergewöhnlich.
Auch hier treffe ich ein sorgfältig komponiertes Duftwesen, in dem Kunstfertigkeit, Liebe zum Duft, Leidenschaft und erzählende Phantasie zum Ausdruck kommen.
Ein ruhig dahinfließender dunkler Duftstrom mit einem etwas rustikalen Charme ausgestattet und interessanten, harmonisch gemixten Inhaltsstoffen offenbart sich mir.
Ich lasse mich gern einige Zeit von ihm begleiten, bevor er dann auf die Reise Richtung Küste gehen wird und es dann heißt:
Au revier, chèr Monsieur!
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