Fir Balsam

Yatagan
24.04.2017 - 13:48 Uhr
41
Top Rezension
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Im tiefen Wald und anderswo

Unkommentierte Düfte No. 98

Derzeit gibt es einen kleinen Hype um Walddüfte und während mir die meisten Hypes eher suspekt sind, freue ich mich in diesem Fall wirklich mit, denn ich mochte schon immer Parfums, die Assoziationen an Waldeinsamkeit, Unterholz, Dickicht, Grün, Holz, Baum, Moos, Rinde und feuchte Erde auslösen konnten.

Während wir Waldbewohner und -liebhaber früher schon froh waren, wenn es einige Fougères oder Düfte mit heftiger Moosbasis gab, die diese Assoziationen beschworen, hat sich heute die Zahl der authentisch riechenden Walddüfte ungeheuer vergrößert. Da gibt es einige Marken, die keinen Einblick in ihre Rezepte gewähren und die Komposition eines nach Baum, Waldboden und Gehölz riechenden Parfums vermutlich auch mit Synthetik bewerkstelligen; andererseits gibt es in diesem Genre inzwischen auch einige Manufakaturen, die auf Hardcore-Natur setzen, allen voran die Colognes / Raumdüfte von Juniper Ridge, bei denen man das Gefühl haben kann, dass die wilde junge Meute, die das Zeug herstellt, die Pflanzen kurz nach dem Sammeln aus den von langen Klettertouren noch schrundigen Händen gleich vor Ort in den Topf oder die Destille kippen, um keine Zeit zu verlieren, die authentischen Aromen von Wildpflanzen und Bäumen einzufangen.

Mir ist das egal. Ich erwarte zwar von einem Duft, dass er keine Hautirritationen und Allergien auslöst (ich empfehle zur Kontrolle immer codecheck.info) aber wenn ihm das mithilfe synthetischer Rezepturen gelingt, ist es auch gut. Genaues weiß sowieso keiner. Im Falle von Antichambres Fir Balsam kann ich nicht sagen, wie es sich verhält, aber eines steht fest: Das ist einer der besten Walddüfte, die ich jemals gerochen habe.

Ich würde mich freuen, wenn die Antwortenden auf diesen Kommentar mal den Versuch machen würden, hier unten die schönsten authentischen Walddüfte aufzulisten, und ich nenne mal einige vorab, damit das schon mal gesagt ist.

Ganz wunderbar ist (Tomayas) Divergent "Im tiefen Wald", der ja schon von Meggi mitsamt seiner Schwesterndüfte ausführlich in einem Blog zu Divergent gewürdigt wurde. Sehr empfehlenswert auch die YouTube-Besprechungen von Siebter! Wer den kennt: Fir Balsam ist ziemlich ähnlich. Welcher besser ist? Manche sagen so, manche so.
Daneben haben wir die Düfte von Juniper Ridge, die ich jetzt nicht alle aufzähle, weil sie oft in diese Richtung tendieren.
Auch Soivohle hat einige Colognes dieser Art im Portfolio, so dass ich mir jetzt auch hier erspare, diese zu nennen und womöglich noch zu differenzieren.
Gleiches gilt für einige Dürfte von CB I Hate Perfume, die zwar auch ganz anderes im Programm haben, aber die schon sehr früh auf Geruch (Wald, Moder, Waldboden, Pilze, Rinde...) statt "Duft" gesetzt haben. Ich finde das gut und ich weiß, dass es hier wieder einigen Widerspruch geben wird. Aber warum sollte man nicht GERUCH statt DUFT tragen? Duft meint ja sowieso erst mal nur Wohlgeruch, während Geruch im eigentlichen Sinne so ziemlich alles einschließt, auch den Geruch nach verwesender Kanalratte. Aber da gibt es ja etwas dazwischen, z.B. eben den Geruch nach einem wochenendlichen Waldspaziergang und der ist für mich allemal genauso schön oder sogar viel schöner als ein paar blöde Aldehyde oder eine Moschusbasis, die ich sowieso nicht mag.
Daneben gäbe es auch noch die feinen Parfums von Euphorium Brooklyn, von denen sogar einer heißt, wie er riechen soll, nämlich "Wald". Auch von dieser Marke gibt es noch so einige, die uns ins Unterholz locken wollen und die ich nicht alle nenne.
Auch den Waldboden entdeckt hat inzwischen Tom Ford, der mit seiner Luxusserie in diesem Segment unter der Rubrik 'Vert' wildert. Ganz wunderbar ist Vert d'Encens, der natürlich weniger authentisch als artifiziell, aber dafür nicht minder gelungen ist. Die anderen Verts sind nicht ganz so toll und noch weiter weg von der Idee Wald, aber auch spannend und allemal über langweiligem Durchschnitt, wie mir scheint.
Gleiches gilt für Slumberhouse Norne, Odin Tanoke und Knize Forest!
Einfallen würde mir dann auch noch Fir Balsam von Franck Boclet, der aber doch schon eher Kunst als Natur zeigt.
Good Fir von Krigler sei schon von 1911. Glaub ich aber so nicht.

Sicherlich wäre diese Kategorie auch einen Blog wert und vielleicht da sogar besser aufgehoben (und vielleicht mache ich ja auch noch einen Blog draus), aber erst mal geht es mir hier auch um die Würdigung von Düften wie "Im tiefen Wald" (den man hier ja - noch - nicht findet und deshalb nur mittelbar würdigen kann) und um Düfte wie Fir Balsam, der halt toll ist. Wie riecht er denn nun, - wenn man das wissen will, aber nicht weiß, wie "Im tiefen Wald" riecht, der bisher leider nicht allzu verbreitet ist?

Nun, ganz einfach, nämlich ziemlich nach dem Harz von Nadelbäumen: etwas scharf, mentholartig, wie Saunaaufguss, grünharzig, schwarzrindig, nadelholzig, baumfällig, waldspaziergangig. Also ganz einfach nach harzigem Tannenwald. Verstanden? Er riecht nach NATUR!

Drin soll sein Kiefer (klar, das Harz davon), Zeder (ja, klar, Holz passt), Blätter (da bin ich schon wieder skeptisch, wie man die da reinpacken will, ohne dass das ganz bitter wird: also doch Synthetik?). Außerdem kommt in der Basis noch so eine kleine, (aromachemie-)verdächtige süße Note dazu, die "Im tiefen Wald" nicht hat, der aber auch garantiert nicht synthetikfrei ist (warum auch?)! Beide Düfte kann ich allen nur wärmstens empfehlen.

Und nun gebe ich die Manege frei für Wald-Duft-Vorschläge. Dafür kann man sich jedes Lob zu diesem Kommentar gerne schenken!

Jetzt muss ich raus! Am besten in den Wald!
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