Sensual & Decadent LM Parfums 2015

Parfumkommentare sollten ja eigentlich eine halbwegs reflektierte Meinung zu einem Duft enthalten. Aber ganz ehrlich – hier gibt es nicht viel mehr zu sagen als «Oh mein Gott, das riecht aber so was von geil!» Denn mehr will man nicht sagen, wenn man Sensual&Decadent aufgesprüht hat, man will nur noch daran riechen. Hätte ich nicht nach dem Testen fluchtartig die Parfümerie verlassen, ich wäre innerhalb der folgenden drei Minuten um viel Geld ärmer geworden. Aber durch meine Flucht konnte ich dieses Ereignis noch verschieben (wie lange noch, das ist eine andere Frage).

Dazu ist noch Folgendes auszuführen. Eigentlich achte ich auf eine gute Ausdrucksweise. Auf einen differenzierten Ausdruck. Aber Sensual&Decadent lässt all meine rationalen Fähigkeiten verschwinden und wirft mich auf Ausdrücke wie «geil» zurück.

Aber dennoch, ich will (um kein «wenig hilfreich» zu ernten) mir Mühe geben und eine etwas differenziertere Annäherung an das Parfum versuchen, am besten über den Namen.

«Sensual» - oh ja, sinnlich ist es. Vanille ist einfach ein perfektes Aphrodisiakum. Das Obst aus der Kopfnote ist nur zu riechen, wenn man davon weiss. Ylang Ylang vielleicht, aber eher in Form von einer sinnlichen Ausstrahlung als von Blüten.

Der Witz an dem Parfum ist ja, dass es so einfach ist. Eigentlich ist es nur eine wunderschöne Vanille, perfekt untermalt mit Harzen und gaaanz leicht rauchigen Aspekten. Aber eben dies ist so genial ausbalanciert, wie ich es noch nie zuvor gerochen habe. Eine Vanille, die man einfach unbedingt haben will. Bei der kein rationaler Gedanke mehr möglich ist. Somit passt auch der fehlende Duftverlauf perfekt – nichts lenkt ab, es ist einfach beständig pure Sinnlichkeit.

Dekadent? Ja, in seinem Überfluss schon. Und in seiner Schönheit. Wohl auch in dem Bemühen, die Vanille, die schon ein natürliches Aphrodisiakum ist, als etwas von der Natur Kommendes und somit Unterlegenes anzusehen, das es durch den Einfluss des Menschen zu verbessern gilt. Es wird also durch Zugabe anderer Stoffe eine Art von idealisierter Vanille geschaffen, die deren Wirkung verstärkt.

Bei Dekadenz denke ich immer an «Gegen den Strich», DAS Werk der Dekadenzliteratur schlechthin. Des Esseintes, ein französischer Adeliger und Ästhet, der sich in sein Landhaus zurückzieht und sein Leben dort in aller Einsamkeit nach seinen Vorstellungen dekadent gestaltet, worüber er jedoch Neurosen entwickelt und immer mehr dahinsiecht. Schliesslich wird ihm zu einer Rückkehr in die Gesellschaft geraten.

Es hätte auch einen anderen, einfacheren (und schöneren) Weg gegeben – man hätte Des Esseintes nur eine Frau besprüht mit diesem Parfum vorstellen müssen. Der Rest hätte sich sogleich ergeben, inklusive Verschwinden aller Neurosen. Da bin ich mir ganz sicher.