Aesthete von Le Galion

Aesthete 2015

Torfdoen
02.12.2017 - 23:39 Uhr
13
Hilfreiche Rezension
8.5Duft 9Haltbarkeit 8Sillage 6Flakon

Was würde Karl Lagerfeld tun?

Von Le Galion ließ ich mir vor gut einem Jahr eine Probe von Aesthete zusenden, da ich den Mix Weihrauch und Bibergeil
in Aigners Silver so spektakulär fand und ich neugierig war, ob dieses Zusammenspiel auch in anderen Düften so oder so ähnlich ausfallen könnte.
Bibergeiler Weihrauch sozusagen. Ich war nicht ganz vorbereitet auf das, was dann kam. Kirschfruchtiges, knallrotes Leder, das sich ölig auf dem staubtrockenen
Asphaltboden verteilt. Geradlinig, schnörkellos, absolut kompakt. Kirsche und Leder. Irgendwie befremdlich, auch weil sich beides zu ähneln schien und so künstlich ausfiel. Deutlich zu süß war er für mein spontanes Empfinden. Also hoffte ich auf eine mir irgendwie gewogene Entwicklung, die ausblieb. Die Duftmoleküle fanden ohne Umschweife ihre festgefügte Form und verharrten. So direkt war mir das in noch keinem anderen Duft aufgefallen (und schon gar nicht im Aigner) und ich war etwas enttäuscht, hatte ich doch einen komplexen, maskulinen Duft erwartet (wie den Aigner).
Aesthete nahm sich dagegen geradezu uncharmant aus. Wie passte das zusammen, bei dem Namen?
Ich war mir also selbst auf den Leim gegangen und hatte erkennen müssen, dass auf der Welt nichts so ist, wie es scheint.
Allerdings: Eine gewisse Faszination blieb. Da ich jetzt Parfümkommentare schreibe, kann man nicht immer nur den leichten Weg gehen. Ich nahm
das Töpfchen in die Eine und verteilte vorsichtig kleine Tropfen auf den Rücken der Anderen.
Irgendwie musste doch zu diesem 'Schöngeist' vorzudringen sein.
Ein Pluspunkt meiner jetzigen Nasenausstattung war, schonmal Etros Gomma über den Weg gelaufen zu sein, der mir einen ganz neuen Ledertyp präsentierte, den ich auch in Aesthete wiedererkannte. Gummiartig. Lackiert. Sexuell leicht aufgeladen.
An der richtigen Frau, dachte ich, wäre mit dem gut Kirschen essen.
Was ich aber übersah und in meiner Gier nach traditionellen nuklearen Duftbomben nicht erkannte, war, dass die Strenge des Duftkonzepts
mir einen Ruhepol vorgegaukelt hatte, wo eine ganz allmähliche Entwicklung stattfand.
Da hatte wohl auch ich nicht mit besonderem Feingefühl geglänzt. Der Duft stand mir auf einmal gar nicht mehr so abweisend gegenüber.
Noch gab er mir nicht die Hand, blieb distanziert. Aber er ließ mich einen Blick in eine exklusive Sphäre werfen, die mir relativ uneigen ist.
Eine Vernissage kam mir in den Sinn oder eine Cannes-Aftershowparty. Modeschöpfer. Androgyne Jünglinge und Skulpturen.
Karl Lagerfeld oder Vivienne Westwood? Ich weiß es nicht so recht. Beide hätten sicherlich die Reife und den gewissen Anspruch, als auch das Nicht-von-dieser-Welt, Marke Eigenkreation. Vielleicht ein aufstrebender Jungstar. Auf jeden Fall nichts für Jogginghosenträger oder Kapitalistenschweine. Man muss aromatischen Kirschnektar mögen. Und langsamen, trockenen Rotwein.
Und nach der langen Party? Kommt, wenn man möchte, die Bibergeilheit. Man kann aber auch im dunkelroten Samtpyjama auf dem Bett liegenbleiben und über künstliche Lebenswelten nachdenken, bis einem die Äuglein zufallen.
5 Antworten
ParfumNobileParfumNobile vor 6 Jahren
Dunkelroter Kirschsaft. Das rieche ich auch raus. Aber nur in den ersten 5 Minuten. Danach zeigt er sein wahres Gesicht ;-)
TorfdoenTorfdoen vor 8 Jahren
@ 0815abc: Nicht? Interessant. Wie würdest Du den beschreiben? @ClarasTante: Falls Du zufällig in der Umgebung Mainz wohnst, könnte ich mal in aller Öffentlichkeitan an Dir vorbeihuschen;)
ClarasTanteClarasTante vor 8 Jahren
Kunstlederpokal und gefällt mir! Kann den mal bitte jemand tragen und an mir vorbeischarwenzeln?
0815abc0815abc vor 8 Jahren
Deinen Kommentar hab ich sehr gern gelesen.Kirsche gesellt sich auf meiner Haut nicht hinzu.Schöngeistpokal.
ExUserExUser vor 8 Jahren
Sehr informativer Kommentar. Wie hat sich da bloß der Kirschnektar reingeschlichen? Auf Duftnoten ist auch kein Verlass mehr.