Tabac 28 2019

DonDonDon
06.05.2022 - 11:41 Uhr
4
Hilfreiche Rezension
9
Duft

Die Zigarren des Pharao

Es war einmal ein belgischer Comiczeichner namens Georges Prosper Remi, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Hergé. Seine vielteilige Abenteuerreihe „Tim und Struppi“ behandelte die Abenteuer des jungen Reporters Tim und seines Hundes Struppi. Es ging bei diesen in aller Herren Länder, wobei es dann zahllose Herausforderungen und Gefahren zu meistern galt. Mein Onkel Uli schenkte mir im Laufe meiner Kindheit nach und nach alle Bände der Reihe, und so sind viele prägende Jahre mit dieser Lektüre verbunden. Es gibt unter den mehreren Dutzend Bänden eine Episode, die den Titel „Die Zigarren des Pharao“ trägt; darin spielen mitunter Zigarren eine Rolle, deren Bauchbinden und Kisten mit einem geheimnisvollen Symbol versehen sind, dem Zeichen für Yin und Yang nicht unähnlich. In einer Sequenz der Geschichte betritt Tim in der Wüste einen geheimen, gewölbeartigen Bunker, in dessen Keller sich Kisten mit diesen Zigarren befinden (zumindest erinnere ich das so) und auf irgendeine Weise hat mich die ganze Geschichte so gepackt, dass ich (als Kind!) fortan beschloss, Zigarren zu sammeln. Das begann initial damit, dass ich mal an einer echten Zigarre im unangezündeten Zustand riechen durfte und den Geruch sehr angenehm fand. Man muss dazu wissen, dass meine Eltern und ich damals mit den Großeltern mütterlicherseits in einem Haus lebten, und mein Großvater (Jahrgang 1890) war ein Gentleman alter Schule, der, obwohl er selbst nie geraucht hatte, Gästezigaretten und -zigarren in seinem Schreibtisch vorrätig hatte. Im Laufe der Zeit habe ich dann eine kleine Sammlung verschiedener Zigarren zusammengetragen, die ich einerseits aus Großvaters Gästevorrat, andererseits aus feierlich erbetenen Zigarren von Gästen, die eigene mitgebracht hatten, bezogen hatte. Die Erwachsenen um mich herum ließen mich damals gewähren. Sie hielten dieses Interesse für etwas eigentümlich, aber völlig harmlos, zumal ich anfangs keinerlei Interesse zeigte, diese Zigarren zu rauchen, was wiederum damit zusammenhing, dass der Geruch nach dem anzünden ein völlig anderer war, als jener, den ich so schätzte im unangezündeten Zustand. Irgendwann fand ich im Stadtteil dann zu allem Überfluss noch einen Tabakhändler, bei dem ich von meinem Taschengeld die billigsten Zigarren kaufen konnte (Marke „Handelsgold“) und der an meiner Story („die sind für meinen Opa“) weder etwas auszusetzen, noch Skrupel hatte, mir als Minderjährigem die Ware zu überlassen. 1970er Jahre halt, alles noch etwas anders als heute. Das Ende meiner Sammellleidenschaft kam dann, als mich mein Vater, als ich etwa 12 Jahre alt war, beiseite nahm und dann feierlich fragte, ob ich nicht mal eine dieser Zigarren rauchen wolle. Ich war, trotz meines Wissens um den weniger angenehmen Geruch des brennenden Tabaks, hellauf begeistert und suchte die größte aus meinem Fundus aus. Das Folgende geriet dann zum pädagogisch mehr oder weniger wertvollen Lehrstück, bei dem ich nach der Hälfte der Zigarre, in schon sehr schwummerigem Zustand, bedient aufzugeben wünschte, worauf mein Vater zu bedenken gab, dass „das Beste doch im letzten Stück“ stecken würde. Am Ende kotzte ich ins Gebüsch unseres Gartens, war eineinhalb Tage krank und meine Sammelleidenschaft war dahin. Die gute Nachricht ist nun die, dass meine Rezension zu „Tabac 28“ von Le Labo sich auf die Zeit VOR diesem unglücklichen Ende meiner Zigarrenaffäre bezieht. Dieses Geheimnisvolle und Wunderbare, das den fest zur Zigarre gerollten getrockneten Tabakblättern entströmte, die tollen hölzernen Kisten mit den verzierten Labeln, die Miniatur-Bauchbinden, die kleinen Königswappen glichen – all das kommt wieder, wenn ich Le Labos „Tabac 28“ rieche. Eine tolle Wiedergabe dieses Themas, die gelungenste, die ich bisher im Parfümbereich kennen lernen dufte. Wie mir zu Ohren kam, gibt es den Duft wohl ausschließlich im Ladengeschäft in Miami, USA – lediglich im September jeden Jahres würde man ihn zum globalen Versand anbieten. Ein Umstand, der gut zu meinen Erinnerungen an die geheimnisvollen und seltenen „Zigarren des Pharao“ passt. Ebenso, wie dass der Duft zu den nicht ganz günstigen Produkten der Parfümwelt gehört. Da fügt sich doch so einiges, oder? Bleibt zu sagen, dass mir „Tabac 28“ für den Dauergebrauch zu monothematisch und auch etwas zu süß wäre, aber das ist schon alles völlig okay so. Ein Parfüm für gewisse Stunden eben, aber vor allem eine tolle Erinnerung an die Kindheit, bevor sie von der Realität der Erwachsenen eingeholt wurde. Danke dafür.
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