Thé Noir 29 2015 Perfume Oil

Rebirth2014
27.03.2021 - 20:46 Uhr
10
Top Rezension
0
Preis
2
Flakon
1
Sillage
5
Haltbarkeit
1
Duft

Der Flohzirkus von New York


„Meine Damen und Herren, schauen Sie, wie unser Flohmeister - Le Labo - an seiner Duftorgel ganz natürliche Duftstoffe mischt! Wie? Sehen Sie nicht? Nun, das muss an Ihren Augen liegen. Ich bitte Sie, wir haben es bis nach New York geschafft! Wie wären wir wohl zu diesem Ruhm gelangt, wenn meine Flöhe nicht das täten, was ich Ihnen hier gerade beschreibe!“

Natürliche Inhaltsstoffe sind im Trend. In kleine Apothekerflaschen, aus Braunglas, (Achtung, jetzt wird es sperrig!) werden - natürlich - natürliche - Parfums ganz - natürlich - eingefüllt; -natürlich - besonders dann, wenn sie aus dem einzigartigen Grasse kommen. - Natürlich! -

Das dachte man sich wohl auch im Flohzirkus - Le Labo - und nutzte von da an besonders hässliche Flakons um das (schon klar was jetzt kommt?) - natürliche - Image der hauseigenen Floh-Lockstoffe auch optisch einfangen zu können.

Nun, auch ich besuchte jüngst diesen Flohzirkus. Dort wurde mir ein einzigartiges Bade- und Massageöl mit einem Duft, der an frisch auf die Erde gefallenen Regen erinnern sollte, präsentiert: Baie 19.

„Nicht schlecht!“, dachte ich: „Da steckt Kreativität dahinter!“ Doch dann begann mir der Floh-Dompteur etwas über die sagenhafte - Natürlichkeit - seiner Produkte zu erzählen. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe (schön aufgelistet auf dem Etikett) bestätigte in großen Teilen seine Aussage. Aber warum befand sich dieses Öl ausgerechnet in einer Plastikflasche?

Mit diesem Sachverhalt konfrontiert, lachte der Mann verlegen und erwiderte sofort: „Ach, verzeihen Sie, da hat unser Floh Baie, in der 19. Generation, leider einen winzig kleinen Fehler gemacht!“

Sofort schob er mich zur Seite und gab mir eine Alutube mit einem Aftershave-Balm in die Hand. Er flüsterte verschwörerisch: „Sehen Sie hier, aus der Floh-Grooming-Abteilung. Nachhaltig, aus Aluminium produziert. Ein Balsam mit toller Pflegewirkung. Nur - natürliche - Zutaten. Keine Parabene und so ...“

Mein Blick fiel gleich auf die Angabe der Inhaltsstoffe. Wer hätte es gedacht? Bereits die zweite Zutat, nach Wasser, war das sehr - naturfremde - Silikonöl.

„Da müssen Ihre Flöhe noch einmal an die Rezeptur! Von Natur? Keine Spur!“, bemerkte ich zynisch.

Wieder die nervösen Zuckungen um seinen Mundwinkel und das peinlich gackernde Lachen: „Aber, aber, mein Herr! Wer wird denn gleich so kritisch sein? Die Absicht zählt. Unsere jüngsten Flöhe sind dafür verantwortlich. Die bekommen heute zur Strafe kein Blut von mir, dann machen die morgen schon wieder ihren Job so richtig gut.“

Schweigen. (Er errötete sogar)

„M...? (Räuspern) Mö.. mö.. mögen Sie schwarzen Tee?“, fragte der Dompteur und Schweißperlen tropften nun aus seinem Zylinder.

„Sehr gerne.“, antwortete ich so freundlich, wie es mir noch möglich war.

Gut, das war gelogen, denn eigentlich mache ich mir nichts aus Tee. Doch für den angespannten Zirkusdirektor waren meine Worte eine sichtbare Erlösung. Er stampfte in die Manege, führte sonderbare Handbewegungen (mit einem der Flöhe?) aus und kam mit zwei Flakons zurück.

„Das ist nun etwas ganz Besonderes! Unser äußerst begabter Floh - Thé noir, bereits in 29. Generation - bat mich Ihnen dieses exklusive Parfum zu präsentieren.“, sagte der nun wieder - unnatürlich - fröhlich gestimmte Flohfürst.

Er sprühte mir etwas auf das Handgelenk. Zwar war diese Komposition nicht mehr ganz so einzigartig und kreativ, wie das Gebräu vom kleinen Baie aus der 19. Generation, jedoch immer noch ein solides Parfum, das tatsächlich schön das Schwarztee-Aroma mit Feigen und trockenem Holz vereinen konnte.

„Ahhh, es gefällt Ihnen. Dachte ich es mir doch.“, atmete New Yorks berühmtester Flohmanager auf: „Ich sehe es Ihrem Gesicht an!“

Die Grimasse des Herrn, die vermeintlichen Floh-Parfumeure und die ganze erdrückende Stimmung im Zirkuszelt schienen mich zu verwirren. War dies nun großes Kino, was ich roch, oder doch nur ein beliebiger Duft?

„Nun, das ist nicht schlecht. Aber ...“, versuchte ich behutsam zu analysieren, doch schon fiel mir der Herr Direktor ins Wort: „Mein Herr, bitte, kein Problem. Ich kenne Sie jetzt!“

Der zweite Flakon, mit einer Pipette, wanderte schnell in meine Hand. „Sie wollen unser - natürliches -Image in Frage stellen? Ganz klar. Das ist Ihr gutes Recht. Doch mit diesem einzigartigen Parfumöl entlasse ich Sie nun aus unserem famosen kleinen Flohzirkus. Gehen Sie und genießen Sie zu Hause diesen Nektar von Mutter Natur, der mit feinstem Distelöl erschaffen wurde. Spenden Sie zum Abschied unserem kleinen Star, Thé noir 29, noch einen Applaus (und 130 Euro). Dann, husch, husch, RAUS!“

Bevor ich wusste, wie mir geschah, stand ich im heimischen Badezimmer und schraubte den Verschluss des Medizin-Fläschchen auf. Schon beim Öffnen tropfte das Öl ungewollt aus der Pipette und hinterließ hässliche Flecken auf meinem Hemd. Doch es roch kaum. Was war das? Ganz leicht vernahm ich das Aroma von - Thé noir -, jedoch ohne jene Magie der Flöhe. Der Eigengeruch des Distelöls überlagerte sogar fast die Aura des Parfums.

Nun träufelte ich mir 7 Tropfen auf das Handgelenk, bis ich merkte, dass dieses Öl nur auf der Haut stehen blieb. Gewissenhaft versuchte ich es einzumassieren, was mir jedoch nicht gelingen wollte. Letztendlich nahm der Stoff meines Hemdes die schmierige Substanz auf.

Immer noch nahm ich olfaktorisch kaum etwas wahr. Mit der Zeit entwickelte sich zwar eine leichte Ahnung des Duftes, die jedoch sehr hautnah und dezent blieb.

Ich machte es mir auf dem Sofa bequem und versuchte meine Eindrücke und die aufkeimende Frustration zu verarbeiten, als es an der Stelle, auf dem ich das Öl aufgetragen hatte, zu stechen begann. Ständig erfolgten kleine Nadelstiche, doch ich war dermaßen müde, dass ich umgehend einschlief.

Erst am nächsten Morgen wurde ich wach. Hypnotisch führte ich meinen Arm zur Nase und wunderte mich, dass der Duft immer noch wahrnehmbar war. Haltbarkeit besaß er; nur keine Sillage.

Als ich jedoch auf den Arm blickte, sah ich unzählige kleine Flohstiche, die Buchstaben formten. Im ganzen Zusammenhang stand dort in roten Pusteln: „Ein Hauch von Nichts. - Natürlich! - von Le Labo."
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