Amyris

Amyris Homme 2012 Eau de Toilette

MNGR
16.05.2021 - 03:33 Uhr
3
6
Preis
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Die kontrollierte Versuchung

Wie so oft bei Düften, sind es einzelne Noten einer Kompostion, die besonders eindringlich in Erscheinung treten und nichtsdestoweniger eine gewisse Ähnlichkeit zu bereits bekannten suggerieren. Ob tatsächlich dieser eine Bestandteil (Note) oder das Zusammenspiel mehrerer (Akkorde) der Pyramide dafür verantwortlich gemacht werden können, ist fraglich oder besser, nicht erwiesen. Wie, wann, wodurch und weshalb subjektive Assoziationen hervorgerufen werden, ist meines Erachtens ein äußerst neuropsychologischer Prozess, der von Mensch zu Mensch anders abläuft und folglich eher nicht mit einem standardisierten Modell erklärbar gemacht werden kann.

So bleibt es nicht aus, dass man von Zeit zu Zeit grübelt und sich gar den Kopf darüber zerbricht, wo dieser oder jener Eindruck bereits schonmal wahrgenommen worden ist. Manchmal kommt es zur Erkenntnis. Häufiger bleibt diese jedoch aus.
Vielleicht ist es ein sinnliches Paradoxon, womöglich aber auch nur eine weitere (mehr oder weniger) ungeschulte Nase, respektive ein unerfahrenes olfaktorisches Bewusstsein.
Gefangen in dieser, als unbefriedigend empfundenen Situation des Aufgeschmissenseins, ist jener Gedanke vielleicht ein tröstlicher: das Erinnern eines Geruchs und das Unvermögen, diesen gewissenhaft und treffsicher zuzuordnen, entspringt einer evolutionären Handreichung, die dabei helfen soll, lebenslänglich Neues entdecken zu können. Sozusagen eine genetische Weichenstellung, eines all-gemeingültigen Vergessensprozesses. Dieser kann seines Zeichens als wahrlich lebenserhaltende Einrichtung angesehen werden, ist er doch nichts weniger, als der Ursprung fortwährenden Erfreuens an alltäglichen Ereignissen.

So oder so ähnlich kann die Einleitung eines Beitrages aussehen, wenn sich das Beschreibungsvorhaben in einen Erklärungsversuch verkehrt, der „weit draußen“ auf einer ganzheitlichen Abstraktionsebene zu verwurzeln ist.

Dass MFK Amyris Homme (EdT) in meiner subjektiven Wahrnehmung unmittelbar damit in Verbindung steht, rührt weniger von der Zustimmung der, zuvor aufgestellten und zugegebenermaßen bewusst steil formulierten These, als vielmehr daher, dass es sich hier letztlich doch anders zugetragen hat.

War ich gestern noch gänzlich in der Bestätigung dieser These gefangen, kann ich sie heute zum ersten Mal relativieren, wenn auch nicht gänzlich widerlegen. Die fortwährende Auseinandersetzung mit der Duftdynamik ermöglicht mir die, anfangs im verborgenen geglaubte Assoziation, mit Blick auf die zeitliche Entwicklung im Drydown doch noch herzustellen. Dieser setzt m.E. aufgrund einer eher mäßigen Haltbarkeit, recht rasch, wenn auch unvermittelt ein. Nämlich genau dann, wenn die eher kopflastige, maskuline Frische verflogen ist und auch die beruhigende Frische- und Sauberkeit-ausstrahlende Iris (Schwertlilie) gefühlt nach hinten tritt. Was dann kommt, ist die im Titel bereits angekündigte Erhabenheit und wahrlich kontrolliert-gehaltene Verführungsambivalenz. Der Duft erscheint nun wenige Nuancen dunkler, wenngleich nicht unbedingt schwerer. Die eintretende, abgerundete Süße der Tonkabohne macht das Erscheinungsbild unheimlich seicht und harmonisch. Mich erinnert die Entwicklung des MFK Amyris Homme hin zur Basis in Ansätzen an einen prominenten deutschen Designerduft, der in einem transparenten, mit großen Lettern geprägten Glasflakon daherkommt. Im Gegensatz dazu tritt die Performance beim MFK wesentlich gesetzter und subtiler in Erscheinung.

Letztlich sind beide natürlich ein eher ungleiches Paar, da Aufbau, Pyramide und nicht zuletzt die damit in Verbindung gebrachte Zielgruppe - sicher auch preislich begründbar - doch einige Differenzen aufweisen. Was der Eine so unbedingt will, trägt der Andere eher subtil zur Schau. Mit einer sehr feinen, umgarnenden und cremigen, in Teilen vanillig-anmutenden Note, schlägt er „gen Ende“ die leisen, aber doch einvernehmlicheren Töne an. Das ist insgesamt rund und angenehm.
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