Louce
21.04.2013 - 07:52 Uhr
5
Flakon
10
Sillage
10
Duft

Der vergoldete Mann

Ambre Doré ist die Einlösung des Versprechens, das uns "Amber Oud" von by Kilian gab, aber nicht (auch nicht halb) hielt.
Weiterhin ist es ein Duft, der sich nicht der grimmen Oud-Dominanz beugt, sondern Amber folgt und es schafft, dass sich sogar das selbstherrliche Oud überraschend diszipliniert nach dem Takt des Ambers wiegt.
Und es ist der männlich-erotische Amber, der unter den vielen süß-harmonisch-gemütlichen, häufig eher weiblich duftenden Amberparfums markant und verdammt anziehend hervorsticht.

Amber und Oud sind Noten, die ich gut kenne und oft selbst trage. Bei beiden interessiere ich mich für die generellen Entwicklungen und Ausprägungen, die sie in den letzten Jahren erfahren haben und schon länger hatte ich die Parfumidee, oder vielmehr den Parfumwunsch, mal diese beiden mächtigen, großen Orientalen in einem Duft vereint riechen zu können.
Mit großer Erwartung also testete ich letztes Jahr „Amber Oud“ von by Kilian… und war enttäuscht. Calice Becker hat die Aufgabe gelöst, indem sie beide Stoffe runter gedimmt hat bis zur übersoften Breiigkeit. Alle reizvollen Kanten, alle provokanten und attraktiven Ecken beider Powerdüfte wurden so lange geglättet, bis die zwei kastrierten Protagonisten so nett und harmlos waren, dass sie mit ein wenig zusätzlich besänftigender Vanille bedenkenlos zusammen gemischt werden konnten.
Ganz anders hier:

Unmittelbar nach dem ersten Sprühen ist ohne Zweifel klar: Das hier ist ein Amberduft!
Eine trockene, aufgefrischt-süßliche Ambernote nimmt sich Raum und zeigt bald eine zunächst sehr dünne, dann langsam etwas stärker werdende herbe Schokoladigkeit. Sie erinnert deutlich an den Amber von „Ambre Précieux“ und passt zu der Aussage von Jean-Paul Millet Lage im Parfumo-Interview, dass es einen speziellen „Hausamber“ gibt, seinen Lieblingsamber, mit dem er grundsätzlich in der Amberrichtung arbeitet.
Nachdem man den charaktergebenden Amber kennen gelernt und sich im Duft etwas orientiert hat, ist da plötzlich etwas anderes zu bemerken: Ein harter, klarer, kräftig und richtig rabiat wirkender Oud-Impuls stellt sich gegen den vorgegebenen Strich. Huch! Irritierend und rebellisch kommt da etwas auf gegen die dunkel-trockene Weichheit der Hauptnote.
Jeder angelegten Süße wird jetzt widersprochen.
Das harmonische Fließen, dem man bisher riechend folgte, stockt.
Schluss mit Kuschellaune…. alle Antennen werden ausgerichtet, alle Aufmerksamkeit konzentriert.
Und jetzt beginnt eine stufenweise Harmonisierung. Langsam findet eine fortschreitende Versöhnung statt, ein Mischen und Glätten, bis der Oudaspekt gemäßigt ist. Das Mildern und Beruhigen, das Zähmen des Oud ist aber keine Unterdrückung. Kein Kampf, der mit der Unterlegenheit des einen Gegners endet, sondern eine ganz sanfte, zärtliche Entwaffnung.
Die beiden, auch hier eingesetzten, notorischen Oud-Begleiter, Safran und Koriander sind nämlich auch ganz hervorragende Amberpartner und grundsätzlich gewillt, überzulaufen. Sie bilden so eine Anknüpfungsstelle und verbinden die beiden Akkorde. Eine süße-herbe Myrrhe kann ich riechen, die hinzukommt und hierbei unterstützt.
Mit dem Drydown ist es erreicht: Der Oud-Anteil fügt sich der Ambermelodie. Noch erkennbar Oud, aber in einer nachgiebigen und fügsamen Art, die man sonst nicht kennt.
Und nun, nach der Befriedung des Oud, entfaltet der Duft seine ganze Pracht: Er glänzt golden.
Die Vergoldung des Ambers im Namen „Ambre Doré“ ist nicht nur ein hübscher Produktname, sondern tatsächlich Programm. Ein sondergleichen warmer, schwerer Glanz, ruhig, aber sehr kraftvoll, durchzieht jetzt den Duft.
Ambre Doré wird rund und wohlproportioniert. Ausbalanciert. Dennoch ist Oud immer noch ein erkenn- und identifizierbarer Aspekt. Allerdings kein eigener mehr, sondern perfekt integrierter Teil eines Ganzen.
Tief, warm, dunkel und sehr amberig beeindruckt dieser schöne Duft jetzt bis er vergeht, wobei die gute Haltbarkeit nicht durch ein Auseinanderfallen des Duftes begrenzt ist, sondern das Ende einfach ein schwächer und immer schwächer Werden ist.

Ambre Doré erzählt die spannende Geschichte von der Mäßigung des Oud und seiner Unterordnung unter Amber, um dadurch einen wundervollen sinnlichen Goldglanz hervorzubringen.
Diese Geschichte von Zähmung, von Härte und Kraft, die sich in Widerspruch zu Weichheit und Anmut erst aufstemmen und dann ganz langsam durch Zärtlichkeit und weiche Bindung schrittweise korrumpiert werden, bis das Oud in ein Ganzes eindringt und darin aufgeht, passt ausgezeichnet zu Bildern von Männlichkeit, so dass ich den Duft eher männlich nennen möchte, bzw. den vollen Genuss dabei habe, wenn ich ihn nicht an meiner, sondern der Haut des Liebsten rieche.
In dieser Kombination fordert und bekommt Ambre Doré all meine Aufmerksamkeit.
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