Noire

Aube Rubis 2015

Louce
13.03.2015 - 18:32 Uhr
7.5
Flakon
7.5
Haltbarkeit
9
Duft

Kir Patchoul

Was da beim Erstkontakt entgegen kommt, besticht sofort: eine enorm positive, freudestrahlende, lebhafte Frucht, die ein olfaktorisches „Ja, ja, ja!“ trällert.
Die unbestreitbare Hauptrolle in diesem bejahenden Fruchtbouquet hat Cassis. Die Duftnote Schwarze Johannisbeere ist der Geschmacksnote ziemlich ähnlich: Sie bringt eine tiefe, dunkle, beerige Süffigkeit mit einer darauf tänzelnden, spitzen Säure und hat einen blank-glatten, leicht metallisch anmutenden Aspekt mit einem Quäntchen ätherischen Echos.
All das kann ich im Start von Aube Rubis ausmachen (in den ersten Momenten unterstützt von irgendeiner Bergamotten-Grapefruit-Kombo) ...
… und noch etwas anderes, nämlich Patchouli. Das schwant von Anfang an hinter der Cassisfruchtnote herum. Und überraschenderweise verdirbt es mir nicht geradewegs die Freude an der appetitlich strahlenden Beere. Nein, meine Duftnemesis Patchouli braucht nur kurze Zeit, um neben die Cassisnote ins Rampenlicht zu treten, verbündet sich dort mit ihr ohne nötige Annäherungsphase und duftet ab sofort harmonisch und gleichgesinnt mit der schönen Frucht.
Etwas verwirrt bin ich jetzt: Das ist unverkennbar richtiges, echtes Patchouli. Nicht gezähmt, gemildert und salonfähig gemacht, um es besser mit anderen Noten verkuppeln zu können, sondern eindeutig wieder erkennbar und typisch. Aber gleichzeitig ist es fröhlich, dynamisch, ohne Kellermuff oder nekrophilen Grufthauch. Die schwarze Johannisbeere tut dem Patchouli so gut! Sie bringt die Aspekte des Patchoulis zum Leuchten, die im Regelfall untergehen in der feucht-erdigen, pflanzlich-sekrethaften und modrigen Wucht. Patchouli hat auch etwas außergewöhnlich Lebendiges. Es riecht gewissermaßen „wuselig“, schwungvoll, drängend, energetisch. Es hat Power. Ganz viel Bewegung. Diese Potenz wird von der Cassisnote in Aube Rubis effektvoll in Schwingung gebracht. Das Ergebnis ist ein überraschend fröhliches, ungemein bewegtes Patchouli. Alle meine Patchoulivorurteile sind dahin und ich erlebe ziemlich gespannt den weiteren Duftverlauf.
Das kongeniale Zusammenspiel der beiden Akteure Cassis und Patchouli hält lange an. Es ist die prägende Hauptlinie des Parfums. Ab der Duftmitte wird die Frische der Fruchtigkeit naturgemäß matter, aber der Charakter hält sich weiterhin: Süß-sauer-fruchtiges, viriles Patchouli mit Kir-Kick.
Richtung Basis wird der Cassiseindruck verhaltener und etwas anderes übernimmt die Rolle des Patchouli-Sidekicks: Holzigkeit kommt auf. Patchouli hat auch holzige Aspekte und die sind hier eine wunderbar geeignete Andockstelle für eine nicht allzu trockene, leicht warme und etwas rauchige Holzigkeit (müsste ich einen Tipp abgeben, würde ich auf Guajak als Hauptakteur der Holznote setzen). Dazu ein bisschen natürliches Vetiveröl, das nach nassem, braunem Laub riecht. Immer noch ist ein kleiner Rest Cassis dabei und immer noch wirkt das Patchouli charmant jung und wendig, wenn jetzt die Patchoulikontur von Holz gerahmt und das Ganze ein wenig ruhiger und breiter wird.
Der Verlaufsbogen dauert lange. Aube Rubis hat eine erhebliche Haltbarkeit – allerdings ist es nicht Ultraextrem-Pattex, wie das bisweilen Patchoulidüfte sind.
Aube Rubis hat mich, eigentlich notorische Patchouliverächterin, mit dieser Cassis-Patchouli-Verpaarung ziemlich verzaubert. Übrigens auch Ronin, an mir wie an sich selbst, denn es ist vollkommen unisex.

Die 2015 ganz neue Marke Atelier des Ors mag ein wenig das Retortenbaby ein paar geldschwerer Investoren sein, die eine gute Marktplatzierung nicht mit kühnen, künstlerisch verblüffenden Parfums erzielen wollen, sondern mit bewusst klassisch genießbaren Düften antreten. Trotzdem sind die Parfums nicht gefällig auf eine beliebige Art, trotzdem riechen sie nicht altbekannt und schon mal da gewesen. Ich konnte alle fünf kennen lernen und rieche in jedem handwerklich solide und deutlich hochwertig gemachten Duft einen bemerkenswerten Twist, etwas Neues und Spannendes. Von der verantwortlichen Parfumeurin erfuhr man zunächst nur den Vornamen, seit der Esxence in Mailand weiß man, dass es Marie Salamagne ist.
Sie hat da etwas goldrichtig gemacht und ein paar Parfums komponiert, die riechenswert sind.
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