L'Air de Rien 2006

Layou
15.04.2016 - 08:53 Uhr
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Top Rezension

Einzig, doch nie artig

Nie hätte ich mich von allein für diesen Duft interessiert. Das schöne an dieser Gesellschaft hier: man wird von allen Seiten inspiriert und kann tauschen, entdecken, testen, lernen...
L'air de rien habe ich bewußt getestet, ohne vorher die Kommentare zu lesen. Als Neuling hier bin ich oft beeindruckt von den detaillierten Duftanalysen, dass ich mich als blutiger Laie fühle und meinem eigenen Urteil misstraue.
Ich habe L'air de rien nur vorsichtig auf mein Handgelenk getupft und nicht gesprüht. Auf dem Weg zum Bäcker stieg bereits das eine oder andere Hier-bin-ich-Wölkchen empor, überraschend präsent und von vornehmer Zurückhaltung zugleich. "Ein Charakter, nichts für junge Mädels" schoss es mir durch den Kopf und versuchte mir die Frau vorzustellen, die diesen Duft tragen könnte. Die Sillage kam mir irgendwie bekannt vor. Hin und wieder passiert es einem, dass man an jemandem vorbei läuft, nach wenigen Schritten einen Duft in die Nase bekommt, der einen abrupt stehen bleiben und sich erstaunt umdrehen und am liebtsen kehrt machen lässt.
Dann läuft man bedauernd weiter und sagt sich "schade, ich werd's wohl nie erfahren...".
Vor einigen Jahren gab ich vier Damen der besseren Gesellschaft einen privaten Französisch-Konversationskurs. Sie wohnten alle in Altbau-Wohnungen in der Innenstadt, in denen Kunstwerke hingen und Bücherregale vom Fußboden bis zur Decke die Atmosphäre prägten. Meine Französisch-Damen waren stets erlesen gekleidet, hatten schon viel erlebt, dachten modern, waren frankophil und vor allem wissbegierig. Mit ihrem weißen Haar, dem Charisma und der Gelassenheit derer, die schon viel gesehen haben, hätte dieser Duft gut zu meinen Damen gepasst. Wer möchte in reiferem Alter nicht so sein wie sie - so lebendig, so voller Charme, unkonventionell mit dem gewissen Etwas. Zum ersten Mal in meinem Leben empfand ich so viel Begeisterung und Freude in der Gesellschaft wesentlich älterer Menschen. Wer den Blog AdvancedStyle kennt, weiß von welchem Typ Frau ich rede...
L'air de rien bedeutet eher "unscheinbar aussehen", jedoch nur auf den ersten Blick. "So tun, als ob nichts gewesen wäre" oder auch "harmlos daher kommen". Doch der erste Anschein trügt...
Inzwischen weiß ich natürlich von der Zusammenarbeit mit Jane Birkin und für mich passt das "wie die Faust auf's Auge". Für mich passt sie auch in keine Schublade, ist ein ganz eigener Typ, so individuell, so mir niemand zu vergleichen. Vor 2 Jahren erlebte ich sie zum ersten Mal live und wir alle waren gebannt von dieser Mischung aus Reife und Mädchenhaftigkeit. Im schlichten schwarzem Anzug und locker fallendem weißen Herrenhemd verströmte sie so viel subtile Erotik, dass es auch meinem Mann, den ich zwangsweise mitgeschleppt hatte, die Sprache verschlug : )
Zurück zu L'air de rien: nach nun mehr als 4 Stunden kann ich die erdige Wärme noch sehr gut auf der Haut wahrnehmen. Die blumigen Neroli-Anteile sind verflogen und man fragt sich, was es eigentlich ist, was so schlicht daher kommt und doch - l'air de rien - so tief beeindruckt.
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