Paco Rabanne pour Homme 1973 Eau de Toilette

Couchlock
28.04.2017 - 19:38 Uhr
39
Top Rezension
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft

Eine Zeitreise mit Paco: Vom Studio 54 in die Jetztzeit...

P.R.p.H ist ein klassischer Herrenduft mit Bedeutung, sowohl für die Parfumwelt als auch für mich persönlich
Als Mutter bzw. Vater der aromatischen Fougeres hat er diese Duftgruppe quasi eingeführt und war u.a. die Inspiration für das einige jahre später erscheinende und noch erfolgreichere Azzaro pour Homme.

Der Duft war in den späten 70ern bei den männl. Besuchern des mythischen Studio 54 sehr beliebt, jenes sehr exclusiven Clubs in NYC, den Ikonen wie David Bowie und Andy Wahrhol regelmässig besuchten. Dort wurde zu Discomusik getanzt, viel Kokain konsumiert und freie Liebe praktiziert...und Paco getragen!

Ich kann nur spekulieren, welcher Duft Jean Martel zur seiner meisterlichen Kreation bewegt hat. So unwahrscheinlich es klingt, kann ich mir vorstellen, daß es Sir Irish Moos war. Dieses Aftershave, roch in den frühen 70er Jahren dem alten Paco so ähnlich, daß man es wunderbar mit einem Vintage Paco kombinieren kann. Es hat nur sehr wenig mit dem grellgrünen Synthetikwässerchen von heute gemein und enthielt viel natürliches Moos, dem wohl wichtigsten Duftstoff vom Paco.
Wenn man sich überlegt, daß R.Wirtz (Tabac Orginal) direkt an der Kreation von Azzaro pour Homme beteiligt war, ist diese Vermutung vielleicht nicht sooo abwegig...

Die Bedeutung für mich persönlich liegt darin, daß mir P.R.p.H. meine Liebe zu fougereartigen, grünen Düften offenbarte.
Ich roch Paco bewusst zum ersten Mal vor ca. 2,5 Jahren, da meine Gattin immer wieder vom Paco schwärmte. Auf die Idee es zu testen wäre ich alleine kaum gekommen, dachte ich bei dieser Marke doch an Invictus und den Goldbarren...
Es erinnert sie immer an Schwimmbäder der 70er Jahre , was ich sofort nachvollziehen konnte, auch wenn diese Assoziation eher eine indirekte ist.
Ich war damals seit langer Zeit auf der Suche nach einem Parfum für warme Tage, bestand doch meine damalige Sammlung fast ausschliesslich aus Winterdüften. Keine einfache Mission, da mir Aquatik immer und zitrusdominate Düfte meistens zuwider sind. Mit P.R.p.H wurde ich endlich fündig und es begann eine fast zwanghafte und obzessive Beziehung zu diesem Duft.
Er ist nicht mein absoluter Favorit, aber ich habe zu keinem anderen Parfum mehr recherchiert und meine Neugier war erst befriedigt, als ich von allen Editionen/Formulierungen einen Flakon hatte, plus diversen Aftershaves.

Eine Riesenhilfe boten mir diverse Threads im Forum von Basenotes, es gibt dort eine Gruppe, die P.R.p.H. fast kultisch verehrt.
Ich habe mir erkaubt, eine Aufzählung der verschiedenen Editionen zu übernehmen, um den weiteren Text verständlich zu halten (Quelle: Thread: Paco Rabanne Pour Homme (EDT) – Vintage Dating/Buying Guide):

1st Edition – 1973 - 1986: 100%
2nd Edition – 1986 - 1992: 97%
3rd Edition – 1991 - 1995: 92%
4th Edition - 1996 - 2002: 75%
5th Edition – 2002 - 2010 : 50%
6th Edition – 2010 - heute: 20%

Die Prozentangaben sollen angeben, wie weit die entsprechenden Editionen mit der Orginalformulierung übereinstimmen, sie sind natürlich subjektiv. Die 75% für die 4. Edition stammen von mir, der Autor hatte keinen Flakon dieser Edition zur Hand, offenbar ist sie sehr rar.

(Kleiner Einschub: Dem geneigten Käufer von Vintage Paco wird es im Vergleich zu anderen Vintageflakons einfach gemacht. Zum einen werden regelmässig alte Flakons in die virtuelle Bucht gespült, daher ist die Auswahl recht hoch und die Preise sind niedrig. (Ich habe für keinen meiner Flakons mehr bezahlt als für die aktuelle Version verlangt wird.) Wahrscheinlich wurden oft Flakons verschenkt und stand dann oft ungenutzt in irgendwelchen Badezimmerschränken rum und werden nun nach und nach von den Erben/Enkeln verkauft, die oft gar nicht wissen, was für Perlen sie da anbieten.
Zum anderen scheint der Duft so gut wie nie zu kippen, ausgenommen Minis, die 40 jahre im Licht standen. Selbst mein 40 Jahre altes Paco ist bis in die Kopfnoten perfekt erhalten.)

Für mich ist es ein fast magischer Moment, wenn ein 30 oder 40 Jahre alter Flakon zum ersten Male geöffnet wird und das von mir, ein Erlebnis/eine olfaktorische Zeitreise und die Freude über ein gut erhaltenes Vintageparfum ist GROSS.

Wenn man weiß, auf was man zu achten hat, ist es leicht, die verschiedenen Editionen zu unterscheiden.
Der Flakon, die OVP, das Logo, die Farbe des Parfums samt Inhalt haben sich immer wieder verändert. So ist z.B. die erste Edition anhand des silbernen Logoaufklebers, die neuste an dem großen "R" zu erkennen.

Wie man sieht, ist P.R.p.H. mindestens 6 mal reformuliert worden, die krasseste ist sicherlich die letzte gewesen, die den Duft entkernte, ihm seiner Basis beraubte und ihm das Genick brach. Bezüglich Duftcharakter, Sillage und Haltbarkeit enstpricht sie mehr einem AS und besteht fast nur aus Kopfnoten und einem halben Herz....tatsächlich sind Paco Aftershaves der ersten 3 Versionen signifikant intensiver als das heutige EdT.
An WIRKLICH heissen Tagen trage ich diese Lightversion gerne, zusammen mit dem wunderbaren Deo ist das ein Frischekick jenseits von Zitronen und Aquatik.
Zudem kann man sie nutzen, um einem Vintagepaco, das etwas dumpf geworden ist, spritzig-grüne Kopfnoten zu verpassen.

Die 5. Edition (Flakon wie oben) ist schon viiieel besser, natürlicher und wertiger duftend.

Ganz allgemein gesagt wurde der Paco mit den Jahren immer grüner und frischer. Meine Lieblingsversion ist die 3. Edition. Für meine Empfindung unterscheidet sie sich wahrnehmbar von der Orginalformulierung, die von der Basesnotes Paco Kultgemeinde am meisten verehrt wird. Für mich hat das Paco der frühen 90er Jahre mehr Tiefe, ist noch runder und durchläuft Kopf-Herz- und Basisnote wie im Lehrbuch, dabei sind alle Übergänge und Phasen höchst harmonisch und wohlriechend. Seinen Reiz hat der Duft für mich durch den Kontrast aus krautig-grünen, frisch-seifigen und warmen ambrierten Nuancen. Die Basis ist einfach ein Traum, das weicheste Moos ever, gepaart mit in Honig eingelegten Tabak, der ihm eine ganz leichte Süsse gibt. Sehr natürlich duftend, hier riechts nichts synthetisch oder scharf.
Die rare 4. Version ist das Bindeglied zur 5. Version, die aufgrund der damals neuen Bestimmungen viel weniger Eichenmoos enthält. In der aktuellen Version fehlt dieser für den Duft so wichtige Duftbaustein fast völlig. (Die erste Regulation bezüglich Eichenmoos in Parfums kam übrigens schon1978.)

Es sei noch bemerkt, daß man P.R.p.H. unbedingt sprayen sollte, der Duft entfaltet sich so besser. Vintage heisst oft Splashflakon.

Die verschiedenen Versionen zeigen ein Problem der Bewertung, was auch viele andere Klassiker betrifft: Meine Wertung bezieht sich auf die Vintageversionen vom Paco. Ich weiss, daß es den Rahmen sprengen würde, aber es wäre wünschenswert und sinnvoll, wenn man aktuelle und Vintageversion getrennt bewerten könnte.
Wie auch immer, Paco Rabanne pour Homme ist ein sehr besonderer Duft für mich, er ist ein Grund, warum ich heute ein absoluter Fan von Vintagedüften bin. Alte Versionen klassischer Herrendüfte sind meine Duftnische geworden, in der ich mich am wohlsten fühle.
Charakterdüfte.

Apropos Nische: Viele klassische Vintagedüfte waren mal Mainstream und sind heute aufgrund ihres DuftCHARAKTERs, ihrer meist hochwertigen und oft natürlichen Duftstoffe, ihrer guten Haltbarkeit und Sillage heutzutage eigentlich Nische, die manchen sogenannten Nischenduft von heute alt aussehen lassen, zumal der Reformulierungswahn auch im Exklusivbereich angekommen ist.

Fazit: Der alte Paco ist der Beste!
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