Vrabec
07.04.2021 - 10:54 Uhr
16
Top Rezension
10
Preis
6
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft

Lehmann- Leidenschaft: 7 - Ambra/ düsteres Öl


An die Parfumos, an denen Harry Lehmann bis jetzt vorbei gegangen ist, möchte ich plädieren, dies dringenst nachzuholen. Nicht umsonst besitzt die Parfümerie unter Kennern einen respektablen Status und wenn man mit einem Augenzwinkern überlegt, werden hier eigentlich alle Nischenkriterien ( ;) ) erfüllt, außer vllt den hohen Preis, denn was Preis- Leistung angeht ist Harry Lehmann unschlagbar.

Zugegebener Maßen habe ich zuerst an einen modernen Amber- Akkord, welcher aus einer Kombination von Harzen und etwas süßem wie Tonka und Vanille besteht gedacht. Aber weit gefehlt- erstens sind unter den Lehmännern deutlich ältere Rezepturen dabei, zweitens neigt Lutz auch eher dazu, bei seinen Kreationen eine konservative Richtung einzuschlagen und drittens gibt es da noch das Ambra, das Walfisch-sekret, welches meist eher wegen seiner Eigenschaften, nicht als eigenständige Duftnote genutzt wird/ wurde (ähnlich wie Iso- E- super heute).

Wie auch immer, eine Duftpyramide wird eh nicht angegeben, lediglich "tabacartig, balsamisch" Steht auf der Website. Soweit die Orientierung.
Wie oben bereits angekündigt, kann man eher ein herkömmliches, als ein süß- harziges orientalisches Wässerchen erwarten.

Die klassisch angehauchte Kopfnote startet pfefferminzig, lakritzig, sauber. Das lakritz- artige bleibt, aber die Frische nimmt Form an, wird grüner und knackiger, ich denke hier an eine Mischung aus Salbei und Petigrain. Trotz dem frischen Start ist der Duft von Beginn an duster und bleibt dies aus. Wärend sich "Ambra" im Verlauf samtig mild weiter entwickelt, bekommt er einen würzigen Körper, man könnte fast an etwas Pfefferbrot denken. Dies geschieht jedoch, ohne die oben genannten Eigenschaften zu überdecken. Ebenfalls ein leicht floraler Touch spielt mit, sowie etwas fruchtiges, diese werden jedoch von der öligen schweren Ahnung des Gesamteindruck gänzlich überdeckt. Etwas, was an Autoreifen erinnert, zeigt sich ebenfalls, wenn auch nur versteckt.

Ich denke bei diesem Parfum an einen Schwarz-weiß Film, eine düstere Stadt, die gnadenlos von einem Kartell in die Mangel genommen wird. Es regnet ununterbrochen, die Stimmung ist mehr als bedrohlich. Alles findet mit Kippe im Mund und tief in die Stirn gezogener Hutkrempe statt, stets von einem Streichquartett begleitet.

Beim Testen musste ich Anfangs an Gainsboro's G-man denken, gestehe aber dass Lehmann's "Ambra" Mir deutlich besser gefällt. Irgendwie vielseitiger, einfach mehr als "nur" edle Seife. Wer einen klassischen Duft sucht, den auch junge Männer problemlos tragen können, ist hier richtig.

Vielen Dank fürs Lesen meines Kommentars
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