Guillotine

Passionez
19.04.2016 - 12:10 Uhr
3
Hilfreiche Rezension
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

Olfaktorisch-tragbarer Blutrausch?

Hätte mir jemand vor einer Woche noch gesagt dass ich mich bald freiwillig unters Messer legen würde, hätte ich ihn beschimpft, empört gelacht oder einen olympiareifen Sprint hingelegt (Catch me if you can, my life is precious). Mit Verlaub Mr Grey, sadomaso? nein danke,und wenn's unbedingt sein muss, schwinge ich die Peitsche doch lieber selber!

Dementsprechend habe ich Herrn André Strelzoff auch skeptisch und etwas peinlich berührt angeschaut als er mir angeboten hat die Guillotine zu testen.
"Wie.... Sie wollen mich köpfen?!! Ich mag meinen Kopf, lieben Dank auch! Mein Kopf ist mein teuerstes Gut, warum sollte ich ihn Ihnen zu Füssen legen?!"
"Aber Fräulein!,nicht Sie werden unter die Guillotine gelegt, sondern alle anderen werden ihren Kopf verlieren wenn sie sich in ihre Nähe begeben.!"
Hmmh, überzeugt war ich immer noch nicht. Schliesslich halte ich gerne tiefgründigere Gespräche und kopflose Mitmenschen gibt es schon zur Genüge. Und was das Liebesfach betrifft, hat es mir noch nie gefallen auf ein unsichtbares Podest gestellt zu werden, da verliert man schnell Boden unter den Füssen und/oder wird schnell und schmerzhaft wieder in untere Gefilde befördert.

Nichtsdestotrotz, habe ich meine anfängliche Skepsis und Unwillen überwunden und mich für meine legendäre Neugierde und Abenteuerlust entschieden. So bin ich denn Samstag mit einerMiniatur von Guillotine nachhause gegangen und versprach mir innerlich, in einem ruhigen, sicheren Moment, mich dem olfaktorischen Blutrausch zu ergeben.

Dieser Tag ist nun gekommen. Heute trage ich Guillotine. Bis jetzt ist mir noch keiner erlegen, aber das ist normal da ich den Duft eben gerade erst aufgesprüht habe und mich noch nicht damit in die Öffentlichkeit getraut habe.

Erster Eindruck? Speziell...Also, der Drang mich selbst zu vernaschen überkommt mich noch nicht! Grün und würzig ist der Duft. Ich vermeine Galbanum und Kumin zu riechen. Dabei ist letzteres in Düften eines meiner am wenigsten geliebten Gewürze. Oft riecht es zu sehr nach Schweiss. Hmmh, was die anderen wohl gleich im Fitnessstudio denken werden? Dass ich ungewaschen komme und schon vor dem Training ausgiebig geschwitzt habe? Vielleicht sollte ich den Fitnesstag doch streichen und mich guten Gewissens zwecks inhaus Duftforschung auf die Couch flätzen. Nein, ich werde den inneren Schweinehund überwinden (hoffentlich auch die anderen den äusseren) und die Effekte von Guillotine live testen. Bis gleich...

Ach ja, noch kurz bevor ich gehe....Sophiste Parfums wirbt folgendermassen mit dem Parfum (frei von mir aus dem Englischen übersetzt): Dieser Duft ist für jene die eine leidenschaftliche Persönlichkeit und eine lebende Seele haben (ja das bin ich), für jene welche sinnreich (trifft immer noch zu) und kompromisslos leben (hallo Fitnessstudio!)...für wahre Revolutionnäre! Heisse, harzige Grundnoten die andere Menschen umwerfen werden wie eine Guillotine (klingt auf Englisch besser: blow other people's minds). Dann gibt es noch einen kurzen Text zur französischen Revolution (ich hasse das Ende dieser Geschichtsperiode, klar freue ich mich in einer Demokratie zu leben doch habe ich nie Gewalt befürwortet). Weiter...dieser Duft bringt seinem Träger Macht und Freiheit (klar alle flüchten vor deinem Gestank) und hilft andere zu führen (hmm, da lasse ich doch lieber meinen natürlichen Charme spielen). Der Duft der das allgemeine Verständnis von Parfum vollkommen verändern kann (ist das eine Referenz zu dem allmächtigen Duft der die Massen fügig macht? Wie das Parfum von Grenouille?).

Das ist doch eine klare Ansage und ein Riesenchallenge, oder? Fortsetzung folgt....

So ein paar Stunden später...Niemand ist vor mir geflohen und bestimmte Bemerkungen zu meiner Duftwahl habe ich auch nicht bekommen. Hin und wieder habe ich doch geglaubt ein diskretes Naserümpfen zu sehen, mich aber nicht getraut frei heraus zu fragen ob man findet dass ich stinke.

Nun mein eigenes Urteil: ich finde den Duft definitiv interessant mit seinen grünen, würzigen und animalischen Facetten. Die wenigen Angaben die Sophiste zur Verfügung stellt, sind: Grapefruit, Bloody Red Sicilian Orange, tomato juice, spices and oak moss.

Die frisch-fruchtigen Akzente erschliessen sich mir nicht wirklich, obwohl die Kombi Grapefruit und Kumin durchaus eine verschwitzte, leichte zersetzte Säure evozieren können. Die Tomate ist bei mir auch nicht erriechbar, höchstens in Blattform, aber da auch ganz dezent.

So eigenartig und interessant er wirkt, und dadurch auch einen gewissen Charme für mein Näschen entwickelt, so finde ich ihn dennoch nicht liebens- bzw. tragenswert. Ich würde ihn lieber intellektuell betrachten und sezieren als mit ihm zu verschmelzen. Düfte mit Tomatenblatt-Geruch finde ich durchaus tragbar (siehe Eau de Campagne von Sisley) und gegen animalisch, leicht dreckige Parfums bin ich auch nicht immun (siehe Musc Kubilai Khan von Serge Lutens). Bei Guillotine, rieche ich aber eher verwesendes Fleisch (na ja leicht übertrieben), somit ist das Parfum eindeutig kein Kaufkandidat für mich. Allerdings könnte ich ihn mir gut in einer avantgardistischen Kunstausstellung als olfaktorische Duftskulptur vorstellen.
Kopflos bin ich nicht geworden und niemand ist mir willenlos verfallen, somit ist die Duftgeschichte noch gut ausgegangen. Derweil, wenn es sich schon um Blut und Köpfungen dreht, schaue ich mir doch lieber eine nette Vampirserie an.
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