Apicius
08.06.2011 - 17:33 Uhr
20
Top Rezension
8Duft 5Haltbarkeit

Cologne oder Chypre?

Mit Eau de Gloire setzt man bei Parfum d’Empire zu einem veritablen Verwirrspiel an. Woran erinnert dieser Name? Natürlich an die Glorie der Grand Nation, und da ist es in der Assoziationskette nicht weit zu Guerlains Eau de Cologne Impériale von 1853. Und tatsächlich: die Angaben der Kopfnoten beinhalten alles, was ein klassisches Kölnisch Wasser ausmacht.

Umso überraschter ist man vom ersten Eindruck. Die typische Nerolinote ist fast nicht auszumachen. Dieser Auftakt hat nichts französisches, eher begrüßt uns Eau de Gloire mit südlichem Flair, denn diese Zitrusnote erinnert doch sehr an die italienischen Klassiker rund um Acqua di Genova.

Aber das ist längst nicht alles. Schon im Auftakt zeigt sich im Hintergrund die chypreartige, sehr gelungene Basis. Das signalisiert sofort, dass wir es mit einem Parfum zu tun haben, und keinem Wässerchen.

Ausgeprägt und doch etwas schwierig ist der Lavendel im Kopf. Gestern nahm ich ihn deutlich wahr, als die Zitrusnote zurücktrat, doch beim heutigen Wiederholungstest will er sich nicht so recht zeigen. Das ist wahrscheinlich mein Problem, denn ich habe merkwürdigerweise eine schlechte Nase für Lavendel. Umgekehrt - wenn ich den schon rieche, muss wirklich viel davon drin sein.

In die Herznote hinein wird vom geraden Weg eines Chypre abgewichen. Statt blumiger Noten findet sich hier Pikant - Würziges: Anis, Süßholz, unterlegt mit einem runden Tee-Akkord. Erst hatte ich Bedenken - wer will schon nach Lakrtitze riechen? Doch tatsächlich sind die Herznoten so dezent eingesetzt, dass sie nur eine pikante Art beisteuern, jedoch kaum isoliert wahrnehmbar sind.

Und die schon erwähnte chypreartige Basis wird jeden Chypre-Liebhaber freuen. Ich bezeichne sie bewußt nur als chypreartig, mit ein wenig Leder, denn sie lehnt sich nur am bekannten Akkord an. Dieser ist ja dunkel und oft schwer, doch in Eau de Gloire haben wir viel Leichtigkeit.

Ehrlich gesagt, Eau de Gloire finde ich recht schwer zu beschreiben, man muss sich schon sehr genau darauf einlassen. Eau de Gloire ist sowohl leicht, als auch dezent und passt weder ganz unter das Etikett “Chypre”, noch in die Kölnisch Wasser Schublade.

Als Vergleichsduft fällt mir höchstens Ô de Lancome ein - jenes Chypre, das sich durch frühlingshafte Transparenz, besondere Leichtigkeit und vor allem grüne Noten auszeichnet. Jene fehlen im Eau de Gloire, und grüne Noten sind ja auch nicht nach jedem Geschmack. So könnte Eau de Gloire eine winzige, sehr spezielle Lücke im Parfummarkt ausfüllen: Wer einen extrem leichten und dezenten chypre-ähnlichen Duft sucht, der aber ohne grüne Noten auskommt, genau der könnte hier das Passende finden.

Machen wir es nicht zum Dogma - jenseits aller Einteilungen ist Eau de Gloire ein gut gelungenes, leichtes und angenehmes Parfum, das man auch ohne analytischen Blick genießen kann und sollte.
3 Antworten
UnterholzUnterholz vor 10 Jahren
Viele empfinden ihn hier gerade als grün... Klingt dennoch verlockend!
RivegaucheRivegauche vor 11 Jahren
Heute getestet, zutreffender Kommentar. Er gefällt mir sehr gut.
Medusa00Medusa00 vor 14 Jahren
hmmm, wenn da Moos drin ist und Leder und der wurde nicht reformuliert, dann könnte es ein Chypre sein