Behind the Rain 2016

Meggi
20.11.2016 - 14:51 Uhr
35
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

rain-proof umbrellas

Regen. Basis-Zutat eines London-Urlaubs, sollte man meinen. Dem Klischee zum Trotz hatten wir jedoch ziemliches Glück mit dem Wetter und die ständig mitgeführten Regenjacken landeten öfter als gedacht beim Ehemann/Papa (bei wem auch sonst?) über dem Arm oder im Rucksack.

Eine der wenigen nennenswerten Wetter-Ausnahmen war ausgerechnet jener Samstag-Morgen, an dem wir ungewohnt kühn – normalerweise meiden wir solchen Trubel – den berühmten Antiquitäten-Markt auf der Portobello Road besuchten. Es regnete Bindfäden und entspanntes Rumgucken war mit tropfenden Kapuzen nicht möglich. Notgedrungen erwarben wir an Ort und Stelle einen Taschen-Schirm bei einem Händler, der seine Ware, den Tatbestand der Nötigung streifend, als „rain-proof umbrellas“ anpries. Na super…

Lange haben wir es trotzdem dort nicht ausgehalten und uns bald wieder auf den Rückweg zur U-Bahn-Station Notting Hill Gate gemacht. Den „rain-proof umbrella“ mit seinem neckischen Lokalkolorit-Aufdruck sehen wir mittlerweile als reines Mitbringsel, denn er ward kaum gebraucht: Mit Verlassen der Portobello Road hatten wir lustigerweise nicht nur den Markt, sondern zugleich den Regen hinter uns.

Ich bin freilich sicher, dass derlei hier nicht mit „Hinter“ gemeint ist. Den geschliffenen Ausführungen des werten Vorkommentators zum Thema „Behind“ ist mithin nichts hinzuzufügen.

Kampferartiges, durchaus mit einem bitteren Dreh versehenes Nadelholz mit einer Prise Anis oder (*pyramide-zu-rate-zieh*) Fenchel. In den ersten Minuten ist der Gedanke an Koniferen, wie ebenfalls im Auftakt-Kommentar geschildert, gut nachvollziehbar. Konkret: Thuja. Die sondert einen ähnlichen und vor allem ähnlich strengen Geruch ab, vornehmlich beim Schnitt oder beim Zerdrücken des Grüns. Obacht, es besteht die Gefahr von Hautreizungen!

Innerhalb von ein paar Minuten dimmt sich „Behind the Rain“ ab. Dabei hilft Vetiver, der eine würzig-harzig-gummihafte Aura entfaltet. Nicht minder charaktervoll – bloß weniger bitter. Zu kräftig würde nicht passen, es ist nur eine Spur harzig-bitter, im Kontext gerade richtig.

Eine geschmackvolle Süße – ein Stück Zucker in den Fenchel-Tee? – rundet nach einer Viertelstunde die Harz-Bitter-Note ab, fortwährendes Nachschnuppern ist die Folge. Das mit der Fenchel-Süße ist überhaupt genial. Es gestattet, dass die Nadel-Note ihre ätherisch-herbe Frische in Gänze ausspielt, ohne dass irgendwelche franzbranntwein-haften Assoziationen den Genuss beeinträchtigen.

Aus besagter Nadelholz-Ecke, flankiert durch den geruchlich nah verwandten Pfeffer, schleicht sich allmählich mild-hellbrauner Weihrauch in den Duft, so dass sich im Laufe des Vormittags ein vornehm-gediegener, dezent-rauchiger Nadelholz-Duft bildet, der tatsächlich vollkommen unkünstlich wirkt. Das ist Lichtjahre entfernt von der Synthetik-Belästigung etwa aus „In the Woods“ von eSENSielle.

Die Süße ist nie allzu zuckrig, hat vielmehr einen Anis-Lolli-vom-Jahrmarkt-Schnick. Und stets wabert die unterschwellige Rauchnote darunter. Sehr schick! Und alles geht ganz langsam und gelassen vor sich.

Wie seine Geschwister-Düfte, hat auch „Behind the Rain“ einen kleinen Stachel verpasst bekommen. Wiederum tippe ich auf eine Art Zitrusfrucht-Schale, obwohl sie im vorliegenden Fall weit weniger deutlich ist und dem rauchigen Holz den Vortritt lässt. Ich denke, das war eine gute Idee; schließlich soll es heute, wir rufen uns den Namen des Duftes ins Gedächtnis, ja still-lyrisch werden.

Am Nachmittag wittere ich eine sacht von Mastix und Moos unterfütterte neue Vetiver-Note, welche nach acht, neun Stunden gut zu erkennen ist. Es wird sich nunmehr um das Acetat handeln, überraschend grün und frisch ist es nämlich geworden. Es entsteht eine sehr haltbare, elegante Vetiver-Nadelholz-Kombi.

Fazit: Ein toller Duft. Da ich das Rauch-Zeugs gern etwas kantiger mag, schafft er es nicht ganz auf die Wunschliste, aber er ist verdammt nahe dran. Ein Fest für Freunde edler Viel-Holz-bisschen-Rauch-Düfte.
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