Polo 1978 Eau de Toilette

Snaporaz
25.04.2017 - 07:43 Uhr
14
9
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Der Aussteiger

Sein Wesen heute: knorrig, mies gelaunt und ungestüm. Strenge strahlt er aus. Gut ist man beraten, ihm zuzuhören und nicht zu widersprechen, sollte man ihm begegnen. Wenn sich schon Kontakt mit anderen Menschen ergibt, dann spricht er! Er hat ja einiges loszuwerden. Vor allem, wenn ihm die Erinnerung an frühere Zeiten wieder hochkommt.

Ein Bewohner des Forstes wurde er - stolz und gänzlich ungekünstelt. Ein Aussteiger. So einer wie er hat allerspätestens seit der Social Media-Welle zu den Seinen gesagt: "Habt mich gern. Das geht mir nicht ins Geweih!" Ein Stamperl hat er noch gekippt und ist aufgebrochen. (Das Beiwagerl ließ er aber zurück.)

Mit moderner Technik konnte und wollte er sowieso nie Schritt halten. Ein Einzelgänger war er. Immer schon. Aber ein braver und ehrlicher Arbeiter. Die Arbeit war für ihn alles. Er ist bodenständig veranlagt, aber Familie hat einer wie er nicht. Das Frauentum war ihm immer schon suspekt.

Aber jetzt wollten ihm die Jungen neulich drein pfuschen in seine Arbeit; seine bodenständige Expertise! Jahrelang geschätzt in seiner alten Firma. Jetzt soll sich alles ändern. Jetzt wird ihm so ein junger Spatz beigestellt, der auch gleich das Türschild neu layouten will. Ein Hipster, der gleich zum Chef mit seinem Anliegen ging - um Gottes willen!! Der kennt das Holzhacken wohl nur von Märchengeschichten seiner Kindheit. „Machen wir ein Projekt draus?!“ Diesen Satz konnte er übrigens auch schon nicht mehr hören.

Jeder Aspekt der ihm auferlegten Zwänge war im Einzelnen kein Grund. Aber in Summe hat ihm dann die gänzlich gekünstelte und für ihn technoide Welt seiner Arbeitsumgebung, im weiteren Sinn ja seiner Gesellschaft, welche seine Art und Weise konterkariert hat, verbunden mit dem Spleen manch seiner Kollegen, zu seiner Flucht bewegt. Letztendlich brauchte er für seine Arbeit nicht den neuesten Computer oder soziale Netzwerke oder irgendwelche neuen Projekte. Seine Stammkunden hatte er seit langem bereits abgesteckt. Die Arbeit lief ja gut.

--Was trägt ein solcher Typ von Mensch für einen Duft, der eine Zäsur hinter sich hat, wenn er mal wieder unter Menschen muss? Aufs Amt, für eine Unterschrift - denn hier lässt sich seine Anwesenheit nicht verhindern.

Er hat sich Polo aufgelegt. Gänzlich unverfälscht, authentisch und ehrlich. Von Geradlinigkeit, die sich nicht vom Kurs abbringen lässt. Riech und geh. Ein Kraftpaket. Alle großen Nummern sind dabei. Eichenmoos, Vetiver, Zeder. Stark und herb, so wie er. Im Grunde war er nie anders. Die Gesellschaft hat ihn nur so weit gebracht. Von den wenigen Düften, die er hatte, hat er alle in die Tonne geworfen. Die grüne Flasche hat er behalten. Das musste sein.

Aus ihm wurde ein Selfmademensch. Ein Universalverwerter. Vor lauter Ideen und Taten so verschwitzt wie der Hornbach aus der Baumarktwerbung. Ein Stereotyp von einem Malocher; wenn es denn dem Weiterkommen dient, auch mal in der Erde wälzend. Dabei hoch konzentriert. Er wollte es so.

Sein Haus am Waldesrand hat er mittlerweile mit seinem Ersparten fertig errichtet. Ganz ohne fremde Hilfe und getrieben von der Aussicht ab jetzt einfach nur er selbst sein zu dürfen, fernab der lästigen Menschen um ihn herum.
2 Antworten