19.02.2024 - 12:00 Uhr

Axiomatic
149 Rezensionen

Axiomatic
Top Rezension
57
Wenn der Mond über New York vertrocknet
Wie sehr doch einst begleitende Düfte eine Etappe des Lebens prägen, ihr einen Rahmen im Erinnerungsalbum geben.
Manchmal reicht allein schon das Bild des Flakons, um diese duftenden Tagen wieder herzuzaubern.
Umso trauriger dann die Begegnung mit der veränderten Version des Duftes.
Das schützende Glas wird vom unpassenden Bilderrahmen zerbrochen, der Riss verkündet die unaufhaltsame Zeitdimension im Raume.
Man sieht das Foto von damals zwar, das Erlebte läßt sich nunmal nicht nachträglich verändern, doch der Geruch passt nicht mehr.
Es bleibt nur noch ein gespeicherter Akkord im Hirn, den man zum Glück nicht mehr reformulieren kann.
Dieser Akkord war dunkelgrün, Koniferen verbargen eine lederummantelte, edle Rose. Und Eichenmoos umschloss ein waldiges Chypre.
Tief und abgerundet jene Smaragde, die das massive Grün der bewaldeten Rocky Mountains einfingen.
Alles fügte sich, keine disharmonische Soli brachen mit dem Ganzen, eine Eintracht von Anfang bis Ende.
Einfach „Polo“ hieß der Duft über Jahre. Seine unvergleichliche Aura sollte ihm einen Erfolg bescheren, der nur wenigen Kreationen vorbehalten war.
Heute ist ein Namenszusatz nötig, Green, um ihn im Repertoire der Marke ausfindig zu machen.
Rau, rauchig, unrund wird der Nachfolgeversuch angeboten.
Etwas, was der Duft nie war.
Und ein geisterhafter Hauch des Gewesenen ist für geübte Nasen als Echo der Vergangenheit zu vernehmen.
Doch es bleibt nur eine leise und verstellte Frequenz.
Die Übersteuerung zeugt eher von lästiger Pflicht als von leidenschaftlicher Hingabe, jene epochale Komposition den aktuellen Vorgaben entsprechend anzupassen.
Anderen Marken gelang dies glücklicherweise mit ihren Zugpferden.
Hier aber wurde das Fundament des Hauses aus dem Lot gebracht.
Säuerlicher und urinöser Jasmin verhagelt das zu rauchige Vetiver und legt es in Lake ein.
Verstaubte Wacholderbeere nimmt einem den Atem, der zu trockene Tabak tut sein Übriges.
Knirschende Hölzer werden zu Spanplatten verarbeitet.
Vom Regen vergessen bleibt das Eichenmoos brüchig hart.
Neuerdings umweht ein ätherischer Campher mit Eukalyptus-Einschlag den Duftverlauf, das gab es früher nicht.
Und die waldige Melodie von damals ertönt sehr weit entfernt, die Rose zu blass, die Koniferen gerodet. Als würde man die missliche Lage telegraphisch der Zentrale mit Morsezeichen melden.
Das wird meinen Erinnerungen keinen Abbruch tun.
Begleitete mich doch der Duft an der Schwelle zur Pubertät und danach wie ein Coach, zu dem man aufblicken konnte.
Diese waldigen Landschaften wurden in meinem Umfeld von Jungs und Männern getragen. Wir konnten uns auf eine gemeinsame Duftbasis einigen.
Carlos Benaim schuf Erstaunliches, denn es gibt nur sehr wenige Düfte, welche leger generationsübergreifend getragen werden können.
Carlos hatte die Ausrichtung der damals jungen Marke seht gut verstanden, als er mit dem passenden Duft beauftragt wurde.
Das Mode-Segment elegant sportlicher Hemden wurde Ende der 1970er von Pierre Cardin und Lacoste beherrscht mit ihren prägenden Logos.
Ralph Lauren gelang das Undenkliche mit seinem Polospieler. Ein kleines Zeichen mit großer Wirkung.
Hätte er darauf verzichtet, wären seine Polo- und Rugbyhemden zwar qualitativ hochwertig, doch von der Konkurrenz nicht zu unterscheiden gewesen.
Und sein Sortiment lockte recht klug etliche Generationen als Zielgruppen.
Jene Mode, eine Mischung aus Uptown Manhattan und Country Club in Kingwood Houston, sollte den Paradigmenwechsel in den USA bringen: Du bist wer, zeige es also!
Nun gut, über den tosenden Absatz in den Anfangsjahren kann man nur sagen, jede Shopping Mall und jede High Street wurden damals danach bewertet, ob sich ein Polospieler dorthin verirrt hatte.
Passend war auch der unverwechselbare Charakter des Duftes.
Tief, reich an grünen Schattierungen, elegant ledrig mit dieser prächtigen Rose, alles ausbalanciert. Lag es an der alles verbindenden Kamille?
Auf jeden Fall wollte der Duft gefallen, nicht anecken.
Würde ich ein musikalisches Genre aussuchen, wäre es Soft Rock der damaligen Zeit.
Christopher Cross mit seinen leicht verdaulichen Beladen.
Oh bitte, dieses Filmchen Arthur war der Gipfel!
Oder optisch passender…
Robbie Dupree mit seinem Hit „Steal Away“.
Nett. lieb, knuddelig.
Gut, ich gebe zu, hier etwas zu überspitzen, aber ich kann beim besten Willen der alten Version des Duftes keine soziale Nonkonformität attestieren.
Fordernde Akkorde, ungewöhnliche Noten, brachiale Männlichkeit, das alles kannte er nicht.
Er war der perfekte Begleiter, wenn man zwischen dem Mond und New York City geriet.
Oder sonst wo.
Und heute, ja heute, da ist er vertrocknet.
Manchmal reicht allein schon das Bild des Flakons, um diese duftenden Tagen wieder herzuzaubern.
Umso trauriger dann die Begegnung mit der veränderten Version des Duftes.
Das schützende Glas wird vom unpassenden Bilderrahmen zerbrochen, der Riss verkündet die unaufhaltsame Zeitdimension im Raume.
Man sieht das Foto von damals zwar, das Erlebte läßt sich nunmal nicht nachträglich verändern, doch der Geruch passt nicht mehr.
Es bleibt nur noch ein gespeicherter Akkord im Hirn, den man zum Glück nicht mehr reformulieren kann.
Dieser Akkord war dunkelgrün, Koniferen verbargen eine lederummantelte, edle Rose. Und Eichenmoos umschloss ein waldiges Chypre.
Tief und abgerundet jene Smaragde, die das massive Grün der bewaldeten Rocky Mountains einfingen.
Alles fügte sich, keine disharmonische Soli brachen mit dem Ganzen, eine Eintracht von Anfang bis Ende.
Einfach „Polo“ hieß der Duft über Jahre. Seine unvergleichliche Aura sollte ihm einen Erfolg bescheren, der nur wenigen Kreationen vorbehalten war.
Heute ist ein Namenszusatz nötig, Green, um ihn im Repertoire der Marke ausfindig zu machen.
Rau, rauchig, unrund wird der Nachfolgeversuch angeboten.
Etwas, was der Duft nie war.
Und ein geisterhafter Hauch des Gewesenen ist für geübte Nasen als Echo der Vergangenheit zu vernehmen.
Doch es bleibt nur eine leise und verstellte Frequenz.
Die Übersteuerung zeugt eher von lästiger Pflicht als von leidenschaftlicher Hingabe, jene epochale Komposition den aktuellen Vorgaben entsprechend anzupassen.
Anderen Marken gelang dies glücklicherweise mit ihren Zugpferden.
Hier aber wurde das Fundament des Hauses aus dem Lot gebracht.
Säuerlicher und urinöser Jasmin verhagelt das zu rauchige Vetiver und legt es in Lake ein.
Verstaubte Wacholderbeere nimmt einem den Atem, der zu trockene Tabak tut sein Übriges.
Knirschende Hölzer werden zu Spanplatten verarbeitet.
Vom Regen vergessen bleibt das Eichenmoos brüchig hart.
Neuerdings umweht ein ätherischer Campher mit Eukalyptus-Einschlag den Duftverlauf, das gab es früher nicht.
Und die waldige Melodie von damals ertönt sehr weit entfernt, die Rose zu blass, die Koniferen gerodet. Als würde man die missliche Lage telegraphisch der Zentrale mit Morsezeichen melden.
Das wird meinen Erinnerungen keinen Abbruch tun.
Begleitete mich doch der Duft an der Schwelle zur Pubertät und danach wie ein Coach, zu dem man aufblicken konnte.
Diese waldigen Landschaften wurden in meinem Umfeld von Jungs und Männern getragen. Wir konnten uns auf eine gemeinsame Duftbasis einigen.
Carlos Benaim schuf Erstaunliches, denn es gibt nur sehr wenige Düfte, welche leger generationsübergreifend getragen werden können.
Carlos hatte die Ausrichtung der damals jungen Marke seht gut verstanden, als er mit dem passenden Duft beauftragt wurde.
Das Mode-Segment elegant sportlicher Hemden wurde Ende der 1970er von Pierre Cardin und Lacoste beherrscht mit ihren prägenden Logos.
Ralph Lauren gelang das Undenkliche mit seinem Polospieler. Ein kleines Zeichen mit großer Wirkung.
Hätte er darauf verzichtet, wären seine Polo- und Rugbyhemden zwar qualitativ hochwertig, doch von der Konkurrenz nicht zu unterscheiden gewesen.
Und sein Sortiment lockte recht klug etliche Generationen als Zielgruppen.
Jene Mode, eine Mischung aus Uptown Manhattan und Country Club in Kingwood Houston, sollte den Paradigmenwechsel in den USA bringen: Du bist wer, zeige es also!
Nun gut, über den tosenden Absatz in den Anfangsjahren kann man nur sagen, jede Shopping Mall und jede High Street wurden damals danach bewertet, ob sich ein Polospieler dorthin verirrt hatte.
Passend war auch der unverwechselbare Charakter des Duftes.
Tief, reich an grünen Schattierungen, elegant ledrig mit dieser prächtigen Rose, alles ausbalanciert. Lag es an der alles verbindenden Kamille?
Auf jeden Fall wollte der Duft gefallen, nicht anecken.
Würde ich ein musikalisches Genre aussuchen, wäre es Soft Rock der damaligen Zeit.
Christopher Cross mit seinen leicht verdaulichen Beladen.
Oh bitte, dieses Filmchen Arthur war der Gipfel!
Oder optisch passender…
Robbie Dupree mit seinem Hit „Steal Away“.
Nett. lieb, knuddelig.
Gut, ich gebe zu, hier etwas zu überspitzen, aber ich kann beim besten Willen der alten Version des Duftes keine soziale Nonkonformität attestieren.
Fordernde Akkorde, ungewöhnliche Noten, brachiale Männlichkeit, das alles kannte er nicht.
Er war der perfekte Begleiter, wenn man zwischen dem Mond und New York City geriet.
Oder sonst wo.
Und heute, ja heute, da ist er vertrocknet.
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