Soap
10.02.2022 - 09:45 Uhr
12
Sehr hilfreiche Rezension
5
Preis
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Der Versuch einer Erinnerung

Ich mag Düfte, die mich spontan zu einem Kommentar anregen, oder besser gesagt: nötigen. Sodann kann ich nicht wirklich anders, als mich hinzusetzen und (un)ordentlich in die Tasten zu hauen - ohne, dass ich von vornherein weiß, was es zu sagen gäbe.

Ich schreibe dann einfach aus dem Gefühl heraus und mache mir um Struktur keine Gedanken. Die kommt schon von alleine, da bin ich mir sicher. Zudem, speziell in diesem Fall, bin ich der erste Kommentator - da ploppt schon der Gedanke auf: „Hau endlich rein in die Tasten, Junge! Das Ding wirst du gewinnen.“ Genau. Und dann: „Komm endlich zum Punkt!“ Autsch.

So. Der Drops um Gucci pour Homme (2003) Eau de Toilette schien mir schon länger irgendwie gelutscht. Das Kind im Brunnen. Blabla. Früher war alles besser.
Ich meine es gibt so viele andere und bessere Düfte. Ich bin zwar nicht der große Tester dieser Community, meine Statistiken sprechen für sich - auch wenn sie nicht wirklich verlässlich sind, weil ich zu faul bin, Zahlen zu pflegen. Renntechnisch bin ich hier sicher in der Arrièregarde. Aber auch ich habe bereits feststellen können, dass dufttechnisch nichts wirklich verloren gehen kann; alles ist (nach)machbar in irgendeiner Art und Weise, in irgendeiner mehr oder weniger gelungenen Variation der ursprünglichen Idee. Zudem gibt es tatsächlich auch ganz andere, bessere Düfte als die, die man glaubt zu vermissen. So weit so gut.

Atomica startet mit einer leuchtenden Explosion der Gewürze. Wirklich fulminant, knallend und strahlend. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Gucci pour Homme (2003) Eau de Toilette seiner Zeit um einiges moderater eröffnete als das Zeug hier. Beeindruckend! Relativ schnell zeigt sich dann aber auch eine säuerliche Zeder. Jener Bleistift, an den ich mich bei Gucci nicht erinnern kann. Der Gucci war eher grün-harzig, zäh, und angesengt rauchig. Naja, hier ist es also die Zeder, die sich zum Glück bald legt und dann - ja, dann erst übernehmen die Anteile, die ihn durchaus zu einem würdigen Gucci Nachfolger machen.

Atomica spaltet Zypressen und wird ziemlich gut rauchig. Dazu gesellt sich eine deutliche und authentische, zähe und kernwarme Ambermasse, die dem Duft die nötige holzig-rauchige Sägemehldichte verleiht, die in Sachen Halbwertzeit mühelos das hält, was man von ihr erwartet. Die Sillage ist moderat und mitmenschen- bis bürotauglich: dies ist sicher kein "1805 Tonnerre / 1805 | Beaufort". Man kann sich den Duft vielleicht am ehesten wie einen zu Ende gedachten Bentley for Men Absolute vorstellen: deutlich nuancierter und raffinierter, mit sehr viel mehr Tiefe und einer sehr viel besseren Haltbarkeit. Zu einem sehr viel höheren Preis, versteht sich. Crap. Damit ist auch schon alles gesagt.

An dieser Stelle folgen noch wenige weitere Überlegungen, warum man es denn nicht endlich gut sein lassen kann, und immer noch weiter sucht nach dem, was vergangen ist. Ungeachtet der vielen Alternativen, horcht man doch immer wieder auf, wenn Vertrautes in neuer Form daher kommt, um an jene Illusion der früheren Unbeschwertheit zu erinnern. Oder? Oder gab es sie tatsächlich? Jene Zeit, in der man sicher war, die Welt irgendwann beherrschen zu können: zu gewinnen, das Richtige zu tun, der Klügere zu sein unter den Blöden. Als Vorbild. Stark und gerecht. So ein Quatsch auch. Nur der Gucci war echt! Und den kann man jetzt wieder haben: als Atomica.
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