L'Eau Serge Lutens 2010

Sarahsluf
17.11.2016 - 07:24 Uhr
24
Top Rezension
10
Duft

Wasser kann

Die Serge Lutens-Düfte habe ich recht ausgiebig getestet, einige fand ich gut, viele ok, manchen schlimm, gut gemacht sind sie sicher allesamt. Mir werden sie durch den Weihrauch und /oder die reichlichen Gewürze fast alle irgendwann verdorben. Das ist Geschmacksache.
Jedenfalls sehe ich hier den Grund für die relativ schlechte Bewertung des L´Eau: er ist so ganz anders als seine Brüder und Schwestern, dem Lutensliebhaber (kein Weihrauch! keine Gewürze!!) ist das dann eben wirklich nur Wasser (und sieht man die Lutensdüfte weiterhin als Nische an, sind das dann diejenigen, die von Serges Wasser Wind bekommen haben und dann bewerten).
Für mich ist er hinreißend schön und reicht mir als Beweis, dass Serge Lutens ein Meister seiner Klasse ist (oder Christopher Sheldrake, je nachdem, wie da die Arbeitsteilung war) und ich Banause es bei den anderen Lutensern einfach ob meiner subjektiven Präferenzen nicht gebührend schätzen kann.
L´Eau Serge Lutens riecht nach dem verdampften Wasser, das aus weißen, in der Sonne getrockneten, vorher frisch gewaschenen Hemden aufsteigt. Das muss man erst mal hinbekommen, solche 1:1-Geruchsnachbildungen finde ich eh schon faszinierend.
Ob das nun eigentlich Waschmittel oder Weichspüler ist oder ob Sonne in weißem Hemd im Wasserdampf einen ganz spezifischen Eigengeruch hat, ich meine letzteres, denn an der Luft getrocknete Wäsche riecht anders als nicht frischluftgetrocknete.
Damit riecht er für mich genau so, wie es der Serge im dazugehörigen Werbevideo verspricht, nur die dabei bildlich vermittelte Kühle empfinde ich anders, denn bei aller Reinheit und Frische ist Serges Wasser nie kühl, vermittelt mir eher ein Gefühl der Geborgenheit, einen Moment der Stille, ein mit mir im Reinen sein. Und dabei scheint die Sonne.
Die Vermarktung als Antiduft kann ich nachvollziehen (die Serge-Jünger sicher auch ^^): Zum Minus der Geruchsüberladung (=Gestank) ist L´Eau das Plus. Hätte man etwa einen Teenager in der akuten Hormonumstellungsphase inklusive der geruchlichen Begleiterscheinungen, zwei Sprüher vom L´Eau würden zumindest die olfaktorischen Strapazen einfach ausradieren. Der Name passt also auch in der Hinsicht ganz fantastisch. Man kann ihn als Schutzschild gegen jedweden Umgebungsungeruch einsetzen. Wenn man mal nicht so viel Unangenehmes riechen will und trotzdem unter Leute muss.
Als wirklich unangenehm sollte den niemand empfinden, langweilig (kein Weihrauch, kein arabischer Gewürzsouk, kein orientalischer Wüstenwind) gerne, aber das soll so. Wer weiß, vielleicht hat die Schöpfung auch deswegen so lange gedauert, weil sich Serge, nachdem er den ganzen Tag an der neuesten Geruchsbombe getüftelt hat, immer abends und ganz früh eine Auszeit mit L´Eau genommen hat. Und weil er sein liebster war, hat er ihn eifersüchtig noch ein wenig für sich behalten und dann noch ein wenig länger.
Ein Meisterwerk.
6 Antworten