23.05.2014 - 16:26 Uhr
Yatagan
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Yatagan
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33
Der Geist Thoreaus - oder: vom Leben in den Wäldern
Unkommentierte Düfte No. 36
Was macht einen großen Duft aus? Der unmittelbare Zugriff, der doch oft auch plakativ sein kann und schon bald verblasst? Das Beschwören von Erinnerungen, die doch je und je verschieden sind? Oder vielleicht sogar eine politische Wirkung, ein Neudefinieren von Wirklichkeit, auch wenn das eine philosophische Überhöhung ist, der ein Duft wohl nie wirklich gerecht werden kann.
Marken, die wie Lush oder Santé auf vegane, tierversuchsfreie Kosmetik und Düfte setzen, im besten Falle auch in den engeren Kontext von Naturkosmetik gehören, wecken dennoch diesbezüglich mein Interesse: Ich will keine Düfte, unter denen Menschen oder Tiere zu leiden haben, die mein Leben beschweren, statt es zu erleichtern.
Auch Sweet Anthem gehört in diesen Kontext des besseren Gewissens und ist als amerikanische Marke unkompliziert über die Firmenhomepage in Deutschland erhältlich. Zwar dauert jede Lieferung ihre Zeit und fordert etwas Geduld, da die Firma in Seattle im Staate Washington im äußersten Nordwesten der USA beheimatet ist, aber das Warten auf die Düfte von Sweet Anthem lohnt sich durchaus.
Selten hat mich in letzter Zeit eine Auswahl von Düften einer Marke so nachhaltig beeindruckt wie diejenigen von Sweet Anthem. Als Testpaket ließ ich mir die Duftsticks von Walden, Elliot, Cooper und Peter zuschicken, dazu eine 10 ml-Abfüllung von Anton, im Nachgang auch einen Flakon von Walden. Alle fünf Düfte gefallen mir ausgesprochen gut, sind originell, besitzen ein neuartiges Duftkonzept und einen mutigen, exzentrischen, aber dezent-ästhetischen Zugang zur Komposition, der niemals verschreckt, der sanft ist.
Der Name Walden weckt natürlich überdies sofort Assoziationen an Henry D. Thoreaus berühmten Roman „Walden oder Leben in den Wäldern“, der das Leben des Erzählers in einer Blockhütte im Amerika des mittleren 19. Jahrhunderts in Form von Tagebucheinträgen schildert und um das menschliche Dasein, sinnvolles Leben und die Haltung des Menschen zur Natur kreist. Ein frühes Werk ökologischen Bewusstseins: ein Stück amerikanischer Literaturgeschichte und Kult für jeden grün Bewegten.
Obgleich mich die vermerkten Duftnoten zunächst gar nicht nachdrücklich ansprachen, war der Kauf dieses Duftes ein Muss: Thoreaus „Walden oder Leben in den Wäldern“ übt bis heute eine ungebrochene Faszination auf mich aus.
Und tatsächlich hat der Duft etwas grün Seifiges, Florales, das den Namen, der sofort Naturassoziationen weckt, rechtfertigt. Die Bilder, die sich bei der Erinnerung an den Roman einstellen, sind vor allem die dichten Wälder, das dicht bewachsene Ufer des Sees, an der die Blockhütte des Protagonisten steht, das klare, kühle Wasser. Sei es, dass der Name des Duftes zufällig gewählt wurde, sei es, dass der Name Programm sein soll: der Duft deckt genau dieses Spektrum, diese Idee hinter der Komposition ab.
Die floralen Töne (Nostalgisches: Maiglöckchen, Rose?) haben etwas Flüssig-Flüchtiges, Wässriges, Leichtes und lassen an die klaren, stillen Fluten eines Bergsees denken, unterstützt von der kühl frischen Eröffnung durch dezent hesperidische Noten. Im Untergrund sind krautige Töne erkennbar, ein Bett aus weichem Moos und sanft milden, nicht eigentlich süßen Grundierungen, die den Duft zu einem der sanftesten Herrendüfte machen, die mir bekannt sind. Dennoch erscheint mir der Duft zu keiner Zeit im eigentlichen Sinne feminin, auch wenn er ganz sicher gut von Frauen getragen werden kann. Er will ein Herrenduft sein und ist es auch, aber im Sinne eines adrogynen männlichen Selbstverständnisses, das die eigene Männlichkeit nicht betonen muss, das zu seiner weiblichen Seite stehen kann und doch im Inneren dem eigenen Geschlecht, der maskulinen Existenz verpflichtet ist.
Diese philosophische Überhöhung des Duftkonzeptes mag bemüht und aufgesetzt erscheinen, ist aus meiner Sicht aber die große Kunst dieser Komposition. Liegt es daran, dass eine Frau, eine Parfümeurin also, diesen Duft schuf, eine Frau, die mit viel Empathie für die männliche Seele einen Duft konzipierte, der einem modernen männlichen Ideal entspricht: ein Mann mit adrogynen Zügen, der dennoch nie mit einer Frau verwechselt werden will? Der Duft balanciert - zugegebenermaßen - auf einem schmalen Grat. Wäre er für Frauen entwickelt worden, so hätte sich niemand daran gestoßen, die floralen Komponenten vermutlich als feminine Noten wahrgenommen. Dennoch glaube ich, dass viele geübte Nasen eine maskuline Irritation gespürt hätten, die den Duft aus dem Kreis der typische floralen Damendüfte abhebt.
Walden ist aus meiner Sicht, ähnlich wie die anderen Herrendüfte der Marke, ein kleines Kunstwerk, das ich nur nachdrücklich einem Test empfehlen kann. Nach einem ersten Test erscheinen mir übrigens alle Herrendüfte dieser Marke im oberen Qualitätssegment angesiedelt.
„Unser inneres Leben gleicht dem Wasser im Fluß. Es kann in diesem Jahr höher steigen, als ein Mensch es je erlebt hat, und das dürre Hochland überfluten. Gerade dieses Jahr kann das große Ereignis bringen...“ (Henry David Thoreau: Walden oder Leben in den Wäldern).
Vielleicht können auch Düfte dazu beitragen, dass wir Menschen anders wahrnehmen, Geschlechterrollen neu konturieren und hinterfragen und nicht mit fest gefügten Bildern, die wie Schablonen wirken, auf unser Gegenüber zutreten.
In diesem Sinne: ein großer Duft.
Was macht einen großen Duft aus? Der unmittelbare Zugriff, der doch oft auch plakativ sein kann und schon bald verblasst? Das Beschwören von Erinnerungen, die doch je und je verschieden sind? Oder vielleicht sogar eine politische Wirkung, ein Neudefinieren von Wirklichkeit, auch wenn das eine philosophische Überhöhung ist, der ein Duft wohl nie wirklich gerecht werden kann.
Marken, die wie Lush oder Santé auf vegane, tierversuchsfreie Kosmetik und Düfte setzen, im besten Falle auch in den engeren Kontext von Naturkosmetik gehören, wecken dennoch diesbezüglich mein Interesse: Ich will keine Düfte, unter denen Menschen oder Tiere zu leiden haben, die mein Leben beschweren, statt es zu erleichtern.
Auch Sweet Anthem gehört in diesen Kontext des besseren Gewissens und ist als amerikanische Marke unkompliziert über die Firmenhomepage in Deutschland erhältlich. Zwar dauert jede Lieferung ihre Zeit und fordert etwas Geduld, da die Firma in Seattle im Staate Washington im äußersten Nordwesten der USA beheimatet ist, aber das Warten auf die Düfte von Sweet Anthem lohnt sich durchaus.
Selten hat mich in letzter Zeit eine Auswahl von Düften einer Marke so nachhaltig beeindruckt wie diejenigen von Sweet Anthem. Als Testpaket ließ ich mir die Duftsticks von Walden, Elliot, Cooper und Peter zuschicken, dazu eine 10 ml-Abfüllung von Anton, im Nachgang auch einen Flakon von Walden. Alle fünf Düfte gefallen mir ausgesprochen gut, sind originell, besitzen ein neuartiges Duftkonzept und einen mutigen, exzentrischen, aber dezent-ästhetischen Zugang zur Komposition, der niemals verschreckt, der sanft ist.
Der Name Walden weckt natürlich überdies sofort Assoziationen an Henry D. Thoreaus berühmten Roman „Walden oder Leben in den Wäldern“, der das Leben des Erzählers in einer Blockhütte im Amerika des mittleren 19. Jahrhunderts in Form von Tagebucheinträgen schildert und um das menschliche Dasein, sinnvolles Leben und die Haltung des Menschen zur Natur kreist. Ein frühes Werk ökologischen Bewusstseins: ein Stück amerikanischer Literaturgeschichte und Kult für jeden grün Bewegten.
Obgleich mich die vermerkten Duftnoten zunächst gar nicht nachdrücklich ansprachen, war der Kauf dieses Duftes ein Muss: Thoreaus „Walden oder Leben in den Wäldern“ übt bis heute eine ungebrochene Faszination auf mich aus.
Und tatsächlich hat der Duft etwas grün Seifiges, Florales, das den Namen, der sofort Naturassoziationen weckt, rechtfertigt. Die Bilder, die sich bei der Erinnerung an den Roman einstellen, sind vor allem die dichten Wälder, das dicht bewachsene Ufer des Sees, an der die Blockhütte des Protagonisten steht, das klare, kühle Wasser. Sei es, dass der Name des Duftes zufällig gewählt wurde, sei es, dass der Name Programm sein soll: der Duft deckt genau dieses Spektrum, diese Idee hinter der Komposition ab.
Die floralen Töne (Nostalgisches: Maiglöckchen, Rose?) haben etwas Flüssig-Flüchtiges, Wässriges, Leichtes und lassen an die klaren, stillen Fluten eines Bergsees denken, unterstützt von der kühl frischen Eröffnung durch dezent hesperidische Noten. Im Untergrund sind krautige Töne erkennbar, ein Bett aus weichem Moos und sanft milden, nicht eigentlich süßen Grundierungen, die den Duft zu einem der sanftesten Herrendüfte machen, die mir bekannt sind. Dennoch erscheint mir der Duft zu keiner Zeit im eigentlichen Sinne feminin, auch wenn er ganz sicher gut von Frauen getragen werden kann. Er will ein Herrenduft sein und ist es auch, aber im Sinne eines adrogynen männlichen Selbstverständnisses, das die eigene Männlichkeit nicht betonen muss, das zu seiner weiblichen Seite stehen kann und doch im Inneren dem eigenen Geschlecht, der maskulinen Existenz verpflichtet ist.
Diese philosophische Überhöhung des Duftkonzeptes mag bemüht und aufgesetzt erscheinen, ist aus meiner Sicht aber die große Kunst dieser Komposition. Liegt es daran, dass eine Frau, eine Parfümeurin also, diesen Duft schuf, eine Frau, die mit viel Empathie für die männliche Seele einen Duft konzipierte, der einem modernen männlichen Ideal entspricht: ein Mann mit adrogynen Zügen, der dennoch nie mit einer Frau verwechselt werden will? Der Duft balanciert - zugegebenermaßen - auf einem schmalen Grat. Wäre er für Frauen entwickelt worden, so hätte sich niemand daran gestoßen, die floralen Komponenten vermutlich als feminine Noten wahrgenommen. Dennoch glaube ich, dass viele geübte Nasen eine maskuline Irritation gespürt hätten, die den Duft aus dem Kreis der typische floralen Damendüfte abhebt.
Walden ist aus meiner Sicht, ähnlich wie die anderen Herrendüfte der Marke, ein kleines Kunstwerk, das ich nur nachdrücklich einem Test empfehlen kann. Nach einem ersten Test erscheinen mir übrigens alle Herrendüfte dieser Marke im oberen Qualitätssegment angesiedelt.
„Unser inneres Leben gleicht dem Wasser im Fluß. Es kann in diesem Jahr höher steigen, als ein Mensch es je erlebt hat, und das dürre Hochland überfluten. Gerade dieses Jahr kann das große Ereignis bringen...“ (Henry David Thoreau: Walden oder Leben in den Wäldern).
Vielleicht können auch Düfte dazu beitragen, dass wir Menschen anders wahrnehmen, Geschlechterrollen neu konturieren und hinterfragen und nicht mit fest gefügten Bildern, die wie Schablonen wirken, auf unser Gegenüber zutreten.
In diesem Sinne: ein großer Duft.
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