Sublime Balkiss 2008

Parfümlein
03.06.2021 - 12:02 Uhr
21
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Köstlicher als alle Balsamdüfte

Dass die Sabäer als reiches Volk galten, verwundert nicht: Sie handelten mit Weihrauch und Myrrhe; Kostbarkeiten, die eines Königs würdig waren, wie die Geschichte vom neugeborenen König in Bethlehem zeigt. Weihrauch und Myrrhe, in Öl gelöst, sind überhaupt die wertvollsten Substanzen der Antike. Wer den Weihrauchhandel beherrscht - und dieser großartige Coup gelingt den Sabäern im 7. Jahrhundert vor Christi Geburt -, kann über finanzielle Sorgen nicht mehr klagen. Angesiedelt sind die Sabäer im heutigen Jemen, und seit dreißig Jahren graben Archäologen dort nach einem Palast, der neben dem Reichtum des arabischen Volkes auch ihre sagenumwobene Königin beweisen soll: Malkat Šĕva im Hebräischen, Makeda im Äthiopischen, Bilkîs oder Balkîs (was auch wieder hebräisch ist) in der islamischen Tradition.

Balkîs ist eine außergewöhnliche Frau. So wenig weiß man über sie - und doch taucht sie in so vielen Schriften auf: im Alten Testament, im Koran und in äthiopischen Legenden. Rätselhaft an ihr ist, dass sie fast nirgends durch einen Namen identifizierbar wird - nur die äthiopischen Schriften bezeichnen sie konkret als "Makeda". Alle anderen Namen - und ihr sind viele zugeeignet worden - sind traditionell verwendet, historisch jedoch kaum verifizierbar, so wenig wie ihr nie gefundener Palast.
Rätselhaft ist auch ihr Treffen mit dem berühmten König Salomon: Sie kommt mit wertvollen Geschenken zu ihm, sie stellt ihm Fragen, komplizierte, tückische Rätsel. Und doch: Wenn sie ihn wirklich getroffen haben sollte, dann war sie nicht die Königin von Saba. Denn das Königreich von Saba existierte oder zumindest: blühte erst zwei Jahrhunderte nach Salomon.

Nun ist das zunächst nicht weiter erstaunlich. Historische Figuren zu mischen, zu kombinieren, ihre Taten zu verknüpfen und so mit einer neuen Chronologie zu versehen, ist ein Muster, das wir schon aus dem Nibelungenlied kennen; es diente dem meist oralen Gedächtnis unserer Vorfahren dazu, außergewöhnliche Charaktere und zentrale menschliche Konflikte in einen logischen Zusammenhang zu bringen und so zu konservieren, um daran Verhaltensweisen, Konfliktlösungen, menschliches Versagen zu erkennen und an spätere Generationen zu übermitteln. So wenig, wie sich Attila, Brunhild und Siegfried gekannt haben können, so wenig ist dies auch Salomon und der Königin von Saba gelungen. Interessant ist also, welche stereotypen Verhaltensweisen, welche Fehler, welche Auffälligkeiten ihr fiktives Zusammentreffen erhellen sollte.

Salomon ist nicht nur weise auf seinem Thron aus Elfenbein. Und steinreich. Er ist vor allem ein Frauenheld. 700 Frauen und 300 Nebenfrauen soll er gehabt haben – dies wirft ein bedeutsames Licht auf Balkîs, die Namensgeberin unseres Parfums. Sie muss wunderschön gewesen sein, außergewöhnlich schön, betörend schön – und ebenfalls sehr, sehr reich. An seinen Hof bemüht sie sich in der Geschichte des Alten Testamentes, im Ersten Buch der Könige, um sich davon zu überzeugen, dass Salomon wirklich der ist, dessen Bild in den Erzählungen gezeichnet wird. Um ihm mit ihrem Staatsbesuch die Ehre zu erweisen, die ihm gebührt, bringt sie Geschenke mit: Edelsteine, Gold und die kostbaren Balsamöle aus Weihrauch und Myrrhe. Gebraucht hat er diese Geschenke nicht, heißt es doch im Ersten Buch der Könige, dass sein Geschirr vollständig aus Gold gewesen sei. Doch die Schönheit ihrer Schenkerin hat ihn vermutlich gereizt, und so lässt er sich auf die Fragen ein, die die Königin ihm stellt, um seine Intelligenz zu testen. Aus dem Islamischen überliefert ist die Frage nach dem Wasser, das weder vom Himmel noch von der Erde kommt und doch jeden Durst zu löschen vermag. Richtig erkennt Salomon: Es ist der süße Schweiß des Pferdes. Er besteht die Probe, die diese intelligente Frau ihm stellt. Die Lehre ist also wohl, dass zwei Gleiche in Rang und Namen, in Geld und Besitz einander erst wertschätzen können, wenn der Geist des einen den anderen beflügelt.

Wenn Balkîs, die Königin von Saba, jedoch nicht die biblische Frau ist, die Salomon getroffen hat, wer war sie dann? Sie war dann wohl Königin, doch nicht von Saba; hier irrte die Bibel sich dann wie so oft. Alle Wege, die Identität von Salomons faszinierender Besucherin zu ermitteln, führen nach Äthiopien: zu Makeda, der sagenumwobenen schwarzen Königin. Sie könnte Salomon gekannt haben – Flavius Josephus, der römische Geschichtsschreiber, kann zumindest davon berichten, dass Salomon eine äthiopische Königin empfing. Auch sie war vermutlich reich. Und vermutlich auch sehr schön.

Makeda, Balkîs begegnet uns als Rätsel. Als rätselhafte Frau, die gleichermaßen die hebräische, die äthiopische und die islamische Kultur faszinierte. Wenn Céline Ellena sie als „sublim“ charakterisiert, trifft sie damit den Eindruck, den die Königin von Saba in der europäischen, der orientalischen und sogar der amerikanischen Kultur, die sich an einem großen Leinwandepos mit Gina Lollobrigida versuchte, erweckt: Sie lässt sich nicht in die Karten schauen. Sie lässt sich nicht mit anderen Frauen gleichsetzen. Sie lässt sich nicht beherrschen. Sie emanzipiert sich vom geltenden Macht- und Intelligenzmonopol des Mannes und stellt sich ihm als ebenbürtig entgegen. Gleichzeitig macht sie von den Waffen Gebrauch, über die der Mann nicht verfügt, und setzt auch ihre Schönheit sublim ein: Doppelt hält besser.

Sublime Balkiss ist ein Duft, der diese weibliche Figur perfekt umreißt: Er ist vollkommen rätselhaft. Ich kenne keinen zweiten Duft, den ich so schwer einordnen kann, und die unzähligen, völlig verschiedenen Statements beweisen dies. Es ist ein Duft, der eigenartig rund, samtig-fruchtig beginnt. Das Seltsame, das Fremde liegt am Veilchenblatt, das eine dunkle Tiefe eröffnet, deren im Verborgenen liegender Grund sich nur erahnen lässt. Präsent ist die Johannisbeere, doch sie ist so verwoben mit den einzelnen Blüten und diese sind so schwer voneinander zu separieren, dass ein frischer, minimal fruchtiger, leicht grüner, herber Duft entsteht, der im wahrsten Sinne des Wortes „Nische“ ist. Er lässt sich mit keinem anderen Parfum, das ich kenne, vergleichen, und er polarisiert offensichtlich. Man liebt ihn oder man verachtet ihn – aber versteht man ihn überhaupt? Ist er nicht viel rätselhafter, als er auf den ersten Blick scheint? Weiblich ist er und gleichzeitig stark, mit einer überzeugenden Sillage und einer recht langen Haltbarkeit von etwa vier Stunden. Obwohl Blüten und Frucht und sogar Kakao mit im Spiel sind, buhlt er nie um fremde Gunst und nutzt keine raffinierten weiblichen Tricks: Er ist nicht sexy. Aber geheimnisvoll. Nicht süß. Aber weiblich. Nicht blumig. Aber in der Tiefe versteckt er etwas. Er ist selbstbewusst. Und das von mir so abgelehnte Patchouli gibt seiner herben grünen Note eine Erdverbundenheit, wie sie harmonischer nicht sein könnte. Es ist ein Königinnenduft. Wenn die Königin von Saba aka Äthiopien, die rätselhafte Balkîs, Salomon mit diesem Duft nicht fasziniert hätte – dann hätte sie es mit keinem geschafft. Vielleicht hat er der schönen Äthiopierin und ihren balsamisch duftenden Geschenken diese Worte aus seinem Hohelied gewidmet:

"Wie schön ist deine Liebe, / meine Schwester Braut; wie viel süßer ist deine Liebe als Wein, / der Duft deiner Salben köstlicher als alle Balsamdüfte." (Hld 4, 10)
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