Profuma
27.10.2018 - 10:57 Uhr
18
Sehr hilfreiche Rezension
9.5Duft 10Haltbarkeit 10Sillage 9Flakon

Der geheimnisvolle Abend im Schloss...

Der Raum im Schloss wird nur von ein paar tropfenden Kerzen in antiken und geschwungenen Eisenständern ausgeleuchtet. Im Kamin brennt leise züngelnd ein Feuer. Hier und da speiht es ein paar Funken, die kaum wahrnehmbar in der Luft über ihm verglimmen. Fast hätte ich die sich zögerlich bewegenden Umrisse und den Schatten am Kamin übersehen, so diffus ist das Licht im Raum. Fast regungslos steht sie da, die Gestalt. Grossgewachsen, dem Feuer zugewandt und leicht gegen den Sims des Kamins gelehnt. Darauf stehen kleine Artefakte und Porträts, die sich in den geworfenen Schatten des Feuers und des Kerzenscheins fast zu bewegen scheinen. Nicht aber die Gestalt am Feuer. Erst beim näheren Hinsehen kann man den langen Umhang erkennen. Schwarz wie die Nacht und ebenso umhüllend umschlingt er seinen Träger. Ich habe das Gefühl, dass ich eine halbe Ewigkeit am Eingang zu dem alten Thronsaal stehe und die Szenerie betrachte. Ich bin irgendwie in ihr gefangen. Der Raum, die Menschen darin und die Artefakte faszinieren und bannen mich. Wer sich auch bewegt, scheint es für meine Wahrnehmung in Zeitlupe zu tun oder einfach auf ein Minimum beschränkt und mit erhabener, fast ehrfürchtiger Eleganz. Die anfangs wahrgenommenen Umrisse werden nun doch langsam zu Gestalten. Es sind geladene Gäste, die sich entweder sehr leise mit Worten oder nur durch Blicke miteinander unterhalten. Alle sind sie schwarz gekleidet. Die Damen in langen, spitzenbesetzten Roben, Kragen die sich breit bis über die Schultern legen und weisse Haut am Decolletée hervorscheinen lassen. Die Arme von durchscheinender Spitze umhüllt und bis weit über die Fingerspitzen reichend, so dass man kaum Hände oder Finger sehen kann, die die Gläser mit der dunkelbernsteinfarbenen Flüssigkeit halten. Die Herren sind fast ausnahmslos in noble schwarze Anzüge gekleidet. Hemden von dunkelstem Rot bis hin zu schwarz und mit Stehkragen bilden den Kontrast zu bleicher Haut. Über dem obersten Knopf steht bei vielen eine Stecknadel mit einem funkelnden und glutroten Granat. Ein Grammophon lässt eine verstaubte alte Platte auf seinem Teller drehen, die ausser des Walzers auch ein leises Knirschen und Knarksen von sich gibt, wenn die Nadel über Rillen mit mehr Staub zieht. Ich bin mittlerweile wie in Trance vorangegangen und stehe inmitten der Gäste. Erst jetzt nehme ich ihn wahr, diesen Duft. Cognac aus den Gläsern liegt in der Luft. Die Kerzen, die sich zu bedrohlich anmutenden Geschöpfen in ihren Halterungen geformt haben, lassen weihrauchähnliche Schwaden durch das alte Gemäuer ziehen. Gerade tritt eine Gruppe Dienstpersonal ein und dreht seine Runden in schwerfälligem Gang jedoch hohlem Kreuz in der Menge. Jeder trägt ein Silbertablett mit kurzstieligen Gläsern und weisser Flüssigkeit und einem Schälchen Zuckerwürfel. Einer kommt auf mich zu und lädt wortlos aber mit einem wohlwollenden Nicken dazu ein, mir ein Gläschen zu nehmen. Der Geruch von Absinth steigt mir in die Nase, vermengt sich aber auch mit den anderen Düften, die sich im Raum bewegen. Ich lehne dankend ab, denn da ich nicht weiss, ob ich mich bereits in einem Traum befinde, möchte ich meine Sinne nicht noch mehr täuschen. Mittlerweile hat sich der Raum mehr mit Menschen gefüllt. Ich stosse gegen einen Herrn, dessen dunkelrote Rose am Revers sich samten und weich gegen meine Nase drückt. Während er sich entschuldigend seinen Weg durch die Menge zu einer Bekannten bahnt, folgt ihm der Duft seiner Rose. Irgendwo werden Häppchen gereicht, ich nehme Gewürze wahr. Solche, die charakteristische Aromen besitzen wie etwas Rosmarin, Lorbeer oder feiner Pfeffer. Solche, die mitunter auch ins Seifige ziehen können. Der vormals eher kühle Raum hat sich durch die Ansammlung der Menschen mit der Zeit aufgewärmt. Die wabernden Düfte schwingen in der Wärme mit und scheinen sich zu verändern. Allesamt werden sie mehr und mehr eins. Eins mit der Szenerie, eins mit den Gästen und eins mit sich selbst. Fast wird mir schwindelig und ich erkenne vor mir den grossen Eichentisch wieder, der zuvor noch fast einsam im Raum gestanden hat, bevor die Gäste eintrafen. Sein Holz verströmt einen warmen und heimeligen und gut wahrnehmbaren Geruch und einer der dabeistehenden hochlehnigen Stühle fängt mich in meiner Benommenheit auf. Eine Benommenheit, die gleichzeitig auch ein Wohlgefühl mit sich trägt. Ich weiss trotz der etwas unheimlichen Szenerie und den vielen Unbekannten, dass mir hier nichts passieren kann und wird. Ich fühle mich inmitten der Düfte und Eindrücke sicher und geborgen. Die Musik nehme ich nun nur noch am Rande wahr, das Gemurmel der Gäste scheint sie teilweise zu verschlingen, sodass nur noch Fragmente davon zu vernehmen sind. Einige der Anwesenden haben sich zu Paaren gefunden und drehen sich im Walzertakt. Vor mir werden ihre schwarzen Gewänder immer mehr zu schemenhaften Umrissen bishin zu Schleiern, die sich im Raum vereinen. Ich schliesse die Augen. Ich höre das Rauschen der Roben über dem Steinboden, das leise Schleifen der Ledersohlen beim Walzerschritt. Die Düfte, die mich zuvor schon eingenommen hatten, führen ihr Werk fort und berauben mich vollends meiner Sinne. Ich gebe mich ihnen hin und lasse mich auf ihren seidenen Schleiern durch den Raum und die Zeit tragen.
Am nächsten Morgen vermag ich noch immer nicht eindeutig zu sagen, ob ich geträumt habe oder nicht. Abends treffe ich mich mit Freunden. Ich verspüre das seltsame Gefühl, mir etwas Schwarzes anziehen zu müssen. Welchen Duft nehme ich nur dazu? Mein Blick durchs Bad bleibt an einem kubusartigen dunklen Flakon hängen. Den habe ich dort noch nie stehen sehen. Vielleicht hat ihn mir einer meiner Freunde dagelassen? Optisch passt er schon mal. Aber wie geht es weiter? Zaghaft schnuppere ich vorsichtshalber nur erst am Zerstäuber. Erschreckt fahre ich zurück. Das kann nicht sein. Ist es denn möglich? Ich wage den Sprüher auf meine Haut. Dieser Duft! Als wäre ich in einer Zeitmaschine in Sekunden gereist, sehe ich mich im Schloss von vergangener Nacht wieder. Wieder stehe ich am Eingang, wieder sind erst wenige Gäste da und wieder steht die hochgewachsene Gestalt dem Feuer zugewandt am Kamin. Doch nun dreht sie sich langsam zu mir um. Der vornehme Herr mit dem Umhang stellt sein Glas auf den Sims und kommt mir fast schwebend entgegen. Kurz vor mir bleibt er stehen, nimmt meine Hand und führt sie zum Handkuss nahe an seine Lippen. Noch fühle ich den Hauch seines warmen Atems auf meiner Haut, als er zu mir hochsieht und leise sagt: "Guten Abend, meine Liebe, es ist schön, Dich wiederzusehen...."
4 Antworten
PinkdawnPinkdawn vor 5 Jahren
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Das muss ja ein sehr inspirierenden Duft sein, obwohl mir dieses Schloss ein bisschen unheimlich erscheint. Tanz der Vampire?
AugustoAugusto vor 5 Jahren
Huh, ich hatte den Eindruck ich lande gleich in Schnitzers Traumnovelle. Jetzt probier ich den Duft!
FlirtyFlowerFlirtyFlower vor 7 Jahren
Den Kommentar muss ich irgendwann noch mal in Ruhe lesen :) Pokal für dich
GoldGold vor 7 Jahren
Fantastische Atmosphäre, diesen Duft kenne ich noch nicht... das muss sich ändern. Danke!