16.06.2015 - 08:56 Uhr
Stefanu155
71 Rezensionen
Stefanu155
Top Rezension
26
If you see me comin'
better step aside
A lotta men didn't, a lotta men died
So heißt es etwas martialisch in dem großartigen Song "16 Tons" von Tennessee Ernie Ford. Satte 16 Tonnen Harz, Holz und Rauchwerk wurden bei der Herstellung von "Laudano Nero" verarbeitet. Die nonchalant vorgetragene Härte passt perfekt zu diesem schwarzen Labdanum, das meine Schädeldecke mit einem perfiden Lächeln mühelos durchtrennt. Schönen Tag, Herr Großinquisitor.
Ein tatsächlich kompromissloser und moderner Duft und zur Modernität lasse ich jetzt mal ein Theorem in den Äther, das dann an anderer Stelle vertieft diskutiert werden kann: Die Qualität eines (Kunst)Werkes in der Moderne lässt sich weniger daran beurteilen, was gemacht wird, sondern vielmehr dadurch, was nicht gemacht und bewusst vermieden wurde. Die Kraft und das Aufklärerische eines Werkes, einer Komposition, einer Gestaltung zeigt sich in der Art, wie Erwartungshaltungen unterlaufen oder auch - gelegentlich - überboten werden. In gewisser Weise ist die dadurch beim Rezipienten erzeugte Begriffsstutzigkeit „der Anfang der Philosophie“, wie es Derrida einst formulierte.
Laudano Nero macht so Einiges nicht. Nehme ich die Kategorien, wie sie hier vorgegeben werden in „Einordnen“ zu Hilfe, bleiben für mich lediglich drei übrig: Harzig, Rauchig, Holzig. Oder umgekehrt. Schon „Würzig“ wäre viel zu nett. Alles andere wird rigoros vermieden. Wie schafft es ein Duft mit so vielen Zutaten, einen solchen Weihrauchscheiterhaufen zu errichten? Wo sind sie abgeblieben, Rose, Lorbeer, Vanille, Honig gar und Moschus? Ganz einfach: verbrannt. Fast vermeine ich noch einen letzten leisen Seufzer zu vernehmen, ehe die Rose verglüht und die Flammen über ihr zusammenschlagen. Der Vanille erging es grad ebenso. Jämmerlich krümmte sich die Schote. Die Kräuter wurden in Schalen mit glühenden Kohlen gegeben und hauchen in der finalen Hitze ihre ätherischen Öle und flüchtigen Seelen aus. Der Honig bildet am Schluß eine schwarze Schlacke, in der ihm alle Süße vergangen ist. In so ein Feuer kann man alles werfen, denn alles ist ihm Nahrung. Der Rauch wird nur noch schwärzer und bitterer davon. Die Kohle glüht noch lange nach.
Aphrodite entsteigt schaumgeboren dem Meer, Gischt, Wasser, Licht und die Musik der Aulos-Bläserinnen begrüßen sie. Der Weihrauch gehört der Priesterin, die den Tod und den Abschied zelebriert. Mit dem Meer kommt es, mit dem Rauch geht es, so zumindest das Phantasma der Antike. In Rom kann man den sog. Ludovisischen Thron* betrachten, dort wird die Göttin der Liebe und Lust aus dem Wasser gehoben, flankiert von Musik und Nacktheit auf der einen und der verhüllten Priesterin mit dem Rauchfass auf der anderen Seite.
Tief atmet die Pythia den Rauch ein, der sie umwabert. Sie verdreht die Augen, so dass man nur das Weiße sehen kann. Sie spricht in Zungen, in einer fremden Sprache, die es erst viele viele Jahrhunderte später geben wird:
„One fist of iron, the other of steel
If the right one don't a-get you
Then the left one will.“
Dann sinkt sie zu Boden, wo sie liegen bleibt. Ab und an erkennt man an einem Zucken der Hände und Füße, dass sie noch lebt.
Der thebanische Königssohn ist enttäuscht. Er hatte auf verständlichere Laute gehofft. Er strebt hinaus und lässt die brandige Höhle erleichtert hinter sich. Der Geruch wird noch lange an ihm haften und die Erinnerung beständig bleiben.
*
(https://www.flickr.com/photos/hen-magonza/4169976752/in/photostream/)
Für mich kaum zu bewerten. Ich kann, wie geschehen, 90% geben aufgrund seiner Konsequenz und Unmittelbarkeit. Aber auch 10% würden sich nicht komplett falsch anfühlen. Ich bin fasziniert, kann ihn aber kaum tragen. Unbedingt vorher testen, definitv kein Blindkaufkandidat. Mal sehen, was sich damit sonst noch anstellen lässt.
A lotta men didn't, a lotta men died
So heißt es etwas martialisch in dem großartigen Song "16 Tons" von Tennessee Ernie Ford. Satte 16 Tonnen Harz, Holz und Rauchwerk wurden bei der Herstellung von "Laudano Nero" verarbeitet. Die nonchalant vorgetragene Härte passt perfekt zu diesem schwarzen Labdanum, das meine Schädeldecke mit einem perfiden Lächeln mühelos durchtrennt. Schönen Tag, Herr Großinquisitor.
Ein tatsächlich kompromissloser und moderner Duft und zur Modernität lasse ich jetzt mal ein Theorem in den Äther, das dann an anderer Stelle vertieft diskutiert werden kann: Die Qualität eines (Kunst)Werkes in der Moderne lässt sich weniger daran beurteilen, was gemacht wird, sondern vielmehr dadurch, was nicht gemacht und bewusst vermieden wurde. Die Kraft und das Aufklärerische eines Werkes, einer Komposition, einer Gestaltung zeigt sich in der Art, wie Erwartungshaltungen unterlaufen oder auch - gelegentlich - überboten werden. In gewisser Weise ist die dadurch beim Rezipienten erzeugte Begriffsstutzigkeit „der Anfang der Philosophie“, wie es Derrida einst formulierte.
Laudano Nero macht so Einiges nicht. Nehme ich die Kategorien, wie sie hier vorgegeben werden in „Einordnen“ zu Hilfe, bleiben für mich lediglich drei übrig: Harzig, Rauchig, Holzig. Oder umgekehrt. Schon „Würzig“ wäre viel zu nett. Alles andere wird rigoros vermieden. Wie schafft es ein Duft mit so vielen Zutaten, einen solchen Weihrauchscheiterhaufen zu errichten? Wo sind sie abgeblieben, Rose, Lorbeer, Vanille, Honig gar und Moschus? Ganz einfach: verbrannt. Fast vermeine ich noch einen letzten leisen Seufzer zu vernehmen, ehe die Rose verglüht und die Flammen über ihr zusammenschlagen. Der Vanille erging es grad ebenso. Jämmerlich krümmte sich die Schote. Die Kräuter wurden in Schalen mit glühenden Kohlen gegeben und hauchen in der finalen Hitze ihre ätherischen Öle und flüchtigen Seelen aus. Der Honig bildet am Schluß eine schwarze Schlacke, in der ihm alle Süße vergangen ist. In so ein Feuer kann man alles werfen, denn alles ist ihm Nahrung. Der Rauch wird nur noch schwärzer und bitterer davon. Die Kohle glüht noch lange nach.
Aphrodite entsteigt schaumgeboren dem Meer, Gischt, Wasser, Licht und die Musik der Aulos-Bläserinnen begrüßen sie. Der Weihrauch gehört der Priesterin, die den Tod und den Abschied zelebriert. Mit dem Meer kommt es, mit dem Rauch geht es, so zumindest das Phantasma der Antike. In Rom kann man den sog. Ludovisischen Thron* betrachten, dort wird die Göttin der Liebe und Lust aus dem Wasser gehoben, flankiert von Musik und Nacktheit auf der einen und der verhüllten Priesterin mit dem Rauchfass auf der anderen Seite.
Tief atmet die Pythia den Rauch ein, der sie umwabert. Sie verdreht die Augen, so dass man nur das Weiße sehen kann. Sie spricht in Zungen, in einer fremden Sprache, die es erst viele viele Jahrhunderte später geben wird:
„One fist of iron, the other of steel
If the right one don't a-get you
Then the left one will.“
Dann sinkt sie zu Boden, wo sie liegen bleibt. Ab und an erkennt man an einem Zucken der Hände und Füße, dass sie noch lebt.
Der thebanische Königssohn ist enttäuscht. Er hatte auf verständlichere Laute gehofft. Er strebt hinaus und lässt die brandige Höhle erleichtert hinter sich. Der Geruch wird noch lange an ihm haften und die Erinnerung beständig bleiben.
*
(https://www.flickr.com/photos/hen-magonza/4169976752/in/photostream/)
Für mich kaum zu bewerten. Ich kann, wie geschehen, 90% geben aufgrund seiner Konsequenz und Unmittelbarkeit. Aber auch 10% würden sich nicht komplett falsch anfühlen. Ich bin fasziniert, kann ihn aber kaum tragen. Unbedingt vorher testen, definitv kein Blindkaufkandidat. Mal sehen, was sich damit sonst noch anstellen lässt.
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