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La Capitale 2019

Serenissima
24.03.2024 - 02:47 Uhr
20
Sehr hilfreiche Rezension
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

Erdbeerpüree mit geharzter Vanillecrème

Wieder so ein warmer Tag; die Sonne brennt auf den kleinen Obst- und Gemüsemarkt im Mittelpunkt der Altstadt, die weiß-gelb gestreiften Markisen über den Ständen können die Hitze nicht abhalten; sie speichern sie eher noch über der sommerlich fruchtigen Ware.
Alles, was morgens verkaufsreif und frisch geerntet wurde, hat seine straffe, pralle Frische verloren und so manch ein Händler ist sehr froh, wenn er seine Ware noch für wenig Geld loswird: Es ist die Zeit der „Schnäppchenjäger“ auf den Wochenmärkten!
Hausfrauen, die Marmelade einkochen, wissen das!

Besonders die Erdbeeren haben gelitten und statt nach roten, süßen und aromatischen Früchten riecht es jetzt sehr intensiv nach Erdbeerpüree – frisch gefertigt und doch mit einem gewissen Synthetik-Anteil.

So ließe sich Xerjoffs „La Capitale“ auf meiner Haut mit wenigen Worten beschreiben.
Aber es wäre nicht diese Marke, würde man nicht doch versuchen aus bloßem, leicht vergoren riechenden Früchten etwas Duftendes zu kreieren.
Hier werde ich sehr an die neueren, meist rosaroten und weißen Snake-Kompositionen von Stéphane Humbert Lucas erinnert, in denen ich den mir so vertrauten Duft-Designer so gar nicht wiedererkennen kann, der seine "Zaubertränke" offeriert.

Bietet „Erba Pura“ einen Fruchtcocktail an, dessen Bestandteile noch gut erkennbar sind, so erscheint „La Capitale“ als ein süßes Püree aus Erdbeeren und sehr reifen Pfirsichen, mit reichlich Karamell vermischt und verfeinert durch eine Labdanum-harzige Rauchnote.
Diese sämige Frucht-Mixtur bekommt durch recht kräftige dunkelbraune Ledernuancen, zusammen mit orientalisch gewürzten Rosen (inzwischen bereits ein Klassiker) eine gewisse Stabilität und es verwundert nun auch nicht mehr, dass eine gut abgemessene Dosis dunklen Ouds erscheint; meiner Dufterfahrung folgend bietet sich diese Melange auch an:
Rosen-Oud mit Leder in Erdbeerpüree-Begleitung …
Durch die Beigabe von Benzoe-geharzter Vanille erinnert Xerjoffs „La Capitale“ jetzt endgültig an Omas Waschküche, wo sie in einem großen Zuber Erdbeermarmelade kochte und der aufsteigende sehr süße Wrasen den Raum füllte.

Man muss schon Obst-schwere Duftkompositionen sehr lieben, wenn man bereit ist, diese zur Begleitung zu wählen; wobei „La Capitale“ noch über die Xerjoff bekannte Haltbarkeit verfügt.
Wer möchte so duften wie meine geliebte Großmutter, wenn sie das letzte Glas Marmelade verschlossen und von aromatisch-süßem Erdbeeraroma umspielt, in ihrer Kittelschürze (eine von denen nicht mehr unbefleckten, die nur für die Obstverarbeitung angezogen wurden) in der Tür zum Hof stand und sich über die getane Arbeit freute?

Mich lässt „La Capitale“ lächeln und in meine erdbeerrosa Sommerferien der Kindheit reisen oder aber es versetzt mich an einen der viele kleinen Stehtische, die das sommerliche Bauernmarkt-Geschehen als Mittelpunkt vieler italienischer Städten umstehen und wo ich mich unter einem bunten, Schatten spendenden Sonnenschirm mit etwas kühlem Prickelndem im Glas zu einer Pause und ungezwungenen Plaudereien mit Passanten eingefunden habe.

„La Capitale“ = versprühte rosarote Erdbeersommer-Nostalgie.
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