Ambre Bleue 2018

Jutta96
31.12.2021 - 04:59 Uhr
6
Hilfreiche Rezension
8
Preis
10
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft

Ambergris in Höchstform

„Wer würde wohl denken, dass die feinsten Damen und Herren sich an einem Wohlgeruch laben, den man aus dem ruhmlosen Gedärmen eines kranken Pottwals holt! Und doch ist es so. Der graue Amber wird von manchen für die Ursache, von anderen für die Folge mangelnder Verdauung gehalten, an der Wale mitunter leiden. Wie eine solche Dyspepsie zu kurieren wäre, lässt sich schwer sagen, es sei denn, man gibt dem Patienten drei, vier Bootsladungen Rhabarberpillen ein und verzieht sich dann schleunigst aus der Schusslinie […] Ich behaupte: Wenn der Pottwal seine Schwanzflosse hochschleudert, verströmt er ebensoviel Wohlgeruch wie eine Moschusparfümierte Dame, die in einem warmen Salon ihre Röcke rascheln lässt.“ Auszug aus dem Buch von Herman Melville: Moby Dick Kapitel 92 - Ambergris

Um diesen mysteriösen Stoff ranken sich seit Jahrhunderten wenn nicht sogar Jahrtausdenden die wildesten Geschichten. So bezeichnete man Ambra im Kaiserreich China bis etwa 1000 n. Chr. als „lung sien hiang“, als das „Speichelparfüm der Drachen“, da man glaubte, dass die Substanz aus dem Speichel von Drachen stamme, die auf Felsen am Rande des Meeres schliefen. Im Orient ist Ambra noch heute unter diesem Namen bekannt. Erst 1574 folgerte der flämische Botaniker Carolus Clusius als erster aus Einschlüssen von Tintenfischschnäbeln im Ambra, dass dieses aus dem Verdauungstrakt von Walen stammt. Dies blieb aber lange Zeit wenig beachtet. Erst später, als man bei der Schlachtung von Pottwalen frische Ambra im Darm einzelner Tiere entdeckte, wurde Clusius‘ Aussage bestätigt
***

Aber nun zum Duft:
Für mich startet er mit einer ordentlichen Portion Gewürzen in Form von Kardamom und Pfeffer. Diese Würze ist aber keinesfalls naserümpfend stark, eher ebnet sie den Weg für das olfaktorische Erlebnis was noch folgen wird. Der Hauptakteur in diesem Meisterwerk von Vincent Micotti ist nämlich, wie könnte es auch anders sein, das natürliche Ambergris. Laut YS-Uzac enthält der Ambre Bleue eine großzügige Menge der kostbaren Walausscheidung. Nach etwa fünf Minuten tritt eine hell strahlende, aquatische, leicht animalische Note hinzu die unweigerlich vom Ambergris kommen muss. Die exotischen Harze, die laut Duft Pyramide enthalten sind nehme ich ebenfalls stark wahr. Diese halten alle Duftnoten bildlich gesprochen, mit ihrer klebrigen Eigenschaft zusammen und bewirken somit, dass die Gewürze und das leicht animalische Ambergris zu keinem Zeitpunkt unangenehm für die Nase werden. In der Basis verbergen sich Leder, Oud und Weihrauch, die aber nicht überhand gewinnen, sondern vielmehr ein würdiges Fundament für das königliche Ambergris bilden. Alles in allem bleibt zu sagen, das der Ambre Bleue durch die verwendete Menge an Ambergris den gesamten Duftverlauf über einen natürlichen aquatischen Eindruck vermittelt, bei dem anfangs die Gewürze und zum Ende hin die dunklen Holznoten, sowie Leder und Weihrauch eine eher untergeordnete Rolle spielen. Gehüllt wird das ganze dann in einen warmen harzigen Umhang der alle Duftnoten umschließt. Meiner Meinung nach haben wir es hier mit einem Meisterwerk der Parfümskunst zu tun, das einer geübten Nase viel Freude bereiten kann.
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