Le Vestiaire - Babycat 2022

Aqvatic
18.09.2022 - 04:32 Uhr
15
Sehr hilfreiche Rezension
5
Preis
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft

Die neue Animalik

Ich schaue auf YouTube manchmal Videos von Aaron Terence Hughes. In einigen Reviews und Tutorials erklärt er beiläufig ganz gut, wie einige Inhaltsstoffe riechen. Er beschrieb, dass synthetische Akkorde, die animalischen Moschus nachahmen sollen, häufig als dicht, drückend, sehr fett und ölig riechend und an Gummi erinnernd umgesetzt werden. Das sehe ich in zwei aktuellen Releases sehr deutlich: Rosendo Mateu No 5 und diesem YSL.
Beide haben einen ähnlichen Ansatz bei den animalischen Akkorden, nämlich eine fette, dicke, schwere, drückende Plastiknote, bei No 5 als Moschus in der Pyramide aufgeführt, hier als Leder. Mich erinnert das auch sehr stark an den Klassiker Bvlgari Black, der mit der Plastik-Assoziation humorig spielt und durch Flakondesign mit Autoreifen assoziiert. Body Kouros und Midnight in Paris sind andere Beispiele.
Bei Babycat ist die Animalik allerdings meiner Meinung nach am ehesten umgesetzt. Ich nehme neben dem gummiartigen Leder/Moschusakkord einen Hauch zibetartigen Akkord wahr (für alle, die nicht wissen, wie das riecht: wahlweise Katzenpipi oder Bahnhofsklo). Dem Rosendo fehlt das gänzlich. Bei Babycat ist das aber überhaupt nicht schlimm und man muss schon genau nachriechen, um das zu identifizieren. Die Plastiknote und der kaum wahrnehmbaren Zibet werden durch holzig-harzige, nur leicht angesüsste Weihrauch und Vanilleakkorde begleitet. Und hier kommen wir zum Problem, was ich mit Babycat habe: das ist mir einfach zu krass. Während Rosendo Mateu seinen No 5 mit weißem Moschus, Blumen und Puder auflockert, was sich in der Sillage durchaus mit dem Plastik zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenfügt, treibt man die Schwere, das Drückende hier mit Harz und Vanille noch auf die Spitze. In der Sillage funktioniert auch Babycat irgendwie, wenn Plastik, Vanille und Zibet sich zusammenfügen, aber das ist schon eine ziemlich krasse Komposition die nicht ausschließlich angenehm duftet. RM No. 5 ist bereits ein klassischer Fall von „acquired taste“, schafft es aber durch die angenehme Sillage genau auf der Kante zu balancieren und hat, trotz seines Polarisierunspotenzials, schon fast Crowdpleaser-Qualitäten. Ob das bei Babycat auch so sein wird, muss sich noch zeigen. Auch wenn diese "Plastikdüfte" eine ähnliche olfaktorische Anziehung auf viele Menschen haben wie Sprit, Klebstoff, Lack, Leder etc., wage ich das mal vorsichtig zu bezweifeln. Mir fallen Spontan eine Reihe anderer Düfte ein, die ich mir im Bereich der edlen Vanillen eher zulegen würde. Wenn es eine Leder-Vanille sein soll, ist Cuir Beluga die feinere Alternative. Wenn es eine holzig-weihrauchige Vanille sein soll, dann kommt man schwer an Marterial von Amouage vorbei.
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