Lelia 1936 Eau de Cologne

Serenissima
29.01.2023 - 06:34 Uhr
8
Sehr hilfreiche Rezension
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

auf Duftnotensuche

Schon während der „Roaring Twenties“, als sich in Berlin die Unter- und Oberschicht (-welt?) wie im Taumel munter durchmischte, konnte das Unternehmen „Gustav Lohse Dampffabrik feiner Parfümerien, Toilette- und medizinische Seifen“ auf eine lange Tradition zurückblicken:
Kam doch dort 1910 das immer noch sehr erfolgreiche und beliebte „Uralt Lavendel“ auf den Markt.
Das war wohl auch einer der Gründe, weshalb der Konzern „L’Oréal“ die Gustav Lohse AG 1973 kaufte.
Derartige Sahneschnittchen ließ man sich schon damals nicht entgehen.

Aha, daher kannte ich also Gustav Lohse!
Über diesen Namen stolperte ich schon, als ich die Duftprobe in einem meiner Ordner erfasste.
In der großen Duftproben-Kollektion, die Can mir vor Weihnachten schickte, befand sich auch eine Abfüllung seines Damenduftes „Lelia“, den ich zuerst hier nicht fand, denn ich las natürlich erst einmal „Leila“ (der Fluch jahrelangen „Diagonallesens“! Man liest, was man denkt zu lesen!).
Die erste Duftbekanntschaft hatte mir aber gefallen, also schaute ich noch einmal sorgfältiger und siehe da: Ich fand diese wohlduftende Dame mit ihren Alt-Berliner Wurzeln hier auch erfasst.

Hm! Keine Duftpyramide, dafür ein Beitrag von „Precious“, die uns an ihre eigenen, ganz persönlichen Eindrücke teilhaben lässt: Dank an sie!
Die Gefahr, dass ich mich durch sie beeinflussen lasse, besteht; also gehe ich auf die Suche und finde im Netz Reklame zu „Lelia“ aus dem Jahr 1955:
„Männer lieben diesen zärtlichen Duft – den Duft von „Lelia“, der sie immer wieder aufs Neue überrascht und bezaubert, ganz wie am ersten Tag.
Ein „gewisses Etwas“ macht uns begehrenswert:
„Lelia“ – der Duft, der bei jeder Frau anders wirkt und unsere persönliche Note bewahrt.“
Das kann ich bestätigen, aber neugierig wie ich bin, werde ich jetzt doch meine sinnlichen „Duftsucheinrichtung“ aktivieren: eine Art „Schnüffelschwein“ für Duftnoten.

Eines zeigt sich deutlich; auch im damaligen Berlin orientierte man sich an Paris und so wurden sicher auch die Nasen der Parfümeure der „Dampffabrik feiner Parfümerien …“ Richtung Chanel und Guerlain ausgerichtet.
„The Trend is your Friend“, wusste man sicher schon vor Uli Hoeneß und folgte genau diesem Rat.
Ein bisschen des beide Marken auszeichnenden weltstädtischen Flairs finde ich auch im inzwischen voll erblühenden Duft auf meiner Haut.

Mit großer Wahrscheinlichkeit prickelt und flirrt die klassische Zitrusfrische der Bergamotte lebendig im Auftakt; schon damals gehörte dieses Aroma zu jeder Rezeptur; warum sollte sie gerade hier fehlen?
So beginnt „Lelia“ beschwingt und fein würzig (ein Hauch Muskatnuss?), bevor sich das durch Aldehyde hervorgerufene, besondere Strahlen der nun folgenden Blumen zeigt:
Die sommerliche Blütenduft-Pracht von Rosen, Nelke und Jasmin, Lilie und einen Hauch von Veilchen und eventuell Maiglöckchen würde ich nach meinem Duftempfinden der Herznote zuordnen.
Schon an dieser Stelle sortiere ich dieses interessante Duftgeschöpf zwischen „Chanel N° 5“ (wie von Precious bereits erwähnt) und einigen der beliebten Duftkompositionen von Jacques Guerlain ein.
Eine leicht holzige und warme Basis birgt für mich eine gewissen „Berliner Prüderie“ (als geborene Berlinerin darf ich das sagen); die starke, so lebendige Sinnlichkeit der Franzose wurde etwas gedimmt; ein wenig Eichenmoos und animalisches Sandelholz würden mir doch gut gefallen:
Aber vielleicht macht gerade deren Abwesenheit „Lelia“ elegant und alltagstauglich und so für ein breites Spektrum von Frauentypen tragbar.

So zeigt „Lelia“ bei mir ein sehr tragbares, blumig-würziges und ausgesprochen feminines Wesen, ohne aber den Vamp oder große Leidenschaften zu wecken.
Ich fühle mich wohl mit diese freundlichen Geschöpf, finde ich doch einen unaufgeregten und charmanten Duftverlauf für wirklich alle Gelegenheiten, mit durchschnittlicher Sillage und Haltbarkeit.

Can777 hat mir hier ein interessantes Duft-Abenteuer ins Päckchen gelegt; lange durften meine „Duftnoten-Erschnüffler“ nicht mehr tätig werden: Nur hier und dort durften sie ein bisschen korrigierend eingreifen.
Ich bin sicher, er wusste genau, dass er meinen "Duft-Pfadfinder" aktiviert; kennt er mich doch sehr gut.

Aber ist es nicht eigentlich gleich, welche Geheimnisse des Berliner Duftlabors sich hinter „Lelia“ verbergen?
Ein Bild in Duft zu malen, ist eine für einen neugierigen Menschen wie mich unterhaltsame Herausforderung:
Zwar bleiben hier und dort einige weiße Stellen auf der vorbereiteten Leinwand, einige Überlappungen der Duftnoten erscheinen und der unscharfe, leicht verwischte Reiz von Konturen aus der Aquarellmalerei sorgt für das gewisse Etwas.
Es entsteht ein hübsches Blumenbild, das zeitlos eine Frau mit Persönlichkeit umgibt; ihr schmeichelt und sie lächeln lässt.

Was wollen wir mehr?
Genießen wir das Unerwartete und Seltene: "Lelia" ist eines davon!
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