Hayride 2022

Floyd
06.12.2022 - 15:07 Uhr
60
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Das Flimmern am Ende des Sommers

Fliegt silberner Staub ätherischer Blüten, flirren winzige Perlen von Honigtropfen an Stängeln süßwürziger Kupferfarben, fließen feuchte Fasern von grünen Kräutern scheinbar überall in den Sommerhimmel. Die Luft schmeckt wie warme Brotrindenkrümel. Deine Augen streichen das Futter im Stall wie Finger durch die verdorrten Wiesen, malen goldweiche Wellen in spröde Ähren und es blühn noch Rosinen im Cumarin. Vom Wald her wachsen feine Fäden herber Harze bis zum Heuwagen, sie wehen über den trockenen Weiden und steigen über den torfigen Böden hinauf in die dunklen Vanillewolken, die wachsen am Horizont. Noch flimmern Kamillen im späten Sand, staubt herber Kakao im warmen Wind, bald zieht der Herbst übers Land.
***
Nicholas Nilsson von Pineward Perfumes mit Sitz in Utah hatte sich ursprünglich den Düften nordamerikanischer Urwälder verschrieben, ehe er zuletzt den Horizont seiner Kreationen erweiterte, unterschiedlichste neue Richtungen einschlug. In den alkoholbasierten Parfums verwendet er hauptsächlich hochkonzentrierte Absolues. Die meisten seiner Düfte stellt er ausdrücklich nicht in limitierten Mengen her, da er keinen Kaufdruck oder Hype um seine Marke kreieren möchte. Die schiere Menge an Veröffentlichungen in jüngerer Zeit war meinem Empfinden nach der Raffinesse vieler seiner aktuellen Werke aber weniger zuträglich.
"Hayride" ist dagegen wieder ein wahrer Volltreffer, der die Heu-Torf Thematik des frühen "Steading" wieder aufgreift, auf die rauchig-malzigen Noten dabei aber zugunsten verschiedenster Heuaromen weitgehend verzichtet. Entstanden ist das nahezu fotorealistische Bild von frischem, gold-grünem Heu, welches duftend und staubend auf den Feldern des Spätsommers eingefahren wird. Die typischen Cumarin-Noten, die in Heu, Ruch- und Süßgras enthalten sind, stehen dabei jederzeit im Zentrum, von warm-würzig zu grüngrasig changierend in allen Facetten. Im Kopf werden diese unterstrichen von ätherisch-blumig-fruchtigen Aromen des Kardamom, der mit den harzig-süßen Noten der Narde den Eindruck von Kamille entstehen lässt. Die Narde ist es auch, die im Herzen mit holziger Kräuterwürze den Heuwagen in die Nähe eines trockenen Waldes bringt. Brotrinde, Rosinen und Muskat unterstützen den Eindruck des goldgelben Heus. Tonka, dunkle Vanille und herber Kakao sorgen für mehr Wärme und Tiefe, halten sich aber immer im Hintergrund, kreieren mit den holzig-rauchigen Nuancen der Narde, den erdigen Facetten der Moose mit dem Heu gegen Ende den Eindruck von trockenem Torfboden. Das Ende des Sommers flimmert moderat über gute acht Stunden.

(Mit Dank an Seejungfrau)
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