vor 11 Jahren
Huch, das 3. Thema in einem Thread? OK, versuche ich mich an letzerem:
Ironie unterliegt in jeder Kommunikationsform der Gefahr, nicht als solche erkannt zu werden (ich mag nur an so manchen Parfumokleinkrieg erinnern, der mit nicht verstandener Ironie begann ...). Da wir Düfte noch deutlich unreflektierter wahrnehmen als andere Sinneseindrücke, dürfte es in der Regel kaum möglich sein, Ironie zu erkennen.
Warum die Einschränkung "in der Regel"? Nun, die letzten beiden Threadbeiträge geben ein Beispiel, wo die Intention (Ironie) als solche erkannt werden könnte: in einem Umfeld, wo Düfte, genauer gesagt Parfums, sehr bewusst wahrgenommen werden und wo durch die Kommunikation über Parfums eine Kommunikation durch Parfums denkbar ist. Ein Beispiel: in jedem zweiten Beitrag (Vorsicht, Selbstironie!) schreibe ich, dass ich 50er/60er/70er-Jahre-Klassiker, die für mich zu sehr mit meiner Elterngeneration verknüpft sind, selbst nicht tragen mag - egal wie sehr ich die Qualität schätzen kann. Würde ich nun bei einem Parfumotreffen "Pour Monsieur" oder "Eau Sauvage" tragen, hätte ich die Lacher auf meiner Seite. Aber nur dort. Auf dem Weg zum Treffen in der Bahn würden sich die Reaktionen einpendeln zwischen Nichtbemerken und schrägen Blicken verknüpft mit der Einschätzung, dass ich ganz schön konservativ sei für mein Alter.
Ein Beispiel für nicht verstandene Ironie im Parfumbereich ist m.E. der Ethylmaltolknaller "Angel": Oliver Cresp hat ein prachtvolles Gemälde geschaffen, die Düfte eines Spaziergangs über einen Jahrmarkt eingefangen. Er scherte sich keinen Deut darum, ob das entstandene Parfum tragbar ist oder nicht, womit ihm klar war, dass so etwas eigentlich nur im Nischenbereich erfolgreich sein kann. Die Einreichung für Muglers ersten, auf den schnelllebigen Massenmarkt fokussierten Damenduft war daher als Scherz gemeint. Er konnte es kaum glauben, dass diese Ironie von den Verantwortlichen bei Mugler nicht erkannt wurde, und erst recht nicht, dass "Angel" ein kommerzieller Erfolg wurde.
Drittes Beispiel - die aktuelle Werbung für "N°5" mit Brad Pitt. Kein anderes Parfum steht so für Weiblichkeit wie Chanels Klassiker aus dem Jahre 1921. Das hat nichts damit zu tun, dass der Duft besonders blütenlastig wäre (viele Herrendüfte haben Blütenakkorde) oder süß (praktisch alle aktuell erfolgreichen Herrendüfte sind viel süßer als "N°5"), es hat wenig unmittelbar mit der Aldehydüberdosis zu tun (quasi die letzte Bastion der Damendüfte, die noch kaum in Herrendüften zu finden ist), aber sehr viel mit dem Erfolg und der Wiedererkennbarkeit: dadurch, dass es über Generationen von Damen getragen wurde, gilt es als Inbegriff des weiblichen, mittlerweile etwas altmodischen Parfums. Da setzt die aktuelle Werbekampagne an - eine ironische Gegenüberstellung des sehr weiblichen, trotz aller Zeitlosigkeit jetzt doch langsam altmodischen "N°5" gegen den modernen Mann Brad Pitt, die Männlichkeit unterstreichend mit einem kräftigen Bartwuchs, die ihm jede Androgynität nimmt (und damit auch die Zweifel ausräumt, dass es sich um eine große Unisexkampagne handeln könnte). Interessanterweise, logischerweise wird diese Ironie außerhalb der Parfumonasencommunity leichter erkannt als innerhalb.
Was ich mit den Beispielen zeigen wollte: ja, Parfums und das Tragen von Parfums können vom Sender ironisch gemeint sein, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Empfänger diese Ironie erkennen, ist gering. Vielleicht irre ich mich ja auch und "Angel" war gar nicht ironisch gemeint. Was meine These erst recht bestätigen würde. Es bedarf bei Sender und Empfänger des gleichen Kommunikationsverständnisses (ich meine hier Kommunikation durch und nicht Kommunikation, Sprache über Duft), damit Ironie erkannt wird. Oh je, jetzt sind wir wieder indirekt bei Intertextualität ...